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Mammakarzinom

Früh erkennen, individuell behandeln

14.11.2017  15:49 Uhr

Von Dorothea Fischer / Jede neunte Frau erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs. Die Heilungschancen sind durch eine verbesserte Früherkennung und individuelle Therapiekonzepte sehr günstig. Diese stützen sich neben der Operation und Bestrahlung auf endokrine Substanzen, Chemotherapien und zielgerichtete Substanzen.

Das Mammakarzinom ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung der Frau. Jährlich erkranken mehr als 74 000 Frauen neu und etwa 17 800 sterben an den Folgen. Die Prognose ist stark abhängig vom Stadium der Erkrankung bei Diagnosestellung sowie der Tumorbiologie.

 

Mehr als 88 Prozent der Patientinnen leben länger fünf Jahre. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 64 Jahren; 30 Prozent der Patientinnen sind jünger als 54 Jahre (1).

Bitte beachten Sie

Dies ist ein Beitrag aus unserem Archiv. Aktuelle Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Themenseite Brustkrebs.

Jede Frau in Deutschland wird zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr alle zwei Jahre zur Mammografie im Rahmen des Screenings eingeladen. Seit Beginn des Mammografie-Screenings hat sich die Anzahl der invasiven Tumoren, die im frühen Stadium entdeckt werden, deutlich erhöht. Waren vor Einführung des Screenings nur 49 Prozent der entdeckten Tumoren kleiner als 2 cm, so waren es 2014 bereits 77 Prozent. Auch in Bezug auf den Lymphknotenbefall zeigte sich Erfolg: Hatten vor dem Screening 43 Prozent der Frauen befallene Lymphknoten bei Diagnose, so waren es 2014 nur noch 25 Prozent (2).

 

Als weitere Früherkennungsuntersuchung steht jeder Frau ab 30 Jahren die jährliche Tastuntersuchung beim Frauenarzt zu. Dieser sollte die Frauen dazu anhalten, einmal im Monat beide Brüste genauer zu untersuchen. Bei der Inspektion sollte auf Veränderungen an der Haut, insbesondere der Brustwarze, geachtet werden. Auch Einziehungen oder eine Haut, die lokal aussieht wie die einer Orange (Plateau- und Peau d’orange-Phänomene), können auf eine Tumor­erkrankung hinweisen. Ferner sollte die Frau bei der Brust-Selbstunter­suchung auf Flüssigkeitsaustritt aus der Brustwarze, knotige Veränderungen und auf Lymphknotenvergrößerungen in der Achselhöhle achten.

Indikatoren für eine genetische Untersuchung

Das Konsortium für familiären Brustkrebs (3) hat einen Kriterienkatalog aufgestellt, welche Frauen ein Risiko von mehr als 10 Prozent für eine BRCA-Mutation haben. Die Kriterien im Einzelnen:

 

  • mindestens drei an Brustkrebs ­erkrankte Frauen aus der gleichen Linie einer Familie, unabhängig vom Alter der Erstdiagnose;
  • mindestens zwei an Brustkrebs ­erkrankte Frauen aus der gleichen Linie einer Familie, davon eine mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 51. Lebensjahr;
  • mindestens zwei an Eierstockkrebs erkrankte Frauen aus der gleichen Linie einer Familie;
  • mindestens eine an Brustkrebs und mindestens eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau oder eine an Brust- und Eierstockkrebs erkrankte Frau;
  • mindestens eine an Brustkrebs ­erkrankte Frau vor dem 36. Lebensjahr;
  • mindestens eine an beidseitigem Brustkrebs erkrankte Frau, deren Ersterkrankung vor dem 51. Lebensjahr diagnostiziert wurde;
  • mindestens ein an Brustkrebs ­erkrankter Mann und zusätzlich eine an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankte Frau;
  • mindestens eine an einem triple-negativen Brustkrebs erkrankte Frau vor dem 50. Lebensjahr;
  • mindestens eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau vor dem 80. Lebensjahr.

