Liefersituation bleibt schwierig |
16.10.2012 18:16 Uhr |
Von Ev Tebroke / Aufgrund andauernder Lieferschwierigkeiten beim ausgeschriebenen Grippe-Impfstoff des Pharmakonzerns Novartis Vaccines haben die Kassen nun auch in Norddeutschland den Markt für weitere Impfstoffe geöffnet. Zu spät, wie sich herausstellt. Kurzfristig sind keine anderen Impfseren verfügbar.
Wegen des Lieferengpasses hatten Ärzte in Schleswig-Holstein und Hamburg am 11. Oktober von den Krankenkassen die Erlaubnis erhalten, ab sofort alle zugelassenen Grippe-Impfstoffe zu benutzen. Insgesamt werden in den beiden Bundesländern jährlich zwischen 750 000 und 800 000 Impfdosen benötigt. In Bayern, wo knapp 2 Millionen Impfdosen notwendig sind, hatten die Kassen bereits eine Woche früher die dortige Exklusivvereinbarung mit dem Pharmakonzern ausgesetzt. Doch trotz Marktöffnung stehen nach wie vor kaum Impfstoffe zur Verfügung. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) wurden die Vorräte anderer Hersteller vermutlich in andere Bundesländer geliefert.
Freigabe erfolgte zu spät
»Die Freigabe ist viel zu spät erfolgt«, sagte Dr. Thomas Friedrich, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein und des Apothekervereins Hamburg. Bereits Anfang September, als klar war, dass die Lieferprobleme bei Novartis andauern, habe man die Bestellung anderer Impfstoffe gefordert, so Friedrich. Damals hätten noch genügend alternative Stoffe zur Verfügung gestanden. Novartis habe zwar wie angekündigt in der 39. Woche geliefert. Aber es sei bislang nur eine kleine Marge des Impfstoffes Begripal® ohne Kanüle eingetroffen, über den alle Krankenkassen in Norddeutschland einen Vertrag abgeschlossen haben. Aufgrund des Exklusivvertrages hätten die anderen Hersteller weniger Impfstoff hergestellt. Auch der Großhandel habe weniger Lagerware bestellt. Die Händler versuchten zwar nun, aus dem Verbund Lagerbestände anzufordern. Aber da Bayern bereits eine Woche vor dem Norden die Freigabe der Kassen erhalten habe, seien die Restbestände aufgebraucht, erklärte Friedrich.
Ob eine Durchimpfung der Bevölkerung in den von der Ausschreibung betroffenen Bundesländern dieses Jahr noch möglich ist, bleibt ungewiss.
Foto: Fotolia/Choroba
In diesem Jahr hatten die Kassen erstmals die Bestellung der Impfstoffe per Rabattvertrag geregelt. Novartis hatte in Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg den Exklusivzuschlag für die Versorgung mit dem Grippe- Impfstoff Begripal ohne Kanüle erhalten. Doch der ausgeschriebene Impfstoff ist bislang nicht ausreichend lieferbar.
Wegen des Engpasses hatten die Kassen in einem Ergänzungsvertrag Novartis erlaubt, auch Ersatzimpfstoffe wie Fluad® und Optaflu® zu liefern. Aber auch da gibt es Schwierigkeiten. Nach Angaben von Friedrich, hatte Novartis die Lieferung von 100 000 Dosen Fluad und zuletzt 150 000 Impfeinheiten Optaflu in der 40. Kalenderwoche zugesichert. Bislang sei Fluad noch nicht geliefert. Optaflu sei zwar vorrätig, aber der Stoff steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Ob der Verdacht berechtigt ist, vermochte Friedrich nicht sagen. Viele Ärzte weigern sich allerdings, damit zu impfen.
Nach Ansicht von Friedrich bleibt die Lage schwierig. Novartis habe zwar angekündigt, bis Ende November oder Anfang Dezember liefern zu können. »Ob das klappt, bleibt abzuwarten.« Eine vernünftige Durchimpfung der Bevölkerung könne damit frühestens ab Mitte Dezember erreicht werden. Wenn überhaupt.
Kritik von allen Seiten
Neben den Ärzten beklagen auch Herstellerverbände die neue Ausschreibungssystematik bei Impfstoffen. Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika sagte dazu: »Die Rabattverträge der Krankenkassen setzen die falschen Anreize, weil sie ausschließlich auf den niedrigsten Preis setzen. Gerade bei komplexen Herstellungsprozessen, wie sie zum Beispiel bei Impfstoffen zur Anwendung kommen, ist eine Vielfalt der Anbieter umso wichtiger.«
Auch die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände kritisierte das Verfahren. In einer Resolution des Deutschen Apothekertags in München forderte die Hauptversammlung den Verzicht auf Ausschreibungen und Rabattverträge bei Impfstoffen. In einer weiteren Erklärung verlangten die Apotheker zudem eine bessere Lieferfähigkeit für lebenswichtige Arzneimittel. Ob im nächsten Jahr erneut einen Exklusivvertrag für einen Grippe-Impfstoff ausgeschrieben werden soll, ließen die Kassenvertreter bislang offen. /