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Pressekonferenz

Importquote muss weg

23.09.2014  15:49 Uhr

Die Apotheker wollen die Arzneimittel­sicherheit weiter verbessern. Dabei steht die Lieferkette im Mittelpunkt. Sie soll transparenter werden, forderten ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, BAK-Präsident Andreas Kiefer und DAV-Vorsitzender Fritz Becker in der Pressekonferenz zum Deutschen Apothekertag in München.

Den Apothekern ist die gesetzliche Förderung von Importarzneimitteln schon wegen des bürokratischen Aufwandes ein Graus. Ein zweites Argument dagegen wiegt noch schwerer: Bei Re- und Parallelimporten ist der Anteil von Fälschungen überproportional hoch. Immer mehr Fälschungen kommen nach Deutschland, auch in die öffentlichen Apotheken. Bislang hätten die Apotheker verhindern können, dass gefälschte Arzneimittel bis zum Patienten gelangt sind, sagte ABDA-Präsident Schmidt. Die Gefahr sei aber nicht zu unterschätzen. Wenn die Arzneimittelsicherheit langfristig erhalten werden soll, müsse schnell gehandelt werden.

 

Schmidt schlägt drei Maßnahmen vor: Erstens müsse das nationale Projekt Securpharm weiter vorangebracht werden. Bis 2018 soll auf jede Arzneimittelpackung ein Barcode aufgedruckt werden, der diese eindeutig identifiziert. Die anderen europäischen Staaten sollten möglichst schnell vergleichbare Systeme entwickeln, forderte der ABDA-Präsident. In einem internationalen Arzneimittelmarkt müssten die Staaten gemeinsam agieren. Den regulatorischen Rahmen dafür müsse die Europäische Union über Rechtsakte schaffen.

 

Zweitens forderte Schmidt ein Ende der gesetzlichen Förderung von Importarzneimitteln. Der Gesetzgeber solle sie aus dem Sozialgesetzbuch V streichen. Schmidt: »Die gesetzliche Umsatz- und Absatzgarantie ist anachronistisch und pharmazeutisch ohne Nutzen.« Die generierten Einsparungen seien im Vergleich zu Rabattverträgen und Festbeträgen marginal. Man müsse sich die Frage stellen, welchen Preis man für eine sichere Arzneimittelversorgung bezahlen will. Die Streichung der Importförderung sei nicht das Ende von Importarzneimitteln, sagte Schmidt. Der Apotheker solle aber selbst darüber entscheiden, ob er ein importiertes Arzneimittel abgibt oder nicht.

 

Und drittens will der ABDA-Präsident auch Importeure, Hersteller und Großhändler in die Pflicht nehmen. Sie sollten die Lieferwege möglichst kurz gestalten und auf Nachfrage der Apotheker einen Herkunftsnachweis der Ware vorlegen können. Zudem sollten Importe grundsätzlich im ­Labor auf ihre Identität geprüft werden, wenn sie nach Deutschland kommen. Bei HIV- und HCV-Medikamenten sei dies bereits gängige Praxis und sollte für die Importe auch eingeführt werden.

 

Patienten schützen

Die Chance auf eine Streichung der Importquote ist nach den Informationen von DAV-Chef Becker recht groß. Den Krankenkassen seien durch die Häufung von Fälschungen auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Importquote gekommen, eine Kasse habe dies bereits dem Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt.

 

Aus Beckers Sicht gilt es insbesondere zu verhindern, dass Patienten durch gefälschte Arzneimittel in Gefahr geraten. Der DAV-Vorsitzende nannte zwei Problemfelder: komplexe Vertriebswege und Handlungszwänge in der Apotheke. Zum ersten Problem sagte Becker: »Wir haben mittlerweile oft sehr lange Vertriebswege, auf denen Medikamente über Zwischenhändler und Makler mehrfach über Grenzen hinweg bewegt werden.« Je verwinkelter die Wege seien, desto mehr Möglichkeiten bestünden, Fälschungen einzuschleusen.

 

Becker: »Importware ist überproportional häufig an Fälschungen beteiligt.« Das habe auch etwas mit den ­Zulassungsvorschriften zu tun. Importarzneimittel hätten ein stark ver­einfachtes Zulassungsverfahren in Deutschland. Als größte Sicherheits­lücke bei den Bestimmungen für Importe nannte Becker den Verzicht auf eine Laborprüfung.

 

Zum zweiten Problem, den rechtlichen und ökonomischen Zwängen der Apotheke, ging Becker vor allem auf die gesetzlich festgelegte Importquote ein. Jede Apotheke muss mindestens 5 Prozent ihres Umsatzes mit Fertigarzneimitteln aus Re- oder Parallelimporten erbringen und dies gegenüber jeder einzelnen Kasse bei der Abrechnung nachweisen. Das Einsparvolumen habe im Jahr 2013 etwa 91 Millionen Euro betragen. Im Vergleich zu anderen GKV-Einsparungen, etwa Rabattverträgen (circa 3 Milliarden Euro), Festbeträgen (circa 6,2 Milliarden Euro) oder Herstellerabschlägen (circa 2,4 Milliarden Euro), sei dies ein verschwindend ­geringer Betrag, mit dem eine große Sicherheitslücke erkauft werde.

Unterschiede Re- und Parallelimporte

Reimporte

… sind Arzneimittel, die in Deutschland hergestellt werden, für den Markt eines anderen Landes bestimmt sind und aus dem Ausland (wieder zurück) nach Deutschland importiert werden.

 

Parallelimporte

… sind Arzneimittel, die im Ausland hergestellt werden, für den Markt eines anderen Landes bestimmt sind und aus dem Ausland (erstmals) nach Deutschland importiert werden.

