Harmonie auf dem Podium |
18.10.2016 15:12 Uhr |
Was die Apotheker betrifft, so scheint in puncto gesundheitspolitischer Zielsetzung zurzeit fast alles in Butter. Auf der Podiumsdiskussion beim Apothekertag herrschte unter den Gesundheitspolitikerinnen des Bundestags und den Vertretern der Apothekerschaft bei den meisten Themen Konsens. Selbst für eine zukünftige bessere Einbindung der Apotheker beim Medikationsplan stehen die Zeichen gut.
Die Diskutanten der gesundheitspolitischen Diskussionsrunde waren sich einig: Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf für das Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) ist ein Grund zur Freude. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, sagte: »Daran sieht man, Opposition zeigt Wirkung.« Gerade in puncto Zytostatika-Ausschreibungen hätte Die Linke zuletzt mit den Apothekern zusammen viel Druck ausgeübt. Nun habe die Bundesregierung die Dimension des Problems erkannt und aufgegriffen, so Vogler. Der Kabinettentwurf sieht vor, dass künftig Krankenkassen die Herstellung onkologischer Rezepturen nicht mehr exklusiv an bestimmte Apotheken vergeben dürfen.
Den Apothekern wird künftig mehr Verantwortung zukommen. Darin waren sich die Teilnehmer der politischen Diskussionsrunde einig. Professor Andreas Lehr moderierte das Gespräch zwischen Maria Michalk (CDU), Fritz Becker, Sabine Dittmar (SPD), Andreas Kiefer, Kathrin Vogler (Die Linke), Karin Graf und Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen).
Rezepturen und BtM
Die stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, begrüßt im Entwurf besonders die geplante Vergütungsverbesserung für Rezepturen und BtM-Rezepte. Demnach sollen Apotheker ab 2017 für Rezepturen 8,35 Euro und für den Dokumentationsaufwand bei BtM- und T-Rezepten 2,91 Euro bekommen. »Beides war zuletzt untervergütet«, betonte Dittmar. Allerdings sei ihrer Fraktion wichtig, die vorgesehenen Regelungen in Hinblick auf Versorgungsicherheit, Qualität, Haltbarkeit, Transparenz und Korruption in den kommenden Wochen kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Kathrin Vogler (Die Linke)
Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, war mit den neuen Vergütungsregeln sowie mit dem Ende der Zytostatika-Ausschreibungen sehr zufrieden. »Diese Regelungen erscheinen mir näher am Menschenverstand zu sein.« Die zwölf Punkte des Kabinettentwurfs hält auch die Gesundheitsexpertin der CDU, Maria Michalk, für »notwendig und richtig«. Michalk zufolge wird voraussichtlich bereits im November die erste Lesung zum AM-VSG stattfinden, im Januar sei eine Anhörung geplant. Die Politikerin gehe davon aus, dass die Beratungen bereits im ersten Quartal 2017 beendet sein werden.
Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, hofft, dass das Gesetz in seiner aktuellen Form bestehen bleibt, weil »die Apotheker einen langen Atem bewiesen haben«. Besonders mit Blick auf die verbesserte Vergütung begrüßt er, dass nun »die pharmazeutische Leistung entkoppelt von wirtschaftlichen Leistungen« stehe. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, bewertet das Verbot der Zytostatika-Ausschreibungen »als einen Meilenstein für die Apotheker und für die betroffene Patientengruppe.« Damit sei es möglich, in Zukunft die flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.
Kritik am geplanten Gesetz
Sabine Dittmar (SPD)
Trotz aller Harmonie gab es aber auch Kritik am Kabinettsentwurf. So fehlt etwa Vogler eine Regelung, um dem Problem der Lieferengpässe entgegenzuwirken. Sie fordert, Vorratsverpflichtungen für die Industrie aufzustellen. Außerdem will sie sich dafür einsetzen, dass Apotheker stärker in die Versorgung wie bei der Erstellung des Medikationsplans eingebunden werden und ihr Einsatz dann entsprechend vergütet wird. »Es kann nicht sein, dass die Ärzte Geld bekommen und die Apotheker für ihre Beratungsleistung kein Honorar erhalten«, sagte sie.
