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Arthrose

Stille Inflammation

04.11.2015  09:41 Uhr

Von Christiane Berg, Bremen / Arthrose ist nicht allein eine Verschleißkrankheit. Es handelt sich um eine entzündliche Erkrankung, deren Erforschung die Entwicklung neuer Therapieoptionen denkbar macht. Eine wichtige Rolle scheint die Produktion von mikroRNA zu spielen.

Wie bei der Rheumatoiden Arthritis (RA) spielen in der Pathogenese der Osteoarthrose (OA) auch synoviale Entzündungsprozesse eine entscheidende Rolle, sagte Dr. Tanja Niedermair von der Universität Regensburg auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Bremen. Zu den Risikofaktoren für Arthrose zählt neben Gelenktraumata, körperlicher In- und Hyperaktivität auch das Alter.

 

 Im Alter verringert sich aktuellen Erkenntnissen zufolge die Produktion knorpel- und knochenrelevanter Wachstumsfaktoren, gleichzeitig nimmt die Produktion von proinflammatorischen Botenstoffen sowie Reaktiven Oxygen Species (ROS) zu. Gerade Sauerstoff­radikale, so Niedermair, können zu epigenetischen Veränderungen der DNA führen, die wiederum die Produktion der mikroRNA verändern. Diese kurzen, nicht codierenden RNA-Moleküle sind an der Steuerung der Genexpression und zellulären Proteinsynthese beteiligt (siehe Kasten).

 

miRNAs, so Niedermaier, wird zunehmend eine umfassende Rolle in der Knorpelhomöostase und – bei Dysregulation – auch in der Pathogenese der Osteoarthrose zugeschrieben. Ein Beispiel ist miRNA-140, das die Expression des Aggrecan-spaltenden und somit knorpelabbauenden Enzyms ADAMTS-5 reguliert. Im OA-Knorpel ist die miRNA-140-Konzentration deutlich reduziert, wodurch verstärkt Knorpel abgebaut wird. Auch miRNA-146 werde mit Osteoarthrose-bedingten Entzündungsreaktionen und Schmerzen in Verbindung gebracht, berichtete die Referentin.

 

Diese Erkenntnisse, so Niedermair, passen zu der Tatsache, dass die Synovitis- und Osteoarthrose-Pathogenese von überschießenden Immunreaktionen geprägt ist. Aufgrund von Autoantigenen oder »Alarminen« (sprich: Damage Associated Molecular Patterns (DAMPs)-Proteine) in geschädigtem Knorpel steigt die Infiltration von T- und B-Zellen beziehungsweise Makrophagen in die Gelenke und somit letztlich auch die Freisetzung von inflam­matorischen Zytokinen (wie Il-1, Il-6, TNF-a), Chemokinen, Matrix-Metalloproteasen (MMPs) und Prostaglandinen. Das Ausmaß der auf dieser Basis eingeleiteten synovialen Entzündungsreaktionen korreliere mit der Stärke der Knorpelerosion, der Gelenkschwellungen und der Schmerzen.

Mikro-RNA

Bei mikroRNA handelt es sich um etwa 20 bis 30 Nucleotide lange, einsträngige RNA-Moleküle. Sie gelten als ein wichtiger Regulator der Gen­expression, indem sie die Stabilität und die Translation von messengerRNA (mRNA) beeinflussen. Schätzungen zufolge steuern sie die Aktivität von einem Drittel aller menschlichen Gene. Die Moleküle werden im Laufe der Embryonalentwicklung streng organspezifisch exprimiert, was vermuten lässt, dass sie an der Festlegung der Organ-Identität beteiligt sind.

Neue Therapieoptionen nötig

 

Die Referentin unterstrich, dass auf epigenetischer Ebene auch die alters­assoziierte Stressantwort der Knorpelzellen zur OA-Pathogenese beiträgt. Im Alter, so Niedermair, nehmen die menschlichen Knorpelzellen einen anderen Phänotyp an, bei dem die Produktion von katabolischen Faktoren und hier gleichermaßen MMPs, Zytokinen und Chemokinen erhöht ist. In der Folge treten vermehrt mitochondriale Dysfunktionen, DNA-Schädigungen, Telomerverkürzungen und Proteinfehlfaltungen auf.

 

Niedermair betonte, dass die Wissenschaft der bislang unterschätzten Komplexität des Krankheitsgeschehens bei der Osteoathrose zukünftig verstärkt Rechnung tragen muss. Diese habe sich bisher lediglich auf die Erforschung der Biomechanik der Gelenke konzentriert. Zwingend müssten sich die aktuellen Erkenntnisse nunmehr auch in der Entwicklung neuer Therapieformen und -ziele niederschlagen. Mögliche Targets könnten die Expression oder Aktivität spezifischer Matrix-Metalloproteasen sein. Nur durch neue Therapien könne das Ausmaß des jetzt üblichen Gelenkersatz durch Prothesen als letzte Lösung reduziert werden. /

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