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Simvastatin und Lovastatin

Blutungsrisiko mit Dabigatran erhöht

23.11.2016  09:12 Uhr

Von Ulrike Viegener / Bei gleichzeitiger Anwendung des Thrombin­inhibitors Dabigatran und den Lipidsenkern Lovastatin oder Simvastatin steigt das Risiko gravierender Blutungskomplikationen. Deshalb sollten in Kombination mit Dabigatran bevorzugt andere Statine zum Einsatz kommen.

Dabigatran ist ein direkter oraler Thrombininhibitor, der unter anderem bei Patienten mit Vorhofflimmern zur Prävention von Schlaganfällen angewendet wird. Interaktionen mit den Statinen Lova­statin und Simvastatin sind zu vermuten, da die beiden Statine potente Inhibitoren einerseits der Carboxyl­esterase und andererseits des P-Glyko­proteins sind. Sowohl das Enzym als auch das Transportprotein haben maßgeblichen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von Dabigatran. Die Carboxylesterase überführt das Prodrug Dabigatran­etexilat in seine aktive Form. P-Glykoprotein wirkt der Verfügbarkeit des aktiven Arzneistoffs ent­gegen, indem es als Membran­protein Fremdsubstanzen aktiv aus den Zellen hinaus befördert.

 

Blockade von P-Glykoprotein und Carboxylesterase

Lovastatin und Simvastatin hemmen P-Glykoprotein und Carboxylesterase stärker als andere Statine. Interaktionen zwischen Dabigatran und den beiden Statinen könnten sich theoretisch im Sinne erhöhter Risiken sowie auch im Sinne einer Wirk­abschwächung manifestieren.

 

Vor diesem Hintergrund führte ein Team um Dr. Tony Antoniou von der University of Toronto in Ontario in Kanada zwei Fallkontrollstudien durch, in denen mehr als 45 000 Dabigatran-Anwender erfasst wurden (»CMAJ« 2016. DOI: 10.1503/cmaj.160303). Alle Teilnehmer waren in den 60 Tagen vor dem Stichtag mit einem Statin behandelt worden, wobei zwischen Lova­statin/Simvastatin und anderen Statinen (Pravastatin, Atorvastatin, Fluva­statin, Rosuvastatin) differenziert wurde. In der ersten Studie wurden Patienten, die unter der Kombination aus Dabigatran plus Statin in den 60 Tagen bis zum Stichtag einen ischämischen Schlaganfall erlitten hatten (Fälle), mit Patienten verglichen, bei denen dies nicht der Fall war (Kon­trollen). Ziel war, zu überprüfen, ob es bei Kombination des Thrombininhibitors mit Lovastatin beziehungsweise Simvastain – im Vergleich zu anderen Statinen – zu einem präventiven Wirkverlust kommt. Die zweite Studie ging der Frage nach, ob die Kombination von Dabigatran mit einem dieser beiden Wirkstoffe ein erhöhtes Blutungsrisiko nach sich zieht.

 

Andere Statine bevorzugen

 

In der Studienpopulation wurden insgesamt 397 ischämische Schlaganfälle registriert sowie 1117 Blutungen, die in einer Notfallambulanz versorgt werden mussten oder eine Klinikeinweisung erforderlich machten. Ein signifikant erhöhtes Risiko für Schlaganfälle oder transitorische ischämische Attacken war bei gleichzeitiger Anwendung von Dabi­gatran und Lovastatin beziehungsweise Simvastain im Vergleich zu anderen Statinen nicht feststellbar (Odds Ratio 1,33; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,88 bis 2,01), wobei die Autoren aber nicht ausschließen, dass das Studiendesign für den Nachweis eines solchen Unterschieds nicht empfindlich genug war.

 

Das Risiko schwerer Blutungen war dagegen unter der Kombination signifikant erhöht (Odds Ratio 1,46; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,17 bis 1,82), was angesichts einer erhöhten Bio­verfügbarkeit infolge Blockade des ­P-Glykoproteins plausibel ist. Die Autoren empfehlen, bei Patienten, die mit Dabigatran behandelt werden, auf die gleichzeitige Gabe von Lovastatin oder Simvastatin zu verzichten und stattdessen andere Statine zu bevor­zugen. /

Unterschiede zwischen Statinen

PZ / Die verschiedenen Statine unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Hemmwirkung auf P-Glykoprotein und Carboxylesterase, sondern auch in Bezug auf die verstoffwechselnden Enzyme. Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin werden hauptsächlich über das Cytochrom-P450-Isoenzym 3A4 (CYP3A4) metabolisiert. Fluva­statin wird zu 75 Prozent über CYP2C9 und zu 20 Prozent durch CYP2D6 sowie CYP3A4 verstoffwechselt. Prava-statin wird dagegen überhaupt nicht durch Cytochrom-P450-Enzyme metabolisiert. /

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