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Schätzerkreis

Rechenspiele um Kassenausgaben

15.10.2013  18:30 Uhr

Von Stephanie Schersch / Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kann auch im kommenden Jahr wieder mit einem Plus rechnen. Das geht aus Zahlen hervor, die der sogenannte GKV-Schätzerkreis vergangene Woche in Bonn vorgelegt hat. Die Kassen halten die Prognose für zu optimistisch und veranschlagen deutlich höhere Ausgaben.

Einig waren sich alle zumindest in einem Punkt: Ganze 202,2 Milliarden Euro wird der Gesundheitsfonds 2014 vo­raussichtlich über Beiträge einnehmen. Über die Höhe der Ausgaben konnten sich die Experten von Bundesversicherungsamt (BVA) und Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit den Vertretern des GKV-Spitzenverbands allerdings nicht verständigen. Die Kassen rechnen mit Kosten in Höhe von 201,1 Milliarden Euro. Im Schätzerkreis wurden sie jedoch von BVA und BMG überstimmt, die Ausgaben von 199,6 Milliarden Euro prognostizieren.

BVA-Chef Maximilian Gaßner zeigte sich enttäuscht darüber, dass der Schätzerkreis anders als in den Jahren zuvor keinen einheitlichen Beschluss gefasst hat. Die Forderungen der Kassen kritisierte er scharf. Es sei nicht Aufgabe des Schätzerkreises, durch zu hoch veranschlagte Ausgaben die außerordentliche Finanzlage einzelner Kassen zu verbessern, sagte Gaßner. »Kassenpolitische Erwägungen haben in dem verwaltungstechnischen Instrument des Schätzerkreises nichts verloren.«

 

Die Prognose des Schätzerkreises ist für die Kassen von grundlegender Bedeutung. Denn auf Basis der errechneten Ausgaben wird die Höhe der Zuweisungen festgelegt, die aus dem Gesundheitsfonds an die einzelnen Krankenkassen fließen. Mit diesem Geld müssen sie die Versorgung ihrer Versicherten bezahlen. Reichen die Mittel nicht aus, bleibt ihnen nur die Erhebung von Zusatzbeiträgen.

 

Krankenkassen warnen vor Zusatzbeiträgen

 

2014 wird allgemein mit steigenden Ausgaben gerechnet. Grund dafür sind unter anderem der Wegfall des erhöhten Herstellerrabatts und das Ende des Preismoratoriums für Arzneimittel ohne Festbetrag. BMG und BVA haben diese Ausgabenrisiken allerdings milder bewertet als der GKV-Spitzenverband. Die Kassen warnen nun vor höheren Belastungen für die Patienten. »Werden die Ausgaben zu gering geschätzt, so steigt das Risiko, dass die Versicherten mancher Krankenkassen Zusatzbeiträge zahlen müssen«, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.

 

Darüber hinaus fürchtet der Verband aber noch ein ganz anderes Szenario. Denn im Gesundheitsfonds schlummern derzeit hohe Rücklagen. Diese könnten weiter wachsen, wenn die Einnahmen des Fonds aus Beiträgen unverändert sprudeln, die Zuweisungen an die Kassen aber nicht in gleichem Maße steigen. Schon einmal hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Blick auf die Reserven den Bundeszuschuss gekürzt, der aus Steuern in den Gesundheitsfonds fließt.

 

Wachsende Überschüsse weckten erneut Begehrlichkeiten in der Politik, heißt es beim GKV-Spitzenverband. Nervös machen die Kassen vor allem die Koalitionsverhandlungen. Denn insbesondere die Union möchte in dieser Legislaturperiode ohne Steuererhöhungen auskommen, sie müsste der SPD dann aber vorrechnen, wie Investitionen auf andere Weise kompensiert werden könnten. Ein Griff in die zum Teil gut gefüllten Sozialkassen scheint vor diesem Hintergrund verlockend. Es stehe zu befürchten, dass am Ende »das Geld der Beitragszahler zur Konsolidierung des Bundeshaushalts herhalten soll«, so Pfeiffer.

 

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) warf dem GKV-Spitzenverband »taktische Spielchen« vor. »Politik darf möglichen Fehleinschätzungen, die einzig aus Kasseninteressen geleitet sind, nicht auf den Leim gehen«, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Auch der Verband forschender Pharmaunternehmen (VFA) warnte davor, den Schätzerkreis zu instrumentalisieren. Damit würde »die Autorität eines wichtigen Expertengremiums untergraben«, so VFA-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer.

 

Das laufende Jahr wird der Gesundheitsfonds dem Schätzerkreis zufolge mit einem Plus von 200 Millionen Euro abschließen. Wie hoch die Rücklagen der Kassen ausfallen werden, ist noch offen. Sie erhalten insgesamt 192 Milliarden Euro aus dem Fonds. Während Bundesversicherungsamt und BMG Ausgaben in Höhe von rund 189 Milliarden Euro veranschlagen, rechnen die Kassen mit Kosten von 190 Milliarden Euro. Die Überschüsse dürften am Ende des Jahres demnach zwischen 200 und 300 Millionen Euro liegen. Derzeit verfügt die GKV bereits über ein stolzes Finanzpolster von annähernd 28 Milliarden Euro. /

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