Genmutationen erhöhen das Risiko

 

Ein deutlich erhöhtes Krankheitsrisiko haben Menschen, bei denen eine Genmutation vorliegt. Derzeit geht man davon aus, dass etwa 5 bis 10 Prozent aller Betroffenen eine Genmutation aufweisen. Das Konsortium für familiären Brustkrebs hat einen Anamnese­katalog aufgestellt, der Menschen identifiziert, die ein Risiko von mehr als 10 Prozent für eine BRCA-1- oder -2-Mutation haben (Kasten) (3).

 

Liegt eine entsprechende Mutation vor, erkranken die Betroffenen im Schnitt zehn Jahre früher als die Allgemein­bevölkerung. Das Lebenszeitrisiko für ein Mammakarzinom beträgt bei einer BRCA-1-Mutation bis 69 Prozent, bei einer BRCA-2-Mutation 50 bis 74 Prozent. Für Frauen mit einer ­Mutation der Hochrisikogene steht ein intensivier­tes Früherkennungsprogramm zur Verfügung. Ihnen werden neben der jährlichen Mammografie alternie­rend eine Magnetresonanz-Tomo­grafie (MRT) der Brüste sowie ein Ultraschall angeboten.

 

Zudem besteht die Möglichkeit einer prophylaktischen Operation. Viele Betroffene entscheiden sich für die Entfernung beider Eierstöcke; dies erfolgt ab dem 40. Lebensjahr oder fünf Jahre vor dem Lebensalter der jüngsten Ersterkrankten in der Familie. In Bezug auf prophylaktische Operationen an der Brust entscheidet sich eine geringere Anzahl von Mutationsträgerinnen für den Eingriff. Angehörigen wird ein Termin bei einer humangenetischen Beratung empfohlen.

 

Ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben auch ältere Menschen, Menschen mit Adipositas, bei erhöhtem Alkoholkonsum und Bewegungsmangel sowie Frauen, die keine Kinder bekommen ­haben oder nicht gestillt haben. Auch eine Hormonersatztherapie erhöht das Risiko.

 

Diagnostik und Pathologie

 

Zur Diagnostik steht neben der Palpa­tion und der Inspektion von Brust und Achselhöhlen als Standardmethode die Mammografie zur Verfügung, bei dichtem Drüsenkörper ergänzt durch den Ultraschall. Die MRT wird bei speziellen Fragestellungen eingesetzt, zum Beispiel

 

  • zum Ausschluss sehr kleiner, in ­anderen Untersuchungsverfahren nicht sichtbarer Karzinome, falls Lymphknoten in der Achselhöhle ­befallen sind,
  • zur Unterscheidung zwischen ­Narbengewebe und Rezidiv nach Mammakarzinom,
  • zum Ausschluss einer Ruptur bei ­Implantaten sowie
  • zur intensivierten Früherkennung bei Frauen mit einer Genmutation.

Bei einem auffälligen Befund folgt eine Biopsie des Herdes mithilfe einer Hohlnadel, wenn möglich unter Ultraschallkontrolle. Insbesondere wenn Mikro­kalk (besonders kleine Kalkkon­figurationen) vorliegt, wird die dann durchgeführte Vakuumbiopsie mit ­einer Mammografie gesteuert. Ist der Herd nur in der MRT sichtbar, ist eine MRT-gestützte Biopsie erforderlich. In seltenen Fällen entnimmt man heut­zutage noch operativ eine Biopsie (4).

Anhand der Biopsie unterscheidet der Pathologe verschiedene Brustkrebsvorstufen. Dazu zählen die intraduktale atypische Hyperplasie (ADH), lobuläre intraepitheliale Neoplasie (LIN), flache epitheliale Atypie (FEA) sowie das duktale Carcinoma in situ (DCIS). Häufig werden die Krebsvor­stufen bei der Untersuchung von Mikro­kalk entdeckt. Während die ersten drei Veränderungen als Risiko­läsionen eingestuft werden, besteht beim DCIS ein 30- bis 50-prozentiges Risiko, dass sich daraus ein invasives Karzinom entwickelt. Hier wird eine kompetente Entfernung der Läsion und nach brusterhaltender Therapie eine Bestrahlung empfohlen.

