Mehr als 300 Zulassungen bis 2019 |
07.10.2015 09:58 Uhr |
Von Christina Müller, Berlin / Die pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland erwarten bis zu 328 Neuzulassungen auf dem Arzneimittelmarkt in den kommenden vier Jahren. Gut 6 Milliarden Euro investieren die Hersteller hierzulande jährlich in die Forschung. Damit sei Deutschland an vielen Entwicklungsschritten maßgeblich beteiligt, teilte der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) vergangene Woche mit.
Der Verband hatte seine 46 Mitgliedsunternehmen zu Medikamenten befragt, die – sollte ihre Entwicklung weiterhin positiv verlaufen – bis 2019 die Zulassung erhalten könnten. »Alle diese Wirkstoffe befinden sich momentan bereits in den Phasen zwei oder drei der klinischen Prüfung«, erklärte Siegfried Throm, vfa-Geschäftsführer für die Bereiche Forschung, Entwicklung und Innovation, in Berlin. Damit könnten in Zukunft rund 120 Krankheiten vermeidbar oder besser behandelbar sein.
Auch in der Krebstherapie sollen künftig neue Behandlungswege möglich sein. Viele Hersteller forschen derzeit an innovativen Onkologika.
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In etwa einem Drittel der genannten Projekte forschen die Hersteller an onkologischen Medikamenten. Damit belegt Krebs den ersten Platz unter den Indikationen. »Der Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten ist hier sehr hoch«, sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer.
Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung der letzten Jahrzehnte ermöglichen es den Unternehmen laut vfa, gezielt Arzneimittel zu entwickeln. Throm führt dies auf die Entschlüsselung des menschlichen Genoms 2001 zurück. »Das hat uns viele neue Ansatzpunkte für Krebsmedikamente geliefert«, erklärte er.
Einen Aufschwung habe in den letzten Jahren die Forschung an Impfstoffen erfahren, so Throm. Daher rangieren Infektionskrankheiten mit 15 Prozent mittlerweile auf Platz drei des Indikations-Rankings, knapp hinter den entzündlichen Erkrankungen (18 Prozent). Bis 2019, so hofft der vfa, könnte es möglich sein, unter anderem gegen Noroviren, Dengue-Fieber, Cytomegalie-Viren sowie gegen multiresistente Keime wie Staphylococcus aureus und Clostridium difficile zu impfen.
Auch drei Ebola-Projekte sind laut Throm »relativ weit«. Mit Blick auf die Antibiotika-Forschung sei vor allem die Kombination mit resistenzbrechenden Wirkstoffen ein Erfolg versprechendes Modell für die Zukunft. »Antibiotika müssen so nicht völlig neu entwickelt werden«, erklärte Throm.
Zudem befänden sich derzeit 42 Medikamente zur Behandlung von Patienten mit seltenen Erkrankungen in der klinischen Prüfung. Dieser Anteil von rund 13 Prozent an den Forschungsprojekten habe sich in den letzten Jahren verstetigt, so Throm. Die Hersteller nähmen diese Krankheiten wichtig, ohne die häufigeren außer Acht zu lassen. Dieses Engagement könne in den nächsten Jahren zu neuen Behandlungsmöglichkeiten etwa bei spinaler Muskelatrophie, Hirntumoren und Bauchspeicheldrüsenkrebs führen.
IQWiG in der Kritik
Immer wieder hätten die Unternehmen jedoch mit der frühen Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu kämpfen. Für die Methodik des IQWiG fand Throm daher deutliche Worte. Er bezeichnete das Vorgehen als »völlig irrational«. Insbesondere kritisierte er, dass den Medikamenten viel zu häufig aus formalen Gründen kein Zusatznutzen bescheinigt werde. »Die Unterlagen werden dann inhaltlich gar nicht mehr geprüft«, so Throm.
Auch die Bewertungskriterien sind seiner Ansicht nach oft nicht angemessen. »Es ist wie im Abitur. Sie können jeden Schüler durchfallen lassen – wenn Sie nur die Messlatte hoch genug legen.« /