Neue Perspektive für frühes Stadium |
18.07.2018 10:29 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe, Frankfurt am Main / Patientinnen mit frühem HER2-postivem Mammakarzinom und hohem Rückfallrisiko können zukünftig auch nach einer Operation (adjuvant) eine duale HER2-Blockade mit den Antikörpern Pertuzumab und Trastuzumab erhalten. Bisher war dieses Regime für diese Patientinnen nur vor der geplanten OP, also neoadjuvant zugelassen.
Das Oberflächenprotein HER2 wird in etwa 25 Prozent aller Brusttumoren überexprimiert, was mit einem aggressiven Erkrankungsverlauf und einer schlechten Prognose einhergeht. Die meisten Fälle werden in einem frühen Stadium diagnostiziert. In dieser Phase ist das Behandlungsziel die Heilung.
Rezidiv bei jeder vierten Frau
Onkologen können Frauen mit frühem HER2-positivem Mammakarzinom jetzt auch adjuvant die Kombination aus Pertuzumab und Trastuzumab anbieten.
Foto: Colourbox
»Trotz Fortschritten in der Behandlung von HER2-positivem frühem Brustkrebs kommt es nach wie vor bei etwa jeder vierten Patientin zu einem Rückfall und zum Fortschreiten in ein unheilbares Stadium«, sagte Professor Dr. Andreas Schneeweiß vom Universitätsklinikum Heidelberg auf einer Pressekonferenz von Roche in Frankfurt am Main. Daher sei die Zulassungserweiterung für Pertuzumab (Perjeta®) und Trastuzumab (Herceptin®) eine sehr gute Nachricht. Ein hohes Rezidivrisiko haben zum Beispiel Patientinnen mit Lymphknoten-positiver oder Hormonrezeptor-negativer Erkrankung.
Die Zulassung stützt sich auf die Phase-III-Studie APHINITY mit mehr als 4800 therapienaiven Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs im Frühstadium. Sie erhielten postoperativ randomisiert entweder ein Jahr lang Perjeta und Herceptin oder Placebo und Herceptin – jeweils in Kombination mit einer Anthrazyklin- oder Carboplatin-basierten Standardchemotherapie. Primärer Endpunkt war das Überleben ohne invasives Rezidiv (iDFS). Insgesamt werden die Probandinnen zehn Jahre lang nachbeobachtet. Eine Zwischenauswertung wurde nun nach 45,4 Monaten vorgenommen.
»Dabei zeigte sich, dass wir insbesondere für Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko die Chance auf Heilung nun weiter erhöhen können«, sagte Schneeweiß. So war bei Nodal-positiven Patientinnen das Risiko für einen Rückfall oder Tod unter dem Perjeta-Regime gegenüber der alleinigen Behandlung mit Herceptin plus Chemotherapie um 23 Prozent reduziert (Hazard Ratio 0,77). Der absolute Unterschied betrug 1,8 Prozentpunkte (iDFS: 92,0 versus 90,2 Prozent), die Number needed to treat (NNT) 56. Ähnlich sah es bei den Hormonrezeptor-negativen Patientinnen aus. Das Risiko konnte um 24 Prozent gesenkt werden (HR 0,76), der absolute Unterschied betrug 1,6 Prozentpunkte (iDFS: 92,8 versus 91,2 Prozent) und die NNT 63.
Die Nebenwirkungen entsprachen Schneeweiß zufolge denen, die bereits aus dem metastasierten Setting und der neoadjuvanten Situation bekannt sind. So war eine Diarrhö vom Schweregrad 3 in der Pertuzumab-Gruppe mit 9,8 Prozent häufiger als in der Vergleichsgruppe mit 3,7 Prozent. Sie trat vor allem während der Chemotherapie auf. Des Weiteren entwickelten unter Perjeta 15 Prozent der Patientinnen eine Herzinsuffizienz NYHA-Stadium III/IV mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion, verglichen mit 6 Prozent in der Kontrollgruppe. »Man vermutet aber inzwischen, dass hier ursächlich nicht die Antikörper verantwortlich sind«, informierte Schneeweiß. Sie scheinen vielmehr Reparaturmechanismen von bereits durch die Chemotherapie vorgeschädigten Herzmuskelzellen zu behindern.
Pertuzumab und Trastuzumab interagieren beide mit dem HER2-Rezeptor, jedoch an verschiedenen Stellen. Pertuzumab verhindert, dass der Rezeptor mit anderen HER-Rezeptoren wie EGFR/HER1, HER3 und HER4 dimerisiert. Dieser Vorgang spielt vermutlich beim Wachstum und Überleben von Tumoren eine wichtige Rolle. Trastuzumab inhibiert dagegen die Liganden-unabhängige Aktivierung des HER2-Signalweges und dadurch die Proliferation der Tumorzellen.
18 Zyklen empfohlen
Folgendes Vorgehen wird derzeit empfohlen: Patientinnen erhalten die doppelte Antikörper-Blockade für insgesamt 18 Zyklen (ein Jahr) unabhängig vom Zeitpunkt der Operation als Teil eines vollständigen Therapieregims beim frühen HER2-positiven Mammakarzinom. Bekommt die Patientin die duale Blockade bereits neoadjuvant (drei bis sechs Zyklen), wird die adjuvante Behandlung postoperativ auf 18 Zyklen komplettiert. Ohne neoadjuvante Vorbehandlung werden Perjeta und Herceptin in Kombination mit Chemotherapie nach der Operation für 18 Zyklen gegeben. Die Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie hatte dieses Vorgehen bereits vor der Zulassung in ihre Leitlinien aufgenommen und mit einer Plus-Empfehlung bewertet. /