 

Der Pathologe bestimmt neben der Art der Tumorzellen (vor allem duktal und lobulär) die Größe des Tumors, mögliche Lymphknoten-Metastasen und die Ausbreitung in Lymphbahnen oder Blutgefäße (L1 oder V1). Die Therapie hängt im Wesentlichen auch von der Tumorbiologie ab. Hier sind wichtige Para­meter das Grading (G 1 bis 3), das Ki67-Protein als Proliferationsmarker und die Rezeptorausstattung. Sind Hormonrezeptoren (Estrogen- und Progesteronrezeptor) vorhanden, kann das Wachstum durch Hormonentzug verlangsamt oder gestoppt werden. Der HER-2-Rezep­tor ist ein Wachstumsfaktor-Rezep­tor, gegen den gezielte Therapien (targeted therapy) entwickelt wurden.

 

Als weitere Untersuchungsmethode können Genexpressionsprofile bestimmt werden, die helfen, das individuelle Rückfallrisiko in bestimmten Situa­tionen besser einzuschätzen. Als Testsysteme sind unter anderem Onkotype DX, Endopredict, Mammaprint und Prosigna auf dem Markt. Allen Gen­expressionstests ist gemein, dass sie eine Untergruppe von Brustkrebs-Patientinnen identifizieren sollen, die ohne Chemotherapie optimal behandelt werden kann (5).

 

Operation meist brusterhaltend

 

Grundsätzlich wird jede Patientin operiert, es sei denn, sie hat eine bereits metastasierte Erkrankung bei der Ersterkrankung. Ziel der Operation ist es, alle Tumorzellen aus der Brust zu entfernen. Die Schnittränder werden jeweils komplett untersucht.

 

Etwa 75 Prozent aller Patientinnen können brusterhaltend operiert werden. Eine Mastektomie ist notwendig, wenn das Tumor-Brust-Verhältnis ungünstig oder die Brusthaut betroffen ist, ausgedehnte Krebsvorstufen vorliegen, eine Strahlentherapie nicht möglich ist oder auf Wunsch der Patientin. Nach einer Mastektomie stehen unterschiedliche rekonstruktive Verfahren zur Verfügung: Man kann den Drüsenkörper durch eine Prothese ersetzen oder mit Eigengewebe eine entsprechende Brust formen. Dieses wird derzeit überwiegend als freier Lappen aus der Bauchdecke genommen.

 

Zur Risikoeinschätzung ist es Standard, dass bei klinisch unauffälligen Lymphknoten in der Axilla der oder die sogenannten Wächterlymphknoten (Sentinel) entfernt werden. Werden vor einer Operation bereits auffällige Lymphknoten festgestellt, folgt üblicherweise eine Axilla-Dissektion (eine Entfernung der Lymphknoten in der Achselhöhle). In Studien wird derzeit untersucht, ob bei klinisch unauf­fälligen Lymphknoten überhaupt eine Entfernung von axillären Lymphknoten notwendig ist.

 

Das Risiko für ein Lymphödem steigt mit der Zahl der entfernten Lymph­knoten. Bei Entfernung des Wächterlymphknotens beträgt es etwa 5 Prozent, bei Entfernung der Lymphknoten aus Level I und II werden Lymph­ödeme bei bis zu 20 Prozent der Patientinnen beschrieben.

 

Antihormonelle Therapie

Bei zwei Drittel der Patientinnen besteht ein positiver Hormonrezeptor­status (Estrogen- und Progesteron-Rezeptoren). Dann ist postoperativ eine antihormonelle Therapie – in der Regel für fünf Jahre, manchmal auch bis zu zehn Jahre – sinnvoll, da diese das Rückfall­risiko senkt.