Urteil erschwert Austausch

 

Becker bemängelte auch, dass Apotheker heute zu wenig Spielraum hätten, sich im Rahmen von pharmazeutischen Sicherheitserwägungen im Einzelfall gegen ein Importarzneimittel zu entscheiden. Wie Becker erläuterte, galt Original/Import bis vor einigen Monaten nicht als Aut-idem-Substitution, sondern als dasselbe Arzneimittel. Durch ein Urteil des Sozialgerichtes Koblenz im Januar 2014 könne der Arzt nun einen Austausch zwischen Original und Import durch konkrete Verordnung ausschließen, das heißt Original und Import sind nicht dasselbe Arzneimittel. Die Konsequenz ist Becker zufolge, dass Unsicherheit und Bürokratie in der Apotheke zunehmen. Becker: »Es muss etwas geschehen, damit wir besser reagieren können, wenn wir pharmazeutische Sicherheitserwägungen haben.« Wie Schmidt forderte er deshalb, dass die Import-Förderungsklausel ersatzlos gestrichen wird. (Lesen Sie zu diesem Thema auch Seite 24).

 

Laut BAK-Präsident Kiefer haben die Apotheker die Aufgabe, eine flächendeckende und vor allem sichere Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Ein wichtiger Aspekt sei dabei, dass sie Patienten vor gefälschten Medikamenten schützen müssen. Neu sei das Problem der Fälschungen zwar nicht, so Kiefer. Allerdings habe es eine neue Dimen­sion bekommen. »Wir haben in der jüngsten Vergangenheit eine Reihe von Einzelfällen erlebt, bei denen Fälschungen in Apotheken gelangt sind«, sagte der BAK-Präsident. In den vergangenen Monaten waren beispielsweise gestohlene und gefälschte Arzneimittel aus Italien über den legalen Vertriebsweg auch nach Deutschland gelangt. Bislang waren gefälschte Arzneimittel vor allem im Internethandel aufgetaucht und über illegale Verteilerstrukturen vertrieben worden.

 

HIV- und Krebsarzneimittel betroffen

 

Arzneimittel zu fälschen, sei besonders verwerflich, betonte der BAK-Präsident. So waren von den gefälschten Arzneimitteln in der legalen Verteilerkette insbesondere Medikamente gegen schwere Erkrankungen wie Krebs und HIV-Infektionen betroffen. 

Enthält das gefälschte Präparat zum Beispiel keinen, zu wenig oder einen falschen Wirkstoff, sei die Gesundheit des Patienten beziehungsweise der Erfolg seiner Therapie in Gefahr. Toxische Inhaltsstoffe in gefälschten Präparaten können außerdem Nebenwirkungen oder Allergien auslösen, bei einer falschen Verpackung sind Dosierungs­fehler und Fehlanwendungen möglich.

 

Jedoch sei bislang kein einziges gefälschtes Medikament über die Apotheke in die Hände eines Patienten gelangt, betonte Kiefer. Über das aktuelle Überwachungssystem würden Fälschungen bereits in der Apotheke ­erkannt, der zuständigen Behörde und der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) gemeldet und schließlich zurückgerufen. »Die Türsteherfunktion der Apotheker funktioniert in Deutschland zu 100 Prozent«, zeigte sich Kiefer sicher. So gab es in diesem Jahr bislang insgesamt 260 Rückrufe aus Apotheken; 125 davon aufgrund von Fälschungen, die allesamt als Parallelimporte in die Apotheken gelangt waren, so Kiefer.

 

Die Fälscher würden jedoch immer professioneller und die Fälschungen immer besser. Die Präparate seien auf den ersten Blick häufig kaum vom Original zu unterscheiden. »Daher müssen wir uns natürlich Gedanken darüber machen, wie wir die Sicherheit in Zukunft weiter gewährleisten können«, sagte Kiefer. /

Kommentar

Gute Strategie

Eigentlich ist es verwunderlich, dass es überhaupt noch eine Importquote gibt. Mit rund 91 Millionen Euro sind die so generierten Einsparungen überschaubar. Andere Kostendämpfungsinstrumente sind deutlich effektiver. Sie sind auch deutlich weniger gefährlich als Importe. Die Zahl der Rückrufe von gefälschten Parallelimporten ist in diesem Jahr dramatisch angestiegen. Die Fälschungsquote liegt deutlich höher als bei anderen Arzneimitteln. Es war also höchste Zeit, auf ­diese Gefahr hinzuweisen.

 

Das sahen die Journalisten auch so. Die an die Statements anschließende Fragerunde war ebenso lebhaft wie ausführlich. Das Thema Arzneimittelfälschungen ist für die Öffentlichkeit keine Marginalie. Natürlich sind 91 Millionen Euro Einsparungen für sich genommen ein stolzer Betrag. In einem 37-Milliarden-Euro-Markt aber eben doch eine überschaubare Summe, die sicherlich nicht rechtfertigt, die Gefahren ­einer unsicheren Lieferkette zu ignorieren.

 

Der Weckruf der Apotheker hat gute Chancen, gehört zu werden. Das liegt auch an einer guten Strategie der ­ABDA-Spitze. Sie hat ausdrücklich nicht Importarzneimittel insgesamt verteufelt. Tatsächlich gibt es ja auch eine ganze Reihe seriöser Importeure in Deutschland. Sie hat sich auch nicht in eine brotlose Diskussion über den Versandhandel ziehen lassen. Auch wenn Schmidt keinen Zweifel an der bekannten Position der Apotheker ließ. Schmidt, Kiefer und ­Becker sind bei ihrer eingeschlagenen Linie geblieben. Das war klug.

 

Daniel Rücker 

Chefredakteur

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