Ein unausgegorenes Gesetz |
08.03.2011 14:11 Uhr |
Von Werner Kurzlechner, Berlin / Das AMNOG macht vielen Apotheken mehr zu schaffen als befürchtet. Doch mit ihrer Kritik sind die Pharmazeuten nicht allein, zeigte eine von Pro Generika organisierte Bilanzrunde. Hoffnungen auf eine Novellierung scheinen deshalb nicht unbegründet.
Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) macht die Apotheker wütend. Daran ließ Dr. Peter Homann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes und Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes, vergangene Woche in Berlin keinen Zweifel. Der Herstellerverband Pro Generika hatte zu einem Resümee zwei Monate nach Einführung des Gesetzes eingeladen. Professor Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), wurde dort vorgestellt als jemand, »der das Wort wie ein Florett« führe. Homann konterte, das sei bei ihm als passioniertem Jäger garantiert nicht der Fall – angesichts der vom AMNOG verursachten Zustände in den Apotheken seien »größere Kaliber« angebracht. Er werde derzeit mit Beschwerdeanrufen von Apothekern bombadiert, berichtete Homann, der auch Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ist. Wieder einmal sei im Vorfeld einer Gesundheitsreform behauptet worden, die Apotheker seien nicht betroffen. Wieder einmal sei das Gegenteil der Fall.
Die Idylle trügt. Das AMNOG gleicht keinem guten Wein, finden Apotheker. Auch Vertreter von Krankenkassen und Pharmaindustrie halten das Arzneimittelgesetz für nicht ausgereift.
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Das Gesetz schlage in den Apotheken mit einem Einnahmenminus von bis zu 20 000 Euro zu Buche, schimpfte Homann. Erneut habe der Gesetzgeber den Apothekern bürokratische Mehrarbeit aufgehalst. Die mit dem AMNOG eingeführte Packungsgrößenverordnung mache nur Arbeit – Homann bezeichnete sie als »hirnrissig«. Um das Chaos komplett zu machen, hätten Softwarehersteller auch noch Programme entwickelt, die statt der gängigen Normgrößen N1, N2 und N3 mit den Kürzeln N4, N5 und N6 arbeiteten. Das AMNOG koste so jede Menge Zeit, die für lästiges Suchen in Arzneimittellisten anfalle. Die Hersteller hätten zudem 60 Prozent der Packungsgrößen falsch gemeldet. Etwas Luft verschaffe den Apothekern lediglich der Umstand, dass die meisten Ärzte, mit Ausnahme von Zahnärzten und Orthopäden, auf ihren Rezepten nach wie vor auf die Angabe der Packungsgröße verzichteten, sagte Homann.
Charakteristisch an der Diskussion war zum einen, dass statt der mit dem AMNOG primär angestrebten schnellen Nutzenbewertung für innovative Medikamente alleine die weiteren unverträglichen Nebenwirkungen des Gesetzes im Fokus standen. Zum anderen zeigte sich, dass die Apotheker mit ihrer harschen Kritik bei Weitem nicht alleine dastehen. Dr. Sven Dethlefs etwa musste bekennen, dass ihn die aktuelle Gesundheitspolitik zu höchst unterschiedlichen Sichtweisen zwinge. Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Pro Generika müsse er kritisieren, dass durch die Rabattverträge auf lange Sicht der Wettbewerb auf dem Generikamarkt ausgehöhlt werde; als Geschäftsführer der Ratiopharm GmbH könne er sich hingegen nicht beklagen, dass der Zuschlag bei den Ausschreibungen der Krankenkasse nahezu ausschließlich an die Schwergewichte der Branche gehe.
Mehrkostenregel nicht zu vermitteln
Auch Rebscher stimmte Homanns Ausführungen zu. Die Packungsgrößenverordnung betrachte er als Krankenkassenchef recht »leidenschaftslos«, sagte Rebscher. Dennoch zeige sie, dass die dafür verantwortlichen Politiker über Praxis und Produktionsbedingungen der auf einem internationalen Markt tätigen Hersteller kaum Kenntnis hätten. Die mit dem AMNOG eingeführte Mehrkostenregelung hingegen sei ein absurdes Beispiel »spekulativer Gesetzgebung«, die den Patienten schlicht nicht vermittelbar sei. Im Durchschnitt erhalten sie laut Rebscher lediglich 57 Prozent der in Vorkasse gezahlten Summen zurück. Der Verwaltungsaufwand für die Kassen sei zudem erheblich, weshalb die DAK auch keine Werbung für diese Möglichkeit mache. So sei das Angebot bisher nur 600-mal in Anspruch genommen worden. »Eine völlig weltfremde Situation«, konstatierte Rebscher. Homann ergänzte, dass Kassen in Einzelfällen sogar nur 30 Prozent des Preises für ein Arzneimittel erstatteten. Ein Apotheker könne deshalb gar kein Interesse daran haben, auf dieses Instrument hinzuweisen, wenn er in den Augen der Kunden nicht als geldgierig erscheinen wolle.
Die erweiterte Substituierbarkeit erntete ebenfalls einhellige Kritik. Diese Neuregelung erlaubt das Verschreiben wirkstoffgleicher Arzneimittel, auch wenn keine ausdrückliche Indikation vorliegt. Mögliche Folgen illustriert plakativ das Beispiel einer Bluthochdruckpatientin, die plötzlich ein Prostata-Medikament erhält. »Es werden Compliance-Probleme auftauchen«, prognostizierte Homann. »Noch haben wir dazu aber keine validen Daten.«
CDU-Politikerin für Nachbesserungen
Während fast alle Diskutanten auf den unausgegorenen Charakter des AMNOG hinwiesen, fiel Karin Maag (CDU) die Rolle der Verteidigerin des Gesetzes zu. Maag, die für die Union im Gesundheitsausschuss des Bundestages sitzt, bekannte sich zwar zu den grundsätzlichen Intentionen des Gesetzes, wies aber auch auf Unstimmigkeiten im Detail innerhalb der Koalition hin. Beispielsweise habe der Gesetzgeber mit dem Chaos bei den Packungsgrößen nichts zu tun, das alleine auf einer Verordnung des Ministeriums beruhe. »Wir setzen auf Apotheker, die aufklären«, sagte die Abgeordnete im Hinblick auf die Mehrkostenregelung. Sie stellte aber in Aussicht, dass baldiges Nacharbeiten nötig sein könnte. Dann hätte Professor Rebscher einen weiteren Treffer mit seinem rhetorischen Florett gesetzt, indem er prophezeite: »Spätestens 2013 haben wir eine erneute Novellierung.« /