Immer im Team |
07.10.2015 10:04 Uhr |
Ärzte und Apotheker sind sich einig: Medikationsmanagement ist eine gemeinsame Aufgabe für die Heilberufler. Die Bundesregierung sieht das anders. Bei der Pressekonferenz zum Deutschen Apothekertag verdeutlichte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, warum diese Einstellung ein Fehler ist.
Anhand eines Fallbeispiels aus einer Apotheke erklärte der DAV-Vorsitzende die Vorteile einer Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern. Der dem Fallbeispiel zugrunde liegende reale Patient ist 64 Jahre alt, hat zu hohen Blutdruck, Gicht, Diabetes Typ 2 und verschiedene Allergien.
Fritz Becker: »Beim Medikationsmanagement müssen Ärzte und Apotheker zusammenarbeiten.«
Er leidet unter Schwindel, Wadenkrämpfen, Unwohlsein und Schmerzen am Unterarm. Er nimmt elf Medikamente ein: Febuxostat (80 mg), Allopurinol (300 mg), Bisoprolol (5 mg), Furosemid (40 mg), Insulin glargin, Humaninsulin, Mometason, Magnesium, Omeprazol (40 mg), Paracetamol (500 mg) und Cromoglicinsäure. Die drei letzten Medikamente und das Mometason Nasenspray nimmt er nur bei Bedarf.
Da der Patient sich unwohl fühlt und mehr über seine Medikamente erfahren möchte, lässt er sich in einer Apotheke beraten. In Absprache mit dem behandelnden Arzt ändert der Apotheker die Medikation: Furosemid, Omeprazol, Febuxostat, Allopurinol und Cromoglicinsäure werden abgesetzt. Insulin glargin wird reduziert. Hinzu kommen Magentropfen, die aber nur bei Bedarf genommen werden.
Beckers Bilanz dieser von Arzt und Apotheker gemeinsam vorgenommenen Umstellung fällt positiv aus. Die Reduktion der Medikation habe das Wohlbefinden des Patienten deutlich verbessert. Die Nebenwirkungen nahmen ab. Außerdem spart der Patient einen Teil der bislang bezahlten Rezeptgebühr, weil er nun weniger Medikamente einnimmt. Weder Arzt noch Apotheker hätten dieses Ergebnis allein erreicht. Zudem müsste unter Realbedingungen auch noch die Selbstmedikation des Patienten mit berücksichtigt werden. »Beim Medikationsmanagement müssen Ärzte und Apotheker zusammenarbeiten«, sagt Becker. Einem Arzt oder Apotheker allein fehle immer ein Teil der Informationen.
Nutzen ist eindeutig
Auch wenn der pharmazeutisch-medizinische Nutzen des Medikationsmanagements eindeutig ist, ist die Honorierung dieser Dienstleistung weiter offen. Zumindest in nächster Zukunft sieht es nicht danach aus, dass die Apotheker jenseits von Modellvorhaben ein kostendeckendes Honorar für Medikationsmanagement erhalten. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt machte bei der Pressekonferenz keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über das Verhalten der Politik. Das Bundesgesundheitsministerium sehe im Gesundheitswesen immer noch ein fragmentiertes System. Diese Zeiten seien aber vorbei. Heute müssten Apotheker, Ärzte und andere Gesundheitsberufe ihre Patienten in einem auf die einzelnen Akteure abgestimmten interprofessionellen Team behandeln. Schmidt: »Dem Gesetzgeber fehlt derzeit noch der Mut, ein vernetztes Gesundheitswesen aufzubauen.«
Becker und Schmidt sehen aber die Zeit auf ihrer Seite. Das Modellprojekt ARMIN zeige, dass die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern immer selbstverständlicher werde und die Versorgung der Patienten verbessere. Becker stimmte dem zu. Der DAV-Chef machte aber auch deutlich, dass es bald ein angemessenes Honorar für das Medikationsmanagement geben muss. /
Ohne Apotheker geht’s nicht
Schade, dass Politiker nicht zu Pressekonferenzen gehen. Vermutlich wären dort einige Groschen gefallen. Vermutlich hätten sie verstanden, warum Medikationsmanagement ohne Apotheker nicht geht. Fritz Becker hat dies auf der Pressekonferenz sehr anschaulich erklärt. Den Ausführungen des DAV-Vorsitzenden konnten die anwesenden Journalisten leicht folgen, vermutlich hätten auch die Gesundheitspolitiker die Botschaften verstanden. Beckers Fallbeispiel konnten auch Menschen ohne Pharmaziestudium nachvollziehen, denn die Faktenlage ist sehr eindeutig: Wenn sich Ärzte gemeinsam mit Apothekern um die Medikation eines multimorbiden Patienten kümmern, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es dem Patienten bald besser geht. Medikationsmanagement ist eine gemeinsame Aufgabe für Ärzte und Apotheker, denn deren Fachwissen ergänzt sich komplementär.
Die Politiker hätten auch noch erfahren, dass Medikationsmanagement im Fallbeispiel und oftmals auch in der realen Versorgung die Behandlungskosten senkt. Die Vorteile des gemeinsamen Medikationsmanagements sind leicht nachvollziehbar. Überhaupt nicht nachvollziehbar ist dagegen die Weigerung der Bundesregierung, dies zu erkennen.
Daniel Rücker
Chefredakteur