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Medikationsplan

Drei Arzneien sind zu wenig

04.11.2015  09:41 Uhr

Von Christina Müller und Stephanie Schersch / Die Apotheker bleiben hartnäckig: In einer Stellungnahme drängt die ABDA erneut auf eine stärkere Einbindung der Apotheker in das geplante E-Health-Gesetz. Zudem kritisiert sie den Plan, Patienten bereits Anspruch auf einen Medikationsplan einzuräumen, wenn sie nur drei rezeptpflichtige Arzneimittel einnehmen.

Das E-Health-Gesetz gilt als zentrales Projekt der Großen Koalition im Gesundheitsbereich. Mit der Novelle will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor allem die Telematik-Infrastruktur in Deutschland voranbringen. Ab Oktober 2016 sollen Patienten zudem das Recht auf einen Medikationsplan bekommen, wenn sie mehrere Präparate parallel einnehmen. Erstellen soll die Pläne vor allem der Arzt, Apotheker sollen nur bei Bedarf darauf zugreifen und die Listen aktualisieren können.

 

Unvollständig

 

Die ABDA hält das für den falschen Weg. So könnten weder die Daten aus der Arztpraxis, noch die Informationen aus der Apotheker oder die des Patienten allein zu einem vollständigen Medikationsplan führen, schreibt sie. Die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker sei daher von entscheidender Bedeutung. »Unkoordinierte und ungeprüfte Medikationslisten bieten das Risiko, die Arzneimitteltherapiesicherheit noch zu verschlechtern«, heißt es.

 

Der erste Schritt sei dabei die Medikationsanalyse. Diese umfasse eine Bewertung der Gesamtmedikation sowie gegebenenfalls daraus resultierende Interventionen. »Diese Leistungen sind nicht in der Information und Beratung nach den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung enthalten«, schreibt die ABDA. Sie erforderten Zeit und seien daher gesondert zu vergüten. Arzt und Apotheker sollten dabei ein Honorar in gleicher Höhe erhalten. Derzeit sieht der Gesetzentwurf allerdings lediglich für Mediziner einer Vergütung vor.

 

Diese Ansichten teilen auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, die Deutsche Gesellschaft für Klinische Pharmazie sowie die Fachgruppe Klinische Pharmazie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. Sie versprechen sich zudem »durch die Einführung einer strukturierten Analyse der Gesamtmedikation von Patienten anhand von Medikationsplänen wertvolle neue Impulse« für das Erfassen von Arzneimittelrisiken im Spontanmeldesystem (lesen Sie dazu auch die vollständige Stellungnahme in Printausgabe der PZ 45/2015 auf Seite 85).

 

Anspruch auf einen Medikationsplan haben Patienten nach dem Willen der Regierung immer dann, wenn sie mindestens drei rezeptpflichtige Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Der ABDA geht das zu weit. Als Polymedikation gelte national wie international eine zeitgleiche Anwendung von fünf oder mehr Medikamenten, meist beschränkt auf systemisch wirkende Arzneimittel oder -stoffe in der Daueranwendung, heißt es. Grund dafür sei, dass ab »fünf Arzneimitteln das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, mangelnde Adhärenz, Interaktionen und auch für weitere arzneimittelbezogene Probleme überproportional ansteigt«.

 

Klarstellung gefordert

 

Aus Sicht der ABDA sollte die Koalition die Grenze daher auf fünf Präparate anheben – wie ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehen. Zudem fordern die Apotheker eine Klarstellung, ob tatsächlich Arzneimittel mit einem bestimmten Handelsnamen oder etwa Arzneistoffe gemeint sind. Akutmedikation sollte laut ABDA »als Anspruchsvoraussetzung ausgenommen werden«.

 

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spricht sich dafür aus, fünf Arzneimittel als Anspruchsvoraussetzung für den Medikationsplan zu definieren. Die Grenze bereits bei drei Präparaten zu ziehen, sei weder medizinisch noch wirtschaftlich sinnvoll, schreibt sie in einer Stellungnahme. Zwar könne ein Medikationsplan in Einzelfällen auch für Patienten Vorteile bringen, die weniger als fünf Arzneimittel einnehmen. Aus Sicht der KBV reicht das jedoch nicht aus, um »einen regelhaften Anspruch zu begründen«.

 

Die Medikationspläne sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung zunächst nur in Papierform erstellt werden, erst auf lange Sicht soll es auch elektronische Pläne geben. Die Krankenkassen halten das für wenig effektiv. Anstelle papiergebundener Listen sollte die Medikation des Patienten auf dessen Wunsch direkt auf der elektronischen Gesundheitskarte hinterlegt werden können, fordert der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Eine elektronische Arzneimittelliste könnte demnach »Bürokratiekosten sowie redundante Datenhaltungen vermindern«. Zudem sei eine Prüfung der hinterlegten Informationen auf diese Weise einfach und ohne großen Aufwand möglich, heißt es. Der Patient könne den Medikationsplan bei Bedarf als Ausdruck erhalten.

 

Darüber hinaus wollen Union und SPD über das E-Health-Gesetz dafür sorgen, dass die Praxissoftware der Ärzte künftig stets die aktuellen Preis- und Produktinformationen für Arzneimittel ausweist. Die Krankenkassen begrüßen diesen Schritt. Derzeit aktualisierten Ärzte ihre Software in der Regel nur quartalsweise, Arzneimittelinformationen werden hingegen im Zwei-Wochen-Rhythmus überarbeitet. Die Folgen bekämen häufig die Apotheker zu spüren. »Mangelnde Aktualität der Verordnungssoftware ist eine wesentliche Ursache für vermeidbare Fehler, die einen Großteil der Retaxierungsvorgänge gegenüber Apotheken ausgelöst haben«, so die Kassen. Tagesaktuelle Informationen könnten dem Arzt zudem helfen, die Patienten etwa über Aufzahlungen und therapeutische Alternativen aufzuklären.

 

Sanktionen gegen Ärzte

 

Der GKV-Spitzenverband will über die geplante Regelung der Regierung sogar noch hinausgehen. Dem Mediziner selbst entstehe in der Regel kein Nachteil durch fehlerhafte Verordnungen, heißt es. »Aus diesem Grunde gibt es für die Ärzte kaum einen Anreiz, diese Fehler zu minimieren.« Die Kassen fordern daher »die Schaffung anlassgerechter Sanktionsmöglichkeiten« für all jene Fälle, in denen der Arzt eine nicht den Vorgaben entsprechende Praxissoftware verwendet.

 

Die Mediziner weisen den Vorwurf zurück, ihre Software sei schuld an Retaxationen. Dafür gebe es keine Belege, heißt es bei der KBV. »Weder den Apothekerverbänden noch den Krankenkassen liegen belastbare Zahlen vor, in welchem Umfang und aus welchen Gründen retaxiert wird.« Die Ärzte vermuten als Ursache jedoch die »fehlende Zertifizierung der Apothekensoftware und damit die fehlende Verbindlichkeit« der dort hinterlegten Informationen zu den Rabattverträgen. Eine verpflichtende Aktualisierung der Praxissoftware im Zwei-Wochen-Rhythmus könnte aus Sicht der KBV »erhebliche Bürokratiekosten« mit sich bringen. Die Koalition sollte auf diese Regelung im Gesetz daher verzichten. /

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