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Lieferengpässe

Apotheker kritisieren Rabattverträge

15.10.2013  18:31 Uhr

Von Daniel Rücker und Yuki Schubert / Lieferengpässe gehören heute schon fast zu den Alltagsproblemen der Apotheken. Betroffen sind dabei vor allem Schilddrüsenpräparate, aber auch andere Medikamente und Grippeimpfstoffe. Für die Apotheken bedeutet dies Mehraufwand bei der Bestellung und bei der Beratung betroffener Patienten.

Nein, Deutschland ist kein Dritte-Welt-Land, auch wenn es Apothekern und ihren Patienten manchmal so vorkommen könnte. Immer wieder kommt es zu erheblichen Engpässen bei der Belieferung von Rezepten. Aktuell gibt es Lieferschwierigkeiten bei Schilddrüsenpräparaten, wie der Hessische Apothekerverband (HAV) berichtet. Demnach fehlt es besonders an Kombipräparaten mit Iod sowie an Arzneimitteln mit einem L-Thyroxin-Wirkstoffgehalt von 88 und 112 Mikrogramm. Die Hersteller hätten die Lieferengpässe mit einer großen Nachfrage an Schilddrüsenmedikamenten begründet, die derzeit nicht aufgefangen werden könne, heißt es beim HAV. Als Liefertermine hätten die Unternehmen den Zeitraum zwischen dem 21. Oktober und 30. November genannt.

In einer Umfrage der Pharmazeutischen Zeitung bestätigten zahlreiche Apotheker die Lieferprobleme bei L-Thyroxin oder bei Thyrona-Jod (lesen Sie dazu auch Nachgefragt). Das Problem lässt sich erwartungsgemäß nicht auf Hessen begrenzen, die Probleme gibt es bundesweit. Auch bei Grippe-Impfstoffen kündigen sich derzeit ähnliche Probleme an, wie im vergangenen Jahr. In Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg und Bremen gibt es wieder Lieferprobleme.

 

Fehlende Vakzine

 

Ob die so katastrophal ausfallen, wie im vergangenen Jahr lässt sich derzeit allerdings noch nicht abschätzen. Damals hatte der Hersteller Novartis erhebliche Probleme, auch weil es bei der Produktion Schwierigkeiten gab. In diesem Jahr ist das Schweizer Unternehmen erneut in vielen Bundesländern der Lieferant für die Vakzine. Nach dem Desaster im vergangenen Jahr wollten die Apotheker erreichen, dass es für Impfstoffe keine Exklusiv-Verträge mehr gibt. Genützt hat es wenig.

 

Der stellvertretende HAV-Vorsitzende Hans Rudolf Diefenbach macht denn auch die Rabattverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen für die Lieferengpässe verantwortlich. Sie sorgten dafür, dass sich die Preisspirale immer weiter nach unten drehe. »Deshalb verlagert sich die Produktion von Arzneimitteln auf immer weniger Hersteller. Diese haben ihren Sitz aufgrund der niedrigen Lohnkosten oftmals in Indien oder China«, sagte er. Trete dort ein Produktionsproblem auf, seien Lieferprobleme unvermeidbar. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Apothekerverband (DAV). Die Konzentration auf wenige Hersteller könne vordergründig effizienzsteigernd erscheinen, sagte eine DAV-Sprecherin. «Sie erhöht aber die Abhängigkeit der Arzneimittelversorgung in Deutschland von wenigen Produktionsstätten und damit das Risiko eines Ausfalls.«

 

Lieferschwierigkeiten hatte es laut HAV zuletzt auch bei Antibiotika sowie Cholesterin- und Blutdrucksenkern gegeben. Die von der PZ befragten Apotheker klagten über Defektenlisten mit bis zu 50 Positionen. Nach ihren Angaben sind Präparate des Generikaherstellers Betapharm besonders häufig betroffen. Diefenbach sieht jetzt den Gesetzgeber in der Pflicht: »Dass in einer hochentwickelten Industrienation wie Deutschland Patienten wochenlang auf ihr Arzneimittel warten müssen, ist ein gesundheitspolitischer Skandal.«

 

Mithilfe einer Liste über nicht lieferbare Medikamente, die auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu finden ist, soll die Öffentlichkeit eigentlich frühzeitig über Engpässe informiert werden. Allerdings basiert die Liste auf freiwilligen Angaben, sodass die Hersteller nicht dazu verpflichtet sind, Lieferprobleme dort zu melden. Zudem werden nur Präparate gelistet, bei denen laut BfArM »ein besonderer Informationsbedarf der Fachöffentlichkeit« vorliegt. /

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