 

Die wesentlichen Nebenwirkungen aller antihormonell wirksamen Sub­stanzen sind Wechseljahrbeschwerden, zum Beispiel Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, depres­si­ve Verstimmungen, vaginale Blutungen und Juckreiz in der Scheide. Als besonders belastend erleben die Patien­tinnen Muskelbeschwerden. Zusätzlich steigt das Risiko für Thrombosen und psychische Probleme.

 

Der selektive Estrogen­rezeptor-Modulator Tamoxifen blockiert die Rezep­toren hormonabhängiger Tumorzellen, sodass Estro­gene keinen Wachstumsreiz mehr aus­lösen. Tamoxifen wird bei prä- und postmenopausalen Frauen angewendet. Die Dosierung ­beträgt einmal täglich eine Tablette mit 20 mg. Unter Tamoxi­fen kann es zu einer Endome­trium-Hyperplasie bis hin zum Endometrium-Karzinom kommen; auch das Risiko einer Thrombose ist erhöht. Zusätz­lich können Sehstörungen, zum Beispiel durch Katarakte oder Re­tinopathien, auftreten, sodass eine Vorstellung beim Augenarzt zu Beginn der Therapie empfohlen wird.

 

GnRH-Analoga wie Leuprorelin und Goserelin werden bei prämenopau­salen Patientinnen eingesetzt, um die Estrogen­produktion der Eierstöcke einzustellen. Der Einsatz wird besonders bei jungen Frauen vor dem 35. Lebensjahr sowie bei Frauen mit Fernmetastasen empfohlen. Die Spritzen werden entweder einmal monatlich oder alle drei Monate gesetzt.

 

Aromatasehemmer werden bei postmenopausalen Frauen eingesetzt, oft in Sequenz mit Tamoxifen. Neben den nicht-steroidalen Aromatasehemmern Anastrozol und Letrozol wird der steroidale Hemmstoff Exemestan eingesetzt. Sie vermindern eine Umwandlung von Estrogenvorstufen in Estrogene. Die Wirkung aller drei Substanzen ist in Bezug auf die Prognose als gleich einzuschätzen. Wesentliche Nebenwirkungen im Vergleich zu Tamoxifen sind Myalgien und Arthralgien sowie Osteoporose. Unter der Therapie mit Aromatasehemmern wird eine Kontrolle der Knochendichte empfohlen.

 

Der Estrogenrezeptor-Antagonist Fulvestrant schaltet den Rezeptor vollständig aus und reduziert die Estrogenrezeptorprotein-Spiegel in den Tumoren. Fulvestrant ist nur bei Frauen nach den Wechseljahren zugelassen, bei denen bereits eine Fernmetastasierung besteht und die zuvor Tamoxifen erhalten haben. Die Gabe erfolgt intramuskulär.

 

Wann und wie wird bestrahlt?

 

Nach einer brusterhaltenden Opera­tion ist die Bestrahlung Standard. In wenigen Fällen reicht eine Teilbrust­bestrahlung aus, generell wird die komplette verbliebene Brust bestrahlt.

 

Wurde die Brust entfernt, muss bei einer Tumorgröße ab 5 cm, wenn drei oder mehr Lymphknoten befallen sind oder nach Befall der Haut oder des Muskels ebenfalls bestrahlt werden. Sind axilläre Lymphknoten befallen, werden auch die Lymphabflusswege ober- und unterhalb des Schlüsselbeins bestrahlt, nicht jedoch die Axilla selbst.

 

Die Strahlentherapie beginnt frühestens drei Wochen nach der Opera­tion. Ist eine Chemotherapie nötig, so startet die Bestrahlung nach deren ­Abschluss. Die Radiatio dauert drei bis sechs Wochen. Wie lange und mit welcher Dosis bestrahlt wird, richtet sich nach der individuellen Situation der Patien­tin. Liegt keine Hochrisikositua­tion vor, ist bei Frauen über 40 Jahren eine kürzere Strahlentherapie mit höhe­ren Einzeldosen (Hypofraktionierung) Standard. Bei höherem Rezidivrisiko wird das ehemalige Tumorbett mit einer erhöhten Dosis (Boost) bestrahlt.

