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Hintergrund

Europäische Regeln für Arzneiversorgung

06.09.2011  14:15 Uhr

Von Daniel Rücker / Im Jahr 2004 hatten die EU-Mitgliedsstaaten einen gemeinsamen Rahmen für die Arzneimittelversorgung verabredet. Drei Richtlinien, zusammen als »Pharmapaket« bezeichnet, sind Ergebnis dieser Absprache. Sie sollen die Information der Patienten und Nebenwirkungsmeldungen harmonisieren und die Europäer wirksamer vor Fälschungen schützen. Es wurde eine schwere Geburt.

Rund sieben Jahre mussten vergehen, bis die Fälschungsrichtlinie Ende Juni dieses Jahres endlich veröffentlicht werden konnte. Das lag vor allem an den zu Beginn sehr unterschiedlichen Vorstellungen der Marktpartner. Ein wesentlicher Streitpunkt dabei war das vom damaligen EU-Gesundheitskommissar Günter Verheugen (SPD) geplante Umpackverbot für Arzneimittel. Arzneimittel sollten vom Hersteller bis zum Patienten dieselbe Umverpackung tragen. So sollte gewährleistet werden, dass das aufgedruckte Sicherheitsmerkmal zur eindeutigen Identifizierung mit dem Inhalt der Packung verbunden bleibt.

Doch das Umpackverbot traf auf erbitterten Widerstand. Es hätte Arzneimittelimporteuren die Geschäftsgrundlage entzogen. In vielen Mitgliedsstaaten regte sich Protest gegen dieses vermeintliche Geschenk an die Hersteller von Originalarzneimitteln. Verheugen musste seine Richtlinie daraufhin überarbeiten.

 

Unterschiedliche Vorstellungen gab es auch darüber, welche Arzneimittel überhaupt Sicherheitsmerkmale tragen müssen: Alle oder nur die verschreibungspflichtigen? Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller kämpfte mit viel Engagement dafür, OTC-Arzneimittel von der Pflicht auszunehmen, am Ende mit weitgehendem Erfolg. Die meisten werden ausgenommen. Die EU kann allerdings Selbstmedikationspräparate festlegen, die das Sicherheitsmerkmal tragen müssen.

 

Deutliche Meinungsunterschiede gab es auch über die Rolle der Internet-Apotheken. Nach der Richtlinie sollen Verbraucher seriös arbeitende Versender an einem Qualitätssiegel auf der Website erkennen können. Weil man ein solches Siegel ohne allzu große Mühe fälschen kann, halten die Apotheker hiervon wenig.

 

Beim Treffen der europäischen Apothekerorganisationen im Juni in Berlin räumte der Kabinettschef von EU-Gesundheitskommissar John Dalli selbst ein, dass diese Kennzeichnung keine hundertprozentige Sicherheit vor illegalen Versendern biete. Es sei nicht möglich, im Internet das Sicherheitsniveau öffentlicher Apotheken zu erreichen. Die nun gefundene Lösung sei aber besser als gar nichts zu tun.

 

Verständliche Beipackzettel

 

Neben der Fälschungsrichtlinie gehören zum Pharmapaket die Pharmakovigilanzrichtlinie und die Richtlinie zur Patienteninformation. Die Pharmakovigilanzrichtlinie hat den Gang durch die europäischen Institutionen beendet. Sie sieht unter anderem verständlichere Beipackzetttel, eine über das Internet zu erreichende europäische Arzneimitteldatenbank auch für Patienten und Änderungen bei der Meldung von unerwarteten Arzneimittelwirkungen vor.

 

Noch nicht abgeschlossen ist dagegen die Richtlinie zur Patienteninformation. Ihre Genese war von Beginn an ein Kampf zwischen der pharmazeutischen Industrie, die Patienten auch über verschreibungspflichtige Arzneimittel direkt informieren möchte, und Apothekern, Ärzten, Verbraucherschützern sowie vielen Gesundheitspolitikern, die dies ausdrücklich nicht wünschen. Nach mehrfachen Verzögerungen ist die endgültige Verabschiedung der Richtlinie noch nicht absehbar. / 

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