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Aids

Hoffnung auf Heilung

26.11.2007  11:27 Uhr

Aids

Hoffnung auf Heilung

Von Ulrike Abel-Wanek

 

In Südafrika stecken sich täglich rund 2000 Menschen mit dem HI-Virus an. Das ist die höchste Ansteckungsrate weltweit. Westliche Medizin allein hilft nicht weiter, ist ein deutscher Pfarrer überzeugt - und hob ein vielversprechendes Projekt aus der Taufe.

 

Stefan Hippler ist katholischer Pfarrer in Kapstadt. 2001 gründete er die Hilfsorganisation »Hope«, die sich dem Kampf gegen Aids verschrieben hat. Nelson Mandela, Joschka Fischer und erst kürzlich Angela Merkel besuchten das bekannte und erfolgreiche Projekt, das mittlerweile zweifellos Vorzeigecharakter hat.

 

Anfragen von Ärzten des Tygerberg-Krankenhauses, einer der besten Kliniken in Südafrika, die sich mit HIV und Aids beschäftigt, führten zur Gründung von »Hope«. Die vier Buchstaben stehen für »HIV/Aids Outreach Programme and Education«. Die Organisation verfügt über keine eigenen Häuser. Statt neue Strukturen aufzubauen, sollen bereits vorhandene Organisationen genutzt, optimiert und untereinander vernetzt werden. Mit der Gründung der Ithemba-Kinderstation im Tygerberg fing alles an. Bis zu 24 akut an Aids erkrankte Kinder können hier aufgenommen und kostenlos behandelt werden. Die Medikamente werden mit Spendengeldern von »Hope« finanziert. Die Abteilung ist mit einer Forschungsstation vernetzt.

 

Auch dort, wo sich nach der Behandlung kein Arzt mehr blicken lässt, sind die Mitarbeiter des Hilfsprojekts aktiv. Speziell ausgebildete Gesundheitsarbeiter kümmern sich um entlassene Patienten in den Armenvierteln, denn Nachsorge können normale Krankenhäuser nicht mehr leisten. Die Frauen und Männer erhalten ein intensives Training in allen medizinischen und sozialen Bereichen. Anfangs belächelt, steht ihre Ausbildung heute vor der staatlichen Anerkennung, einige wurden sogar schon von anderen Organisationen abgeworben. Die »Health Worker« kennen die oft katastrophalen Bedingungen der Menschen in den Gettos gut. Es gibt kaum Strom, es fehlen Kühlschränke, in denen die lebensrettenden Medikamente aufbewahrt werden müssten. Mangelnde Hygiene und unregelmäßige Nahrungsaufnahme können den Verlauf der Aids-Erkrankung außerdem drastisch verschlimmern. Die Verteilung von Essen und die Ausgabe von Milch an infizierte Mütter, damit diese ihre Babys nicht stillen müssen, werden als ebenso wichtige Aufgabe angesehen wie die Organisation der medikamentösen Therapie.

 

Zu Beginn des Projekts hoffte Pfarrer Hippler, der sich selbst als »Hans Dampf in allen Gassen« bezeichnet und unermüdlich um Spenden kämpft, sechs bis zehn solcher Gesundheitsarbeiter finanzieren zu können. Mittlerweile sind es 18.

 

Sie arbeiten eng mit dem Personal der Tageskliniken in der Region zusammen, um die Grundversorgung der Patienten zu gewährleisten. Aufklärung und Beratung infizierter Familien gehören ebenso zu ihren Aufgaben wie die Überwachung der antiretroviralen Therapie, mit der die südafrikanische Regierung erst 2004 startete. Jahrelang hatte sie das Aidsproblem vertuscht und heruntergespielt, die Betroffenen hatten unter Vorurteilen und Stigmatisierungen zu leiden. Aids war ein Tabu, über das selbst erkrankte Frauen mit ihren eigenen Männern nicht sprachen. Doch angesichts fast 1000 Aids-Toter täglich beginnt langsam ein Umdenken, und das ist nicht zuletzt der unermüdlichen Arbeit von »Hope« zu verdanken.

