Pharmazeutische Zeitung online
Berufskrankheiten

Berufsgenossenschaften entscheiden

04.09.2007  16:38 Uhr

Berufskrankheiten

Berufsgenossenschaften entscheiden

Von Heidi Röhrbein*

 

Echte Berufskrankheiten in der Apotheke sind eher selten. Dennoch sind sie nicht ausgeschlossen. Für diesen Fall gibt es klare Spielregeln.

 

»Die Arbeit macht mich krank!« Eine Gemütsäußerung, die wohl einem jeden schon einmal über die Lippen gekommen ist. Es ist oft ein Ausruf von Stress, Frust oder ähnlichem. Ein Gefühl, das sich in diesem Fall wieder legt. Arbeit kann in der Tat krank machen.

 

Als Berufskrankheit werden Erkrankungen anerkannt, die dadurch entstehen, dass die Betroffenen durch ihre Arbeit gesundheitsschädigenden Einwirkungen in höherem Maß als die gesamte Bevölkerung ausgesetzt sind. Aber nicht jede Erkrankung, die sich ein Versicherter bei der Arbeit zuzieht, ist eine Berufskrankheit.

 

Der Begriff ist vielmehr im Gesetz definiert (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Danach sind Berufskrankheiten diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter durch seine versicherte Tätigkeit erleidet.

 

Die Frage, welche Krankheit der Verordnungsgeber als Berufskrankheit anerkennen darf, ist ebenfalls gesetzlich geregelt: Nur diejenigen Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (also keine Allgemeinkrankheiten wie Rheuma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen).

 

Die einzelnen Krankheiten, die als Berufskrankheiten anerkannt werden können, sind in der Berufskrankheiten-Liste, die eine Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ist, erschöpfend aufgezählt. In dieser Liste sind die Berufskrankheiten in sechs Gruppen eingeteilt:

 

durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten

durch pysikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten

durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten

Erkrankungen der Atemwege und der Lunge, des Rippen- und Bauchfells

Hautkrankheiten

Krankheiten sonstiger Ursache.

 

Entscheidend ist in jedem Fall, dass die wesentliche Ursache im Beruf liegt. Die starke Belastung muss sich über einen langen Zeitraum (in der Regel mindestens zehn Jahre) erstreckt haben und den Betroffenen zur Aufgabe seiner Tätigkeit gezwungen haben. Alle sitzenden Tätigkeiten beispielsweise an Büroarbeitsplätzen scheiden als Ursache für die Wirbelsäulen-Berufskrankheiten aus. Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss der Berufsgenossenschaft gemeldet werden.

 

Wer entscheidet?

 

Die zuständige Berufsgenossenschaft führt ein Feststellungsverfahren durch, in dem die Arbeits- und Krankheitsvorgeschichte lückenlos ermittelt wird. Dabei wird auch ein medizinischer Sachverständiger eingeschaltet, um festzustellen, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Berufskrankheit gegeben sind. Bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen entscheidet der Rentenausschuss der Berufsgenossenschaft, der paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist, über die Anerkennung oder Ablehnung der Berufskrankheit. Ist die Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt, wird sie durch die Sozialversicherung finanziell entschädigt, der Betroffene erhält eine Rente.

 

Keine Versicherungspflicht für Leiter

 

Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften (siehe hier). Apothekenleiter sind explizit von der Versicherungspflicht befreit. Ihre Angstellten müssen über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) versichert werden.

 

Mancher Arbeitgeber, erwägt bei einer Berufskrankheit eine personenbedingte Kündigung. Allein die Berufskrankheit selbst rechtfertigt dies aber nicht. Vielmehr muss die Berufskrankheit die Eignung und Fähigkeiten des Arbeitnehmers beeinträchtigen und erhebliche betriebliche Störungen verursachen.

 

Im Rahmen der Interessenabwägung ist unter anderem zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer die Berufskrankheit schuldhaft verursacht hat, zum Beispiel weil er sich nicht ausreichend an die Vorgaben des Arbeitsschutzes gehalten hat. Wenn dies so ist, darf die Kündigung während der Krankheit ausgesprochen werden. Die Krankheit als solche bewirkt keine Kündigungssperre.

 

Die Erkrankung an einer anerkannten Berufskrankheit in einem Apothekenbetrieb ist nicht sonderlich häufig. Dennoch ist nichts unmöglich. Für die Durchsetzung etwaiger Ansprüche im Falle einer beruflich bedingten Erkrankung empfiehlt sich der Rat eines sachkundigen Rechtsanwalts.

 

 

* Heidi Röhrbein ist Arbeitsrechtlerin in der Kanzlei Rembert Rechtsanwälte, Hamburg

Mehr von Avoxa