 

Die wesentlichen Nebenwirkungen sind eine schmerzhafte Rötung bis hin zur Blasenbildung. Durch eine präzisere Bestrahlung werden Lunge und Herz heutzutage sehr wenig beeinflusst. Allerdings sollten Raucherinnen unbedingt das Rauchen einstellen, da sonst das Risiko für ein Bronchialkar­zinom deutlich steigt. Während der Bestrahlung ist auf enge Kleidung zu verzichten; weitere Reizungen, zum Beispiel Sonnenbäder, sollten vermieden werden.

 

Individueller Einsatz der Chemotherapie

 

Eine Chemotherapie wird grundsätzlich empfohlen

 

  • bei Triple-Negativität (beide ­Hormonrezeptoren und ­HER2-Rezeptor negativ),
  • bei positivem HER2-Rezeptorstatus (HER: human epidermal growth ­factor receptor) und
  • bei Patientinnen mit einem ­Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Mammakarzinom, aber hohem Rückfallrisiko, zum Beispiel bei Grading 3, Befall von mehreren Lymphknoten oder Krebs in sehr ­jungem Alter.

Steht die Indikation zur Chemotherapie bereits vor einer Operation fest, so ­erfolgt die Chemotherapie bevorzugt neoadjuvant, also vor der Operation.

Eine Chemotherapie wird auch bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zur Palliation eingesetzt, wenn der Tumor Hormonrezeptor-negativ ist, die antihormonelle Therapie bei einem Hormonrezeptor-positiven Karzinom nicht mehr wirkt oder Symptome durch Metastasen rasch gelindert werden müssen.

 

In der neoadjuvanten oder adjuvanten Situation erhalten die Frauen eine Polychemotherapie, zum Beispiel mit Anthracyclinen wie Epirubicin und Alkylanzien wie Cyclophosphamid, gefolgt von Taxanen wie Paclitaxel. Liegt eine BRCA-1- oder -2-Mutation vor oder ist der Tumor triple-negativ, kommen auch Platinderivate zum Einsatz. Palliativ werden vor allem Taxane, Antimeta­bolite wie Capecitabin und Gemcitabin, Vinca-Alkaloide wie Vinorelbin und Eribulin eingesetzt. Palliativ wird wegen der besseren Verträglichkeit fast immer eine Monochemotherapie gegeben.

 

Die Chemotherapie wird beim Mammakarzinom typischerweise ambulant über einen Port verabreicht.

 

Das Nebenwirkungsprofil unterscheidet sich je nach eingesetzten Substanzen. Am stärksten belastend empfinden die Patientinnen eine Fatigue, neben Übelkeit und Erbrechen, Mundschleimhautentzündungen, Haarausfall und Verstopfung. Bei Taxanen steht die Neuropathie im Vordergrund, die kumulativ entsteht. Bei Antracyclinen muss aufgrund der kardiotoxischen Wirkung alle drei Monate eine Echokardiografie (»Herzecho«) aufgezeichnet werden.

 

Supportiv kommen prophylaktisch Antiemetika zum Einsatz. Bei älteren Damen oder höherem Risiko einer ­Leukozytopenie, zum Beispiel durch eine dosisdichte, dosisintensivierte Chemotherapie, werden prophylaktisch Granulozyten-Wachstumsfaktoren (G-CSF) verabreicht. Die eingesetzten Supportiva können zusätzlich eine Obstipation auslösen, die G-CSF auch stärkere Myalgien und Arthralgien.

 

Als Hausmittel gegen Mundschleimhautentzündungen werden das Lutschen gefrorener Ananasstücke sowie Spülungen mittels Kamille oder Salbei empfohlen. Bei Übelkeit und Erbre­chen sollen Pfefferminztee-Eiswürfel helfen, bei Durchfall geriebener Apfel.

