»Patientenversorgung aus einem Guss« |
16.09.2008 11:58 Uhr |
»Patientenversorgung aus einem Guss«
Von Sven Siebenand, Mainz
Rund acht Millionen Rezepturen verschreiben Deutschlands Hautärzte pro Jahr. Nun wollen Apotheker und Dermatologen gemeinsam für die qualitätsgesicherte Rezeptur arbeiten. Dr. Andreas Kiefer, der das Projekt vonseiten der Bundesapothekerkammer koordiniert, informiert im Gespräch mit der PZ über den Ablauf und die Ziele der interdisziplinären Arbeitszirkel.
PZ: Herr Dr. Kiefer, gab es einen besonderen Anlass für die Zusammenarbeit von Apothekern und Hautärzten?
Kiefer: Die Idee wurde auf dem vergangenen Apothekertag in Düsseldorf geboren. Dort war ein Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD) auf dem Podium vertreten. Im November 2007 wurde es dann konkreter. Auf einem Workshop zur Rezepturqualität von BAK und BVDD haben Apotheker und Hautärzte gemeinsam beschlossen, das Projekt umzusetzen.
PZ: Was sind die Ziele der Zusammenarbeit?
Kiefer: Individuelle Rezepturen sind eine wichtige, dem Patienten zugewandte Therapieoption. Zusätzlich sind sie ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal sowohl für den Dermatologen, der sie verordnet, als auch für den Apotheker, der sie herstellt. An oberster Stelle steht, die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker zu verbessern. Dem Arzt soll zudem das Rezeptieren erleichtert werden und Arzt wie auch Apotheker sollen vor unwirtschaftlichen Verordnungen geschützt werden. Wir wollen erreichen, dass alle Beteiligten aus einem Guss arbeiten. Es sollen regionale Strukturen einer qualitätsgesicherten Zusammenarbeit geschaffen werden.
PZ: Wie wird der Kontakt zu den Ärzten von Apothekerseite aufgebaut werden?
Kiefer: Im Normalfall ist es so, dass in jeder Apothekerkammer ein Kollege für den Erstkontakt zu den BVDD-Obmännern der bestehenden Dermatologen-Qualitätszirkel zuständig ist. Unterstützung bekommt er oder sie von der Bundesapothekerkammer. So haben die Ärzte erst mal einen offiziellen Ansprechpartner. Das Ziel des ersten Treffens sollte es sein, die Dermatologen vor Ort dazu zu bringen, dass sie die Vorteile der Zusammenarbeit erkennen.
PZ: Wie ist die erste Resonanz vonseiten der Ärzte?
Kiefer: Das Echo ist nicht nur auf Bundesebene absolut positiv. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel habe ich Kontakt zu den Leitern der vier bestehenden Qualitätszirkel. Das erste Treffen mit dem Koblenzer Arbeitszirkel verlief wunschgemäß. Inhaltlich begleitet wird das Projekt übrigens von der NRF-Arbeitsgruppe. Auch in anderen Bundesländern, etwa Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit bereits begonnen, in Kürze soll sie dann bundesweit laufen.
PZ: Wie können Apotheker und Ärzte von dem Projekt profitieren?
Kiefer: Apotheker erfahren zum Beispiel mehr zu den Therapiekonzepten der Ärzte. Oft kann der Apotheker darauf aufbauend einen Vorschlag zur Weiterentwicklung der Rezeptur machen. Hier können die Ärzte von uns lernen. Dabei geht es oft weniger um den Wirkstoff, sondern vielmehr um die Grundlage. In Fragen der Vehikelauswahl ist schließlich der Apotheker der Experte.
PZ: Bei welcher Rezeptur könnten Apotheker zum Beispiel auf Rezepturprobleme hinweisen?
Kiefer: Aus der Sicht vieler Dermatologen ist beispielsweise Unguentum leniens eine fetthaltige und reizarme Salbengrundlage zum Einarbeiten von Wirkstoffen. Apotheker wissen jedoch, dass die Kühlsalbe gerade so physikalisch stabil ist und beim Auftragen auf die Haut bricht. Sie ist nur sehr bedingt zum Einarbeiten von Wirkstoffen geeignet. So etwas wollen wir kommunizieren. Ein großer Vorteil ist auch die Regionalisierung. Denn es gibt durchaus plausible Rezepturen, die aber überregional keine Bedeutung haben. Das geht dann zum Beispiel von einer Fachklinik in der Umgebung aus.
PZ: Haben Sie für das Erarbeiten klarer Entscheidungsempfehlungen für Rezepturen auf regionaler Ebene auch ein Beispiel?
Kiefer: Der Umgang mit Liquor carbonis detergens hat bei manchen Therapiekonzepten, etwa zur Psoriasis-Behandlung, einen Stellenwert. In einer Standard-Monographie ist Steinkohle-Teer in Vaseline eingearbeitet. Es sind beliebig viele Variationen denkbar, zum Beispiel mit unterschiedlichen Glucocorticoiden, in unterschiedlichen Konzentrationen und diese wiederum in verschiedenen Grundlagen eingearbeitet. Ein Ergebnis der Zirkelarbeit könnte sein, Abwandlungen festzulegen. So muss man nicht immer alles neu erfinden.
PZ: In manchen Fällen reden Arzt und Apotheker aneinander vorbei. Was der Dermatologe zum Beispiel Lotio oder Schüttelmixtur nennt, würde der Apotheker als Suspension bezeichnen. Wird deshalb auch ein gemeinsamer Vokabelschatz vereinbart?
Kiefer: Auch solche praktischen Probleme wollen wir in den Zirkeln kommunizieren. In diesem Zusammenhang sollte man sich auch auf eine gemeinsame Sprache einigen.
PZ: Wer bewertet die Ergebnisse der Zirkelarbeit?
Kiefer: Der Bundesverband der Deutschen Dermatologen und die Bundesapothekerkammer bilden einen gemeinsamen Beirat. Dieser hat die Aufgabe, die Zirkelarbeit zu bewerten und die weiterentwickelten Rezepturen auszuwerten. Denkbar ist auch, dass sich daraus neue NRF-Monographien ergeben könnten. Das NRF wäre dann noch zeitnaher als jetzt schon.
PZ: Wenn es so ist, dass von Kammerseite entschieden wird, welcher Apotheker Kontakt zu den Hautärzten aufnimmt, wie wird dann sichergestellt, dass die Ergebnisse auch bei der Basis ankommen?
Kiefer: Es ist die Aufgabe der Landesapothekerkammern, die Ergebnisse im Anschluss allen Apotheken zur Verfügung zu stellen. In einem nächsten Schritt eignen sich zum Beispiel Teamschulungen, um das gesamte Apothekenteam von den Ergebnissen in Kenntnis zu setzen. Schließlich wollen wir ja erreichen, grundsätzlich die Ansprechbarkeit zwischen Praxis und Apotheke zu erhöhen.
Apotheker Dr. Andreas Kiefer ist Inhaber der Sophien-Apotheke in Koblenz und Präsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. Seit 2004 ist er Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Bundesapothekerkammer (BAK). Dort ist er unter anderem für die Themen Qualitätsmanagement und Rezepturen zuständig. Für die BAK koordiniert Dr. Kiefer das im Interview thematisierte interdisziplinäre Modellprojekt zwischen Apothekern und Hautärzten.