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Augenarzneimittel

Richtig tropfen will gelernt sein

09.09.2015  09:25 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / Untersuchungen belegen, dass bei der Anwendung von Augentropfen schwerwiegende Fehler gemacht werden. So werden zum Beispiel oft nicht die Besonderheiten der verschiedenen Tropfsysteme sowie die erforderlichen hygienischen Maßnahmen berücksichtigt. Die aktuelle Ausgabe von »Pharmakon« gibt zahlreiche Beratungstipps, wie sich die Fehlerquote senken lässt.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber in der Praxis nicht unbedingt die Regel: vor der Anwendung von Augenarzneimitteln müssen die Hände gewaschen werden und an den Lidern eventuell haftende Salben- oder Sekretreste abgewaschen werden. Darauf verweist Dr. Wolfgang Kircher, Apotheker aus Peißenberg, in seinem Artikel »Augenarzneimittel korrekt anwenden«. Denn topische Augenarzneimittel müssen generell streng hygienisch gehandhabt werden, um weder den mikrobiellen Status des vorderen Augenabschnittes noch den des sterilen Arzneimittels zu verschlechtern. Was viele Patienten auch nicht wissen: Die sterile Tropf­spitze darf nicht das Auge oder andere Verunreinigungsquellen wie Wange oder Finger berühren. Mehrdosen­packungen sind jeweils nur von einem Patienten zu benutzen.

Immer senkrecht halten

 

Ein weiterer Tipp: Vor der Anwendung sollten Augentropfen in der Hand oder in der Hosentasche einige Minuten lang auf Körpertemperatur angewärmt wurden, da sie dann besser vertragen werden. Kalte Präparate führen zu verstärktem Tränenfluss und damit zu einem beschleunigten Abtransport der Tropfen. Ein erwünschter Nebeneffekt: Aus den meisten Kunststoffverpackungen lassen sich infolge der Erwärmung die Augentropfen leichter herauspressen, da der Kunststoff elastischer geworden ist.

 

Augentropfen können im Stehen, Sitzen oder bei Bedarf auch im Liegen verabreicht werden. Ungeübten Patienten oder solchen, die in ihrer Fein­motorik eingeschränkt sind, kann das Eintropfen vor dem Spiegel empfohlen werden. Die stehende Haltung vor dem Spiegel ermöglicht das Selbstapplizieren unter Sicht. Sitzen oder Liegen ist vor allem für ältere Patienten und für das Verabreichen durch eine Zweitperson günstig. Bei der stehenden oder sitzenden Position ist der Kopf jeweils in den Nacken zurückzubeugen, damit der Tropfen ohne Kontakt mit anderen Augenabschnitten in den Bindehautsack fallen kann. Dabei sollte das Behältnis beim Eintropfen immer annähernd senkrecht gehalten werden, um eine stets konstante Tropfengröße zu erzeugen.

 

Bei fehlender Feinmotorik im Liegen tropfen

 

Kindern oder Erwachsenen, die das geschilderte Eintropfen in den Bindehautsack nicht tolerieren, werden Augentropfen am besten kanthal appliziert. Dabei wird der Tropfen von der Zweitperson in den inneren Lidwinkel des weitgehend oder völlig geschlossenen Auges getropft. Beim anschließenden weiten Öffnen der Lider fließt die tropfengroße Flüssigkeitsmenge dann spontan auf die Horn- und Bindehaut ab. Danach muss das Auge für mindestens eine Minute fest geschlossen werden. Wichtig für die Beratung: Bei der kanthalen Applikation muss sich der Kopf des Patienten in waagerechter Position befinden, das heißt, er muss völlig flach liegen.

Augentropfen korrekt applizieren

  1. Suspensionsaugentropfen (zum Beispiel Cortison-, Levocabastin-Augentropfen) kräftig schütteln
  2. Beide Augen weit öffnen
  3. Mit dem Zeigefinger der nicht dominanten Hand das Unterlid nahe dem Wimpernansatz leicht nach unten schieben, wodurch sich ein offener Bindehautsack bildet
  4. Nach oben schauen und den Lidschlag möglichst unterdrücken (den Blick starr auf ein bestimmtes Ziel richten)
  5. Mit der dominanten Hand den Tropfer des senkrecht gehaltenen Behältnisses möglichst nahe über den geöffneten Bindehautsack positionieren, einen Tropfen freisetzen und direkt in den Bindehautsack fallen lassen
  6. Nachdem sich der Tropfen im Bindehautsack verteilt hat, das Unterlid vorsichtig loslassen und beide Augenlider langsam schließen, jedoch keinesfalls zukneifen
  7. Wenn es die äußeren Umstände erlauben, die Lider für wenigstens ein bis zwei Minuten geschlossen halten
  8. Gegenenfalls gleichzeitig 1 bis 5 Minuten mit der Fingerspitze leicht auf den Nasenknochen am Augeninnenwinkel drücken

Patienten mit wenig Kraft in den Fingern oder eingeschränkter Feinmotorik können die kanthale Methode auch in der Selbstanwendung praktizieren. Da hierbei im Gegensatz zur konjunktivalen Anwendung keine ergonomisch ungünstige Unterarmdrehung oder Handgelenksflexion erforderlich ist, sondern das Handgelenk in Normalstellung verbleibt, kann der Patient eine vergleichsweise höhere Fingergriffstärke zum Quetschen des Behälters ausüben. Zudem kann er bei dieser Position auch beide Hände benutzen.

 

Reicht die eigene Fingerkraft nicht mehr aus, können mechanische Anwendungshilfen erwogen werden. Hier ist jedoch zu beachten, dass nicht präparatebezogenen Applikationshilfen nicht mit allen Fläschchentypen des Handels kompatibel sind.

 

Augensalben immer vor dem Spiegel applizieren

 

Noch höhere Ansprüche an die Feinmotorik als das Eintropfen stellt die Selbstapplikation von Augensalben, -cremes und -­gelen. Selbst manuell geschickte Personen sollten diese diffizile Prozedur ausschließlich vor dem Spiegel vornehmen. Die Tube sollte hinsichtlich Hygiene und Temperatur analog den Tropffläschchen gehandhabt werden.

 

Der Anwender sollte versuchen, einen etwa 5 Millimeter langen Strang direkt in den geöffneten Bindehautspalt fallen zu lassen. Die Applikationstülle der Tube wird dabei vom Augen­innen- zum Augenaußenwinkel geführt. Da sich erfahrungsgemäßig in der Praxis der Salbenstrang selten infolge Drehens und Wendens der Tube von der Applikatorspitze löst, legt man ihn ohne Zu­hilfenahme weiterer Instrumente in den Bindehautsack. Anschließend drückt man einen kurzen Salbenstrang heraus, verwirft ihn und wischt die Applikatorspitze mit einem sauberen Einmal­taschentuch gründlich ab. /

Pharmakon - Zeitschrift der DPhG

Augenerkrankungen und ihre Therapie sind der Themenschwerpunkt der aktuellen Ausgabe von »Pharmakon«, der Zeitschrift für Mitglieder der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Sie enthält neben dem hier vorgestellten Beitrag von Dr. Wolfgang Kircher unter anderem Artikel über die Therapie beim Glaukom, trockenen Auge und bei der altersbedingten Makuladegeneration sowie zu rezepturmäßig hergestellten Augenarzneimitteln. »Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. Ein kostenloses Abonnement ist in der DPhG-Mitgliedschaft inbegriffen. Die Zeitschrift ist auch als Einzelbezug erhältlich. Weitere Informationen finden Interessierte auf pharmakon.info.

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