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Grundsatzurteil

Pharmakologische Wirkung definiert

11.09.2012  17:35 Uhr

Von Anna Hohle / Was genau ist eine pharmakologische Wirkung? Nach einem Rechtsstreit um ein Mundwasser hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu dieser Frage nun ein Grundsatzurteil gefällt.

Am vergangenen Donnerstag definierten die Europarichter den Begriff »pharmakologische Wirkung« präzise. Demnach liegt diese nicht nur dann vor, wenn eine Wechselwirkung zwischen einer Substanz und körpereigenen Zellen besteht. Es genüge, wenn sich die Wirkung zwischen Substanz und anderen im Körper befindlichen, aber nicht körpereigenen Zellen, also etwa Bakterien oder Pilzen, abspiele.

Vorausgegangen war ein Rechtsstreit zwischen zwei Pharma­unternehmen, in dem es darum ging, ob ein Mundwasser als Arzneimittel gilt und deshalb eine Zulassung benötigt. Die Mundspüllösung Paroex 0,12 %, die den antiseptischen Wirkstoff Chlorhexidin enthält, wurde bislang von der Firma Sunstar Deutschland nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukt vertrieben. Der Konkurrenzhersteller Chemische Fabrik Kreussler klagte dagegen 2006 vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Spülung habe eine pharmakologische Wirkung, so Kreussler, müsse also vor dem Verkauf erst als Arzneimittel zugelassen werden.

 

Das Landgericht hatte die Klage zunächst abgewiesen, der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil in dritter Instanz jedoch wieder auf. Um zu entscheiden, ob die antiseptische Wirkung von Chlorhexidin auf Bakterien im Mundraum eine pharmakologische ist, mussten die Europarichter nun zunächst klarstellen, wie diese definiert wird. Dies tat das Gericht: Die Richtlinie des Europäischen Parlaments zu Medizinprodukten sei so auszulegen, »dass vom Vorliegen einer ›pharmakologischen Wirkung‹ einer Substanz … nicht nur dann ausgegangen werden kann, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders kommt, sondern dass eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genügt«, heißt es im Urteil.

 

Es gilt der Einzelfall

 

Das bedeute jedoch nicht, dass in Zukunft alle Produkte mit pharmakologischer Wirkung als Arzneimittel zu klassifizieren sind, so der EuGH. Jedes Präparat müsse stets in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Ob es sich jeweils um ein Arzneimittel oder Medizinprodukt handelt, müsse individuell entschieden und hierfür unter anderem die Zusammensetzung, der Umfang der Verbreitung, die Bekanntheit bei den Verbrauchern, mögliche Risiken sowie die Art der Anwendung betrachtet werden. Die endgültige Entscheidung liege dann bei den zuständigen Behörden, bei zugelassenen Produkten wie im Streitfall Paroex jedoch beim zuständigen Gericht. Nun bleibt abzuwarten, wie die einzelnen Behörden bei Neuzulassungen über den Produkt­status entscheiden werden. /

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