 

Der unkonventionelle Hippler macht kein Hehl daraus, dass er in Sachen Aufklärung von der offiziellen katholischen Linie abweicht. »Wenn es um Prävention geht, muss man alle Möglichkeiten vorstellen, das heißt von Abstinenz, die ja auch meine Kirche sicherlich an erste Stelle setzen würde, bis hin zur Frage der Kondome. Es wäre für mich unmoralisch und unethisch, wenn ich nicht die ganze Bandbreite der Möglichkeiten zeigen würde«, ist er überzeugt.

 

Westliche Medizin muss umdenken

 

Aber nicht nur mit der katholischen Kirche legte sich der Motorrad fahrende Pfarrer an. Als er die in Südafrika hoch angesehenen traditionellen Heiler in den Kampf gegen Aids mit ins Boot nehmen will, ist das seinen akademischen Partnern, dem Tygerberg-Hospital ebenso wie der Stellenbosch-Universität, die das Hope-Projekt wissenschaftlich begleitet, zu viel. Die »Sangomas«, wie sie am Kap genannt werden, hätten in dem Projekt nichts zu suchen. Salben, Säfte und Kräuter spielen in der geheimnisvollen Welt der traditionellen Heiler eine große Rolle, aber auch der Glaube an die Ahnen. Sie werfen Knochen und reden sich in Trance, um mit den Vorfahren der Patienten Kontakt aufzunehmen. Zu viel Hokuspokus für die westliche Medizin. Tatsache ist aber, dass 80 Prozent der Südafrikaner, bevor sie überhaupt daran denken, in die Hospitäler kommen, ihre Medizinmänner und -frauen aufsuchen. Erst wenn die nicht mehr weiterwissen, wenden sie sich an einen westlich praktizierenden Arzt. Die Menschen vertrauen den Sangomas mehr als der modernen Schulmedizin. Dieser Respekt gibt ihnen eine mächtige Stellung. Hippler erkannte, dass ohne die Einbeziehung dieser einflussreichen spirituellen Führer der Kampf gegen HIV/Aids nicht gewonnen werden könne und überzeugte seine Partner. Die Deutsche Aids-Hilfe hat das Sangoma-Projekt, das von 2005 bis 2007 zunächst auf drei Jahre angelegt war, mit 50.000 Euro unterstützt.

 

In dem Pilotprojekt trafen westliche Schulmediziner, Krankenschwestern, Gesundheitsberater und Sangomas zusammen, um ihre gegenseitige Arbeit besser kennenzulernen. Vorurteile, Aberglaube und jahrhundertealte Traditionen standen modernen medizinischen Erkenntnissen und Behandlungsmethoden gegenüber. Die regelmäßig stattfindenden Workshops hatten offensichtlich Erfolg. Bei den Heilern setzte sich zögernd die Erkenntnis durch, dass Aids kein Fluch der Ahnen ist, sondern eine Krankheit, die dringend medikamentös therapiert werden muss. Statt sie selber zu behandeln, nicht selten mit fatalen Folgen für die Betroffenen, schicken die Sangomas ihre Patienten bei HIV-Verdacht nun zunehmend in die Kliniken. Hippler freut sich über die sichtbaren Erfolge: »Das Projekt hat tatsächlich erste Brücken zwischen beiden Kulturen gebaut. Wir konnten inzwischen häufig beobachten, dass Sangomas aidskranke Menschen begleiten, wenn sie sich auf den Weg zu einer der Tageskliniken machen.« Hier helfen sie beispielsweise auch bei der Übersetzung der Gespräche, denn viele Patienten sprechen neben ihrer Stammessprache kein oder nur sehr schlechtes Englisch.

 

Die Zusammenarbeit sei nicht einfach, man müsse erst eine gemeinsame Sprache finden, aber der Pfarrer ist von der Richtigkeit dieses Weges überzeugt. Der Eindruck eines Sangomas aus einem der Workshops gibt ihm recht: »Ich danke Gott und unseren Vorfahren für dieses Seminar. Ohne diese Erfahrung wären wir nicht aus unseren Gemeinden herausgekommen und würden nur unsere eigenen Traditionen kennen.«

 

Informationen: www.h-o-p-e.net.

 

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