Atmungsorgan unter Druck |
11.09.2012 13:45 Uhr |
Von Maria Pues / Lungenhochdruck ist der Oberbegriff für ein Krankheitsbild, dessen einheitlicher Erscheinungsform sehr verschiedene Ursachen zugrunde liegen können. Das hat auch Auswirkungen auf die Behandlung.
Von pulmonaler Hypertonie spricht man, wenn der Druck in der Lungenschlagader mindestens 25 mmHg beträgt. Der Normaldruck liegt bei etwa 15 mmHg. Ab einem Druck von 50 bis 70 mmHg kommt es zu einer deutlichen Verminderung der Auswurfleistung des Herzens. In sehr schweren Fällen kann der Überdruck auf mehr als 100 mmHg ansteigen. Konsequenzen hat aber bereits ein geringerer Lungenhochdruck.
Umbau der Gefäße
Eine dauerhaft erhöhte Druckbelastung auf Gefäß- und Herzmuskulatur führt dazu, dass sich die Gefäßmuskulatur nach und nach verdickt. Das Gefäßlumen nimmt dabei ab, die Endothelfunktion ist gestört. Es kommt in der Folge zum sogenannten Remodeling: einem irreversiblen Umbau funktionsfähiger Gefäßmuskulatur in funktionsloses Bindegewebe, der in einem fixierten Lungenhochdruck mündet und dem sich eine Sklerosierung anschließen kann.
Lungenhochdruck lässt sich nicht so einfach feststellen wie eine »normale« Hypertonie. Zur Diagnose bedarf es einer aufwendigen Herzkatheteruntersuchung.
Foto: dpa
Verminderter Durchmesser und fehlende Elastizität bedingen einen deutlich reduzierten Sauerstofftransport und eine herabgesetzte Auswurfleistung des Herzens. Eine unphysiologische Zunahme der Muskelmasse im Herzen führt ebenfalls zu Funktionseinbußen.
Wenn heute von pulmonalem Hochdruck (PH) die Rede ist, geht es zumeist um die früher als primäre oder idiopathische Hypertonie bezeichnete Form. Nach der derzeitigen Klassifikation gehört diese zu den pulmonalarteriellen Hypertonien (PAH). Sie gilt mit einer Häufigkeit von 30 bis 50 Patienten pro eine Million Einwohner als Orphan disease.
Seltener im Gespräch, aber häufig in der Praxis ist eine andere Unterform des Lungenhochdrucks, die pulmonale Hypertonie infolge Linksherzerkrankung. Die Inzidenz liegt hier verglichen mit der PAH um den Faktor 1000 höher. Mediziner unterscheiden bei dieser Untergruppe des Lungenhochdrucks eine systolische, eine diastolische und eine die Herzklappen betreffende (valvuläre) Form. Von anderen Arten des Lungenhochdrucks unterscheidet sich die pulmonale Hypertonie infolge Linksherzerkrankung durch Ursachen und Therapie.
In der medizinischen Literatur findet man auch das Kürzel Non-PAH-PH. Es steht für pulmonale Hypertonien, die keine pulmonal-arteriellen Bluthochdrücke sind. Neben der pulmonalen Hypertonie infolge Linksherzerkrankung gehören dazu auch die pulmonale Hypertonie infolge Lungenerkrankung und die chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie.
Unabhängig von der Genese ähneln sich die Symptome der verschiedenen Unterarten des Lungenhochdrucks. Die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen nimmt ab, teilweise sogar dramatisch. Es kommt zu Kreislaufstörungen; die Patienten leiden unter Müdigkeit und Schwindelanfällen bis hin zu kurzen Phasen von Bewusstlosigkeit, unter Angina pectoris oder dem Raynaud-Syndrom. Das sind Gefäßspasmen, bei denen sich zum Beispiel Teile der Finger abrupt entfärben. Meist erst relativ spät zeigen sich periphere Ödeme sowie eine Zunahme des Bauchumfangs infolge Wassereinlagerung. Beschwerden wie Atemnot treten anfangs nur unter Belastung auf, später auch in Ruhe. Die Klassifizierung der pulmonalen Hypertonie der New York Heart Association (NYHA) zeigt die Tabelle.
Unterschiedliche Ursachen
Während nicht geklärt ist, welche Ursachen letztlich zur primären PAH führen, sind diese für die pulmonale Hypertonie infolge Linksherzerkrankung häufig bekannt. So tritt diese Form des Lungenhochdrucks meist infolge einer arteriellen Hypertonie auf, die – da das Herz über lange Zeit gegen den erhöhten Gefäßdruck anpumpen musste – in einer Volumenzunahme des linken Herzens mündete.
