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Diabetes mellitus

Neue Ansätze zum Nierenschutz

14.09.2016  10:13 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Wenn ein Patient dialysepflichtig wird, ist häufig ein Diabetes mellitus die Ursache. Die Nieren von Diabetikern besser zu schützen, ist deshalb ein wichtiges Ziel der Therapie. Jüngste Studienergebnisse zeigen, dass Empagliflozin und Liraglutid sich dazu eignen.

Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als 2000 Patienten durch eine Diabetes­erkrankung dialysepflichtig. »Etwa ein Drittel unserer Dialysepatienten ist aufgrund eines Diabetes mellitus an der Dialyse«, sagte Professor Dr. Jan Galle, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), bei deren Jahrestagung in Berlin. 

 

Da eine diabetische Nephropathie schleichend entsteht und zunächst keine Beschwerden macht, bleibt sie häufig lange Zeit unbemerkt. Ein frühes Anzeichen, auf das Hausärzte ihre Patienten regel­mäßig testen sollen, ist das Auftreten von Eiweiß im Urin. »Solche Patienten sollten gleich an einen Nephrologen überwiesen werden«, betonte Galle.

 

Dieser verordnet in aller Regel einen Hemmer des Renin-Angiotensin-Aldo­steron-Systems (RAAS), also einen ACE-Hemmer oder einen AT1-Inhibitor. »An dieser Empfehlung hat sich seit 20 Jahren herzlich wenig geändert«, so Galle. Nun belegten jedoch kürzlich veröffentlichte Daten der EMPA-REG-Outcome-Studie, dass auch das orale Antidiabetikum Empagliflozin (Jardiance®) die Progression einer chronischen Nieren­erkrankung verlangsamen kann. Dieselbe Studie hatte im Vorjahr bereits für Furore gesorgt, weil mit ihr erstmals gezeigt werden konnte, dass der SGLT-2-Hemmer das kardiovaskuläre Risiko von Diabetikern reduziert.

 

Die Daten zur Nephropathie sind im »New England Journal of Medicine« publiziert (DOI: 10.1056/NEJMoa1515920) und dienten der DGfN und anderen medizinischen Fachgesellschaften in der Diskussion mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als Argument für einen Zusatznutzen des Antidiabetikums. Das überzeugte den G-BA: Er sah in seinem Beschluss vom 1. September für vier von zehn Patientensubgruppen Anhaltspunkte für einen beträchtlichen Zusatznutzen. Insbesondere Typ-2- Diabetiker mit kardiovaskulärer Vor­erkrankung profitieren.

 

Wirkmechanismus unklar

 

Auch bei bereits geschädigter Niere hat Empagliflozin einen positiven Effekt. Das ist aufgrund des Wirkmechanismus, der Blockade der Glucosereabsorption über SGLT 2 und der in der Folge forcierten Ausscheidung von Zucker mit dem Harn, eigentlich nicht zu erwarten. Denn Nierenkranke produzieren weniger Primärharn, sodass die Glucosesenkung bei ihnen geringer ausfällt als bei Menschen mit intakter Niere. Dennoch reduziert Empagliflozin auch bei ihnen die Rate kardiovaskulärer Ereignisse. »Das ist überraschend und weist darauf hin, dass das Medikament zu einem beträchtlichen Anteil nicht über die Glucosesenkung wirkt«, sagte Galle. Wie der protektive Effekt auf das Herz-Kreislauf-System von Nierenkranken zustande kommt, sei zurzeit noch unklar.

 

Auch für das GLP-1-Analogon Liraglutid (Victoza®) erschienen im Juli dieses Jahres positive Ergebnisse im »New England Journal of Medicine« (DOI: 10.1056/NEJMoa1603827). In der LEADER-Studie mit 9340 Diabetikern konnte der Arzneistoff die kardiovaskuläre Sterblichkeit im Vergleich zu Placebo signifikant senken. Für Nephrologen besonders interessant war dabei, dass auch das mikrovaskuläre Outcome erfasst und als zusammengesetzter Endpunkt aus Nephro­pathie und Retino­pathie gesondert ausgewertet wurde. Insbesondere die renalen Parameter, wie das Entstehen einer Makroalbuminurie, besserten sich unter Liraglutid.

 

»Nachdem lange Zeit keine neuen Daten zum Nierenschutz von Diabetikern publiziert wurden, hat sich in diesem Jahr Einiges getan«, fasste Galle zusammen. Für Empagliflozin und Liraglutid sei der Nachweis erbracht worden, »dass wir damit für Patienten mit hohem Risiko etwas tun können«. /

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