 

Zielgerichtete Therapien: Antikörper gegen HER2

 

Etwa 15 Prozent aller Mammakarzi­nome exprimieren den HER-Rezeptor. Diese Patientinnen bekommen in der neoadjuvanten Situation den HER2-Antikörper Trastuzumab. Seit 2013 ist ebenfalls Pertuzumab als Kombina­tionspartner zugelassen bei Tumoren über 2 cm oder Lymphknotenbefall. Trastuzumab wird über insgesamt ein Jahr gegeben, Pertuzumab ist mit der Operation beendet. Die Verträglichkeit ist sehr gut.

 

In der Palliation wird neben diesen beiden Substanzen auch das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Emtansin (TDM1) eingesetzt bei Patientinnen, die bereits Trastuzumab und ein Taxan erhalten haben.

 

Der orale Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib wird bei HER2-positiven Tumoren mit Capecitabin oder einem Aromatasehemmer kombiniert, teilweise auch mit Trastuzumab. Die wesentlichen Neben­wirkungen sind Durchfall, Hautausschlag und Leberfunktionsstörungen.

 

In der Palliation wird zunehmend versucht, bei Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom endokrine Resistenzen zu umgehen. Der mTOR-Inhibitor Everolimus wird dazu mit dem Aromatasehemmer Exemestan kombiniert. Wesentliche Nebenwirkungen sind verschiedene Infektionen, Stomatitis und nicht-infektiöse Pneumonitis. Kontraindiziert sind P450-abhängige Medikamente sowie Johanniskraut und Grapefruitsaft.

 

Seit November 2016 sind CDK4/6-Inhibitoren zugelassen, derzeit Palbociclib und Ribociclib. Sie werden in der Kombination mit Fulvestrant oder einem Aromatasehemmer eingesetzt. Wesentliche Nebenwirkung ist eine Neutropenie; da diese aber nicht mit einer erhöhten Infektionsrate einhergeht, werden keine G-CSF eingesetzt. Eine engmaschige Überwachung ist notwendig.

 

Der monoklonale Antikörper Beva­cizumab blockiert den VEGF-Rezeptor und hemmt somit die Angiogenese. Bevacizumab ist in Kombination mit Taxanen bei HER2-negativen palliativen Patientinnen zugelassen. Wesentliche Nebenwirkungen sind Hypertonie, Thrombosen und Proteinurie.

 

Lokalrezidiv und Fernmetastasen

 

Tritt erneut Brustkrebs in der zuvor betroffenen Brust auf, werden zunächst apparativ Fernmetastasen ausgeschlossen. Handelt es sich »nur« um ein Lokalrezidiv, ist die Erkrankung prinzipiell weiterhin heilbar. In den meisten Fällen erfolgt dann nach einer brusterhaltenden Operation eine Mastektomie. In bestimmten Fällen kann eine erneute brusterhaltende Operation erwo­gen werden, wenn eine erneute Bestrahlung, zum Beispiel mit Brachytherapie (»interne Strahlentherapie«), möglich ist. Welche Systemtherapie sich anschließt, ist sehr individuell.

Am häufigsten metastasiert das Mammakarzinom in das Skelett, in Lunge und Leber, seltener und typischerweise später in das Gehirn. Besteht der Verdacht auf eine Fernmeta­stasierung, wird möglichst eine Probe entnommen, um die Tumorbiologie zu untersuchen. Fernmetastasen können sich vom Primärtumor in Bezug auf ihre Rezeptorausstattung unterscheiden.