Klassifikation | Beschreibung |
---|---|
NYHA 1 | Patienten mit pulmonaler Hypertonie ohne Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Normale körperliche Aktivität führt nicht zum Auftreten von Belastungszeichen, Thoraxschmerzen oder Synkopen. |
NYHA 2 | Patienten mit pulmonaler Hypertonie mit leichten Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Die Patienten sind in Ruhe beschwerdefrei. Normale körperliche Aktivität führt bereits zum Auftreten von Belastungszeichen, Thoraxschmerzen oder Synkopen. |
NYHA 3 | Patienten mit pulmonaler Hypertonie mit erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Die Patienten sind in Ruhe beschwerdefrei. Bereits geringe körperliche Aktivität führt zum Auftreten von Belastungszeichen, Thoraxschmerzen oder Synkopen. |
NYHA 4 | Patienten mit pulmonaler Hypertonie, die keinerlei körperliche Tätigkeiten ohne Beschwerden verrichten können. Die Patienten weisen Zeichen einer manifesten Rechtsherzinsuffizienz auf. Luftnot und Schwächegefühl können bereits in Ruhe vorhanden sein und werden bei Belastung verstärkt. |
Handelt es sich um eine diastolische Dysfunktion, so füllt sich in der Entspannungsphase das vergrößerte Herz nur unvollständig mit Blut; die Pumpkraft des Herzens reicht aber noch aus, um das verminderte Blutvolumen aus dem Herzen in die Arterien zu pressen. Man spricht dann von einem sogenannten Rückwärtsversagen des Herzens. Dabei findet ein Rückstau in die Venen statt. Ist hingegen die Pumpkraft des Herzens vermindert, spricht man von einer systolischen Dysfunktion beziehungsweise von einem Vorwärtsversagen des Herzens. Auch eine Kombination aus beiden kommt vor. Der korrekten Zuordnung kommt eine wichtige Bedeutung zu.
Aufwendige Diagnostik
Patienten mit PH infolge Linksherzerkrankung droht zudem die Gefahr, dass eine Diagnose erst spät gestellt wird. Alle Patienten mit Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz einer PH-Diagnostik (inklusive Rechtsherzkatheter-Untersuchung) zu unterziehen, würde viele Patienten und die Gesundheitssysteme unnötig be- und überlasten. Aufmerksames Beobachten der oft älteren Patienten ist hier jedoch in besonderem Maße gefordert: Klagen sie plötzlich über eine rapide nachlassende Leistungsfähigkeit? Kommt es zu Wassereinlagerungen, die auch am nächsten Morgen nicht zurückgegangen sind? Derartige Symptome werden häufig dem »Altersherz« zugerechnet, sollten jedoch ärztlich untersucht werden. Je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, umso größer sind die Chancen, ein Remodeling zumindest hinauszuzögern.
Im Gegensatz zu Patienten mit PAH profitieren Patienten mit PH infolge Linksherzerkrankung allenfalls in Einzelfällen von einer Behandlung mit spezifischen Arzneimitteln, beispielsweise Endothelinrezeptor-Antagonisten wie Bosentan oder Ambrisentan, Phosphodiesterase-5-Inhibitoren wie Sildenafil oder Tadalafil oder Prostanoid-Analoga wie Iloprost oder Treprostinil. Bei ihnen sollte gemäß der Leitlinien vielmehr eine Behandlung der zugrunde liegenden Herzerkrankung im Vordergrund stehen.
Dies kann beispielsweise mit ACE-Hemmern oder AT1-Antagonisten über eine Senkung der Nachlast geschehen, um die erforderliche Pumparbeit des Herzens zu reduzieren. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Vorlast zu senken sowie die Pumpkraft des Herzens zu stärken, zum Beispiel mit Digitalis-Glykosiden. Diuretika können darüber hinaus die Flüssigkeitsmenge vermindern, die das geschwächte Herz in Umlauf halten muss.
Schonung ist out
Zur Unterstützung der Pharmakotherapie wurde Lungenhochdruck-Patienten bisher vor allem Schonung empfohlen, um akute Drucksteigerungen über den bereits bestehenden Hochdruck hinaus zu vermeiden. Inzwischen liegen jedoch Studien vor, die zeigen, dass Atem- und Bewegungsübungen unter qualifizierter Aufsicht Befinden und Belastbarkeit der Patienten steigern können. Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen sowie Rauchverzicht kommen diesen Patienten besonders zugute. /