Obwohl Schulz-Asche nicht glaubt, dass es in den nächsten Wochen Änderungsanträge in Hinblick auf die im Gesetzentwurf getroffenen Regelungen für das Apothekenwesen gibt, hat sie auch Kritikpunkte. Ein Dorn im Auge ist ihr die geplante Umsatzschwelle für Hochpreiser, die derzeit bei 250 Millionen Euro liegt. »Die Grenze sollte auf 50 oder 100 Millionen Euro reduziert werden«, fordert sie. Derzeit kann der Hersteller im ersten Jahr der Markteinführung den Preis eines Medikaments selbst festlegen. Zur Kostendämpfung soll der niedrigere Erstattungsbeitrag gelten, sobald das Arzneimittel diese Schwelle erreicht hat.
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen)
Was die gesundheitspolitischen Zukunftsthemen betrifft, so zeigen sich die Gesundheitspolitikerinnen zurzeit ebenfalls sehr konsensfähig. Auf verschreibungspflichtige Arzneimittel soll es keine Rabatte geben dürfen, so der einhellige Tenor mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Preisbindung bei Rx-Medikamenten für ausländische Versandapotheken. Die bestehende Preisverordnung dürfe nicht gekippt werden, betonte etwa Michalk. Eine Harmonisierung des europäischen Marktes sei zwar wichtig und richtig, aber nicht um jeden Preis. Das bewährte gesundheitspolitische System in Deutschland müsse bestehen bleiben. Zudem solle die pharmazeutische Beratung künftig mehr in den Fokus rücken.
Ihre Oppositionskollegin Vogler will sich ebenfalls gegen Rabatte bei Rx-Arzneimitteln durch den Versandhandel stark machen. »Die Arzneimittel-Versorgung gehört in die Hand des Apothekers und nicht ins Internet«. Auch sie möchte der Beratungskompetenz des Apothekers künftig mehr Gewicht geben. Dies solle entsprechend vergütet werden. Zudem hält Vogler für die Zukunft eine packungsunabhängige Honorierung für zielführend. Nicht ein Mehr an Umsatz sollte zu einem höheren Honorar führen, sondern eine bessere Versorgung des Patienten durch dessen verstärkte Unterstützung bei der Arzneimitteltherapie.
Maria Michalk (CDU)
Zuspruch gibt es hier auch vonseiten der SPD. Dittmar sagte, das reine Honorar dürfe nicht allein an die Abgabe der Packungen gekoppelt sein, stattdessen will auch sie die pharmazeutische Beratung und zudem die apothekerliche Präsenz besser vergüten. Auch beim Medikationsplan will die SPD-Politikerin die Apotheker mehr eingebunden wissen. »Wir brauchen ein echtes Medikationsmanagement«. Das gehe nur durch eine strukturiertere Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker. »Wir brauchen mehr Kooperation und weniger Kompetenzgerangel«, betonte sie.
Mehr Kooperation
Schulz-Asche sieht das Gesundheitssystem im Umbruch und deshalb ebenfalls die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit der Heilberufler auszubauen. Dem Apotheker spricht sie dabei eine zentrale Rolle zu. Apotheken seien für Patienten meist die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen. Es bedürfe künftig regionale Versorgungskonzepte, bei denen Arzt, Facharzt, Apotheke und Krankenhaus eng zusammenarbeiten. Aufgrund der Position als erste Anlaufstelle sei die zukünftige Hauptaufgabe des Apothekers vor allem, die Arzneimitteltherapietreue von Patienten zu stärken. Auch bei der Impfschutzberatung und beim Thema Prävention sollte der Apotheker die Patienten künftig unterstützen können.
Sowohl Becker als auch Karin Graf, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der ABDA forderten die Politiker in diesem Zusammenhang auf, Dienstleistungsverträge zwischen Kassen und Apothekern künftig rechtssicher zu ermöglichen. Dafür brauche es einen klaren rechtlichen Rahmen. Stellvertretend für die Apothekerseite auf dem Podium resümierte Kiefer: « Wenn die Apotheke erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen ist, muss sie künftig auch als Institution fester verankert werden.« /