Pharmazeutische Zeitung online
AMNOG IV

Verum oder Placebo?

28.09.2010  17:28 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Das Sparpaket der Regierung stand im Mittelpunkt einer Tagung des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) in Berlin. Dabei wurde deutliche Kritik an den Plänen zur frühen Nutzenbebwertung laut.

»Das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz enthält Ansätze mit viel Potenzial«, sagte Dr. Thomas Schulz, Mitglied im Vorstand des VDPP, zu Beginn der Veranstaltung. »Allerdings habe ich erhebliche Zweifel an einer erfolgreichen Umsetzung der Sparziele.« Viele Maßnahmen seien zu wenig konkret gefasst. Auch dass eine Bewertung der Kosten erst nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband ansetzen soll, hält Schulz für unzureichend. »Wir fordern eine Kosten-Nutzen-Bewertung bereits bei Marktzugang, sozusagen als vierte Hürde der Arzneimittelzulassung.« Zudem sollte die Krankenversicherung nach Ansicht des VDPP auch weiterhin in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallen. »Eine Übertragung der Verantwortlichkeit auf die Zivilgerichte wie es der AMNOG-Entwurf vorsieht, lehnen wir ab«, so Schulz.

Wolfgang Kaesbach vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung übte ebenfalls Kritik am Referentenent­wurf. »Für die Hersteller gilt weiterhin ein unbegrenzter Marktzugang«, sagte er. »Im ersten Jahr erhalten sie wie bisher die Erstattung des vollen Listenpreises.« Auch Kaesbach befürchtet einen Bedeu­tungs­verlust der Kosten-Nutzen-Bewer­tung. Er forderte eine funktionale An­knüp­fung dieser Bewertung als zweite Stufe an die frühe Nutzenbewertung. »Dann stehen die Ergebnisse dieser Analyse bereits zur Verfügung, wenn die Preisverhandlungen mit den Herstellern beginnen.«

 

Kaesbach bedauerte, dass im Gesetzentwurf keine Festschreibung des Apothekenabschlags auf 2,30 Euro vorgesehen ist, wie es der GKV-Spitzenverband gefordert hatte. »Wenn wir hier nichts tun, sind wir bald bei einem Abschlag von null Euro angekommen.« Auch eine Mehrkostenregelung für Rabattarzneimittel lehnt er strikt ab.

 

Als Katastrophe bezeichnete Professor Dr. Gerd Glaeske einige Maßnahmen des Gesetzentwurfs. Insbesondere bei der schnellen Nutzenbewertung gebe es große Defizite, so Glaeske. Denn die Zulassungsstudien, die als Grundlage für die Nutzenbewertung dienen sollten, klammerten wichtige Aspekte aus. »Auf dieser Basis lässt sich kein Zusatznutzen bewerten.« Neben der Durchführung von Langzeitstudien müssten auch ethisch hinterlegte Fragen geklärt werden, wie etwa ob eine Verbesserung der Lebensqualität bei gleichzeitiger verkürzter Lebensdauer als Zusatznutzen bewertet werde

 

Sebastian Hofmann vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie lobte dagegen, dass auch künftig die Erstattung zum Herstellerpreis für zunächst ein Jahr lang möglich sein werde. »Die Regierung folgt dem Dogma, dass Innovationen sofort nach der Zulassung verfügbar sein sollen«, sagte er. Dass Arzneimittel ohne Zusatznutzen künftig ohne Verhandlungen einer Festbetragsgruppe zugeordnet würden, sei wenig mutig.

 

Auch an der schnellen Nutzenbewertung übte er Kritik. Denn welche Vergleichsstudien für eine Bewertung des Zusatznutzens herangezogen würden, lege der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fest. »Die Hersteller wissen also vorher nicht, was ihnen als Vergleich zugrunde gelegt wird«, so Hofmann. /

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