 

Grundsätzlich erfolgt bei Hormonrezeptor-positivem Karzinom eine antiendokrine Therapie, bei HER2-positiver Situation eine anti-HER2 gerichtete Therapie. Im weiteren Verlauf kommen fast immer Chemotherapien zum Einsatz. Selten werden singuläre Metastasen operativ entfernt. Bei Knochenmetastasen bekommt die Frau Bisphosphonate oder Rank-Ligand-Inhibitoren wie Denosumab. Hier ist es wichtig, penibel auf die Zahngesundheit zu ­achten, um Kiefer-Osteonekrosen zu vermeiden. Eine Bestrahlung von symptoma­tischen Knochenmetastasen oder Metastasen der Haut, der Weichteile und des Gehirns ist Standard.

 

Supportive und integrative Therapien

 

Frauen mit Mammakarzinom vertrauen häufig auf »alterna­tive« Methoden, die sie nicht selten gefährden und hohe ­Kosten verursachen können. Zunehmend ­versucht man, integrativ-medizinische Verfahren im Rahmen von Studien einzusetzen, um deren Wirkung wissenschaftlich zu sichern. Anerkannt sind hier die Mind-Body-Medizin (MBSR), körperliches Training und Yoga zur Verbesserung der Lebensqualität. Positive Ergebnisse liegen zu Akupunktur bei Übelkeit und Erbrechen sowie Müdigkeit vor, ebenso für Hypnose bei Schmerzen und Übelkeit sowie präoperativ zur Reduktion von Angst.

 

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. Die Prognose ist in frühen Stadien sehr günstig. Individualisierte Therapiekonzepte helfen, Nebenwirkungen zu mindern und die Prognose weiterhin zu verbessern. Jährlich aktualisier­te Therapieempfehlungen findet man auf der Internet­seite der Arbeits­gemeinschaft Gynäkologische Onkolo­gie (AGO) (6, 7). Die Konsultationsfassung der neuen S3-Leitlinie wurde im August 2017 veröffentlicht (8). /

 

Literatur 

  1. Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland und Robert-Koch-Institut, Krebs in Deutschland 2011/2012, Häufig­keiten und Trends: Brustdrüse der Frau. 10. Ausg. 2015. Abzurufen: www.gekid.de/Doc/krebs_in_deutschland_2015.pdf
  2. Kooperationsgemeinschaft Mammo­graphie, Deutsches Mammo­graphie-Screening-Programm. Jahresbericht Evaluation 2014. Berlin, Dez. 2016.
  3. Deutsches Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de
  4. www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/ 2017-03/AGO_deutsch/PDF_Einzeldateien_deutsch/2017D%2003_ Frueherkennung%20und%20Diagnostik.pdf
  5. Harbeck, N., et al., Molecular and protein markers for clinical decision making in breast cancer: Today and tomorrow. Cancer Treatment Reviews 2013. PMID 24138841. doi: 10.1016/j.ctrv.2013.09.014.
  6. www.ago-online.de/de/infothek-fuer-aerzte/ leitlinienempfehlungen/mamma/
  7. www.ago-online.de/de/fuer-patienten/allgemeines/
  8. www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Mammakarzinom_4_0/LL_Mammakarzinom_Langversion_Konsultationsfassung_Version_0.4.1.pdf

Die Autorin

Dorothea Fischer studierte Humanmedizin in Lübeck und schloss ihre Promotion 1999 ab. Nach der Weiterbildung am Städtischen Krankenhaus Lüneburg erhielt sie 2003 die Anerkennung als Fachärztin für Frauenheilkunde. Von 2004 bis 2015 war sie am Universitäts­klinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, tätig, das sie zwischenzeitlich auch kommissarisch leitete. Sie habilitierte sich dort 2010 und wurde 2015 zur außerplanmäßigen ­Professorin ernannt. Seit 2015 leitet sie die Frauenklinik am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Ihr wissenschaft­licher Schwerpunkt liegt bei der jungen Patientin mit Mamma­karzinom.

 

Professor Dr. Dorothea Fischer

Klinikum Ernst von Bergmann, Frauenklinik

Charlottenstraße 72

14469 Potsdam

E-Mail: Dorothea.fischer@klinikumevb.de 

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