Viel Erklärungsbedarf in Apotheken |
28.09.2010 15:11 Uhr |
Von Martina Janning, Berlin / Das geplante Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) könnte Apothekern mehr Beratungsarbeit bringen und die Sicherheit von Patienten gefährden. Das zeigte eine Diskussionsveranstaltung des Branchenverbands Pro Generika.
Es sei auch ein Verdienst der Apotheker: Nach einigen Anlaufschwierigkeiten laufe das Umsetzen der Rabattverträge bei Generika inzwischen relativ gut, sagte der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Thomas Ballast, beim »Dialog am Mittag« vom Verband Pro Generika vorige Woche in Berlin. Das wollte Professor Dr. Hartmut Morck, Geschäftsführer der cui bono Health-Consulting, so nicht stehen lassen und hielt dagegen: »Rabattverträge bringen Apothekern und Patienten viele Probleme.« Sie beträfen die Darreichungsform, die Teilungsfähigkeit, die Galenik und sogar die Farbe von Tabletten und könnten Patienten verunsichern.
Dr. Peter Kraus (links), Professor Dr. Hartmut Morck und weitere Sachverständige erörterten, wie sich die Pläne der Bundesregierung auf den Generika-Markt auswirken könnten.
Foto: PZ/Zillmer
Neue Schwierigkeiten könnten mit dem geplanten Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) hinzukommen – jedenfalls, wenn das umgesetzt wird, was im Gesetzentwuf steht.
Der Preis bleibt im Dunkeln
Dazu gehört die Mehrkostenregelung. Sie sieht vor, dass Patienten ihr gewohntes Arzneimittel behalten dürfen, wenn sie die Mehrkosten gegenüber einem günstigeren Generikum übernehmen, über das ihre Krankenkasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Die Patienten sollen in Vorkasse treten und sich das Geld von ihrer Kasse wiederholen, dabei zieht diese die entstandenen Mehrkosten ab. Bloß: Der Apotheker kann dem Patienten nicht sagen, welche Kosten auf ihn zukommen. Er kennt den Preis des rabattierten Arzneimittels nicht, denn die Kassen machen ihn aus geschäftlichen Gründen natürlich nicht öffentlich.
Kritik an Mehrkostenregelung
»Wir reden über geringe Erstattungen und ein aufwendiges Verfahren«, urteilte vdek-Chef Ballast und nannte noch einen weiteren Grund, warum die Ersatzkassen die Mehrkostenregelung ablehnen: Sie modifiziere die Geschäftsgrundlage der Rabattverträge, erklärte Ballast. »Das erschwert oder verhindert Neuverträge.« Selbst die Generika-Industrie, der die Regelung zugute kommen soll, hält sie für nicht praxistauglich. »Wir fürchten Probleme bei den Apothekern und Patienten«, sagte Dr. Peter Kraus aus dem Vorstand von Pro Generika und Direktor für Gesundheitspolitik bei der Stada Arzneimittel AG.
In regelrechte Erklärungsnot könnte Apotheker die geplante neue Aut-idem-Regelung bringen. Sie sieht vor, dass es bei der Substitution künftig ausreichen soll, wenn das abgegebene Präparat nur eine Indikation des verschriebenen Medikaments aufweist. Das kann bedeuten, dass der Apotheker dem Patienten ein Arzneimittel geben muss, dessen Packungsbeilage seine Krankheit nicht erwähnt. »Das trägt zur Verunsicherung der Patienten bei«, sagte Morck.
Dass es zu Indikationsabweichungen kommen wird, glaubt auch Ballast. Hier sieht der vdek-Chef allerdings die Apotheker in der Beratungspflicht. »Ich traue Apothekern zu, dass sie Patienten das Fehlen der Indikation im Beipackzettel erklären.« Den Aufwand hält Ballast für »überschaubar«. Im Einzelfall könne der Apotheker mit dem Arzt Rücksprache halten, um den Aut-idem-Ausschluss zu streichen, sagte er. Zudem stünden immer drei Austausch-Medikamente zur Auswahl.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CDU), verwies darauf, dass Haftungsprobleme für den Arzt entstehen, wenn eine Indikation nicht im Beipackzettel steht. Deshalb appellierte Pro-Generika-Vertreter Kraus an die Bundesregierung, die bestehenden guten Regelungen zu Haftung und Patientensicherheit nicht für ein paar zusätzliche Substitutionsmöglichkeiten aufzugeben.
Morck wies darauf hin, dass aus Apothekersicht bei einer Reihe von Indikationen – etwa dem Einsatz von Antidepressiva, Antiepileptika und in der chronischen Schmerztherapie – sowieso kein Austausch von Arzneimitteln erfolgen sollte.
Industrie fürchtet Packungschaos
Breite Kritik erntete das Vorhaben, die Größen von Arzneimittelpackungen zu modifizieren. Künftig sollen die Packungsgrößen N1, N2, N3 nicht mehr bestimmte Stückzahlen enthalten, sondern von den Herstellern errechnete Mengen für die Dauer der Therapie. N1 soll für eine Behandlung über zehn Tage reichen, N2 für 30 Tage und N3 für 100 Tage. Kraus schätzt, dass die geplante Regelung zu einem »enormen Chaos« führt und der Aufwand etwa zehnmal höher sein wird als der Nutzen. Denn für jede Indikation eines Medikaments müsste es dann eine eigene Serie von N1-, N2- und N3-Verpackungen geben. Morck schlug daher vor, die Novelle der Packungsgrößenverordnung ersatzlos zu streichen. /