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29.08.2017 10:02 Uhr |
Von Carolin Antropov / Christian Roth ist kein gewöhnlicher Pharmazeut im Praktikum (PhiP). Im August wurde er beim Weltkongress in Taiwan zum Präsidenten der International Pharmaceutical Students’ Federation (IPSF) gewählt. Was dieses hohe Amt für ihn bedeutet, welche Ziele er verfolgt und wie all das in 24 Stunden hineinpasst, erklärt er im Interview mit der PZ.
PZ: Als IPSF-Präsident repräsentieren Sie ein Jahr lang alle Pharmaziestudierenden weltweit. Ihr Vorgänger gratulierte Ihnen nach Ihrer Wahl auf Twitter und schrieb: »Trust you will do amazing!« Überwiegt bei Ihnen freudige Neugierde oder Respekt vor der großen Herausforderung?
Der neu gewählte IPSF-Präsident Christian Roth studierte Pharmazie in Regensburg und absolviert derzeit sein Praktisches Jahr in einer öffentlichen Apotheke.
Fotos: Privat
Roth: Am Anfang habe ich mich riesig gefreut und fühlte mich geehrt. Erst hinterher wurde mir bewusst, was das jetzt bedeutet. Es ist ein wahnsinniges Geborgenheitsgefühl da, denn IPSF ist wie eine Familie. Auf der anderen Seite kam der Gedanke: »Du könntest natürlich auch ein normales Leben führen.« Aber das wäre wohl zu langweilig.
PZ: Viele Studenten verbinden mit der IPSF vor allem das Austauschprogramm SEP. Für welche weiteren Aktivitäten und Aufgaben engagiert sich die Vereinigung?
Roth: Die IPSF ist offizieller Partner der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Deshalb schicken wir jedes Jahr eine Delegation zur WHO-Hauptversammlung nach Genf, um unsere Ansichten als Jungapotheker und Pharmaziestudierende zu vertreten. Dieser repräsentative Aspekt ist sehr groß. IPSF steht als Gesamtverband aber auch dafür, den Mitgliedern eine gemeinsame Stimme zu geben. Denn wir haben die Motivation, etwas zu ändern. Wir haben ein sehr großes Department für Professional Development. Seit mehr als zehn Jahren veranstalten wir auf dem Kongress einen Beratungswettbewerb, ein Clinical-Skills-Event, bei dem es um Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) geht, und seit Kurzem auch einen Rezepturwettbewerb. Ein eigenes Programm haben wir für Soft Skills, um unsere Mitglieder mit entsprechenden Werkzeugen für die Arbeit in den Lokalverbänden auszustatten.
PZ: Zukunftsfähigkeit, Gleichberechtigung und Möglichkeiten nannten Sie bereits in einem Statement für die PZ als Ihre Kernthemen. Was genau verstehen Sie darunter?
Roth: Da sind zum einen die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Verbands selbst, sowohl in seiner Teamstruktur als auch im Aufbau. Dann haben wir leider ein Ungleichgewicht zwischen pharmazeutischen Wissenschaftlern und Apothekern – wir verkörpern aber beide. In den letzten Jahren war die Arbeit der IPSF etwas mehr in Richtung Apotheker gerichtet.
»Ich kann mir eine Arbeit in der öffentlichen Apotheke vorstellen, aber es kommt darauf an, wie sich die Sache politisch entwickelt.«Christian Roth
Das möchte ich ausbalancieren. Und schließlich gibt es natürlich Möglichkeiten: Wir sind Partner der Unesco und es gibt viele Bereiche, in denen Apotheker Input geben können, obwohl es nicht sofort ersichtlich ist. Der Klimawandel, die Flüchtlingskrise: Auch hier wollen wir uns Gehör verschaffen. Dass lieber über uns geredet wird statt mit uns, bekommt beispielsweise auch der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland häufig zu spüren. Selbst bei der Leitbilddebatte wurden wir nicht von Anfang an in die normale Umfrage integriert. Deswegen: Gemeinsam an einen Tisch setzen – das ist es, was wir erreichen wollen.
PZ: Wo stehen Ihrer Meinung nach Apotheker in Deutschland im internationalen Vergleich?
Roth: Das kommt auf den Bereich an. Was Rezepturen, pharmazeutische Technologie und die Sicherheit in der Abgabe angeht, sind wir sehr weit vorn. Wenn wir uns aber beispielsweise mit Australien oder anderen angelsächsischen Ländern hinsichtlich Klinischer Pharmazie messen müssen, dann sind sie uns deutlich voraus. Doch wir sind auf einem guten Weg, sodass wir uns definitiv nicht verstecken müssen. Unser Problem ist vielmehr: Wir sind manchmal zu ängstlich und haben große Bedenken. Positiv gesehen überstürzen wir dadurch zwar nichts. Aber oftmals wagen wir den Sprung nicht und die Initiativen fehlen.
PZ: Wie wird sich die Rolle des Apothekers innerhalb der nächsten 15 Jahre verändern?
Roth: Der Apotheker wird deutlich abkommen von der reinen Packungsabgabe hin zu Servicedienstleistungen wie AMTS-Management und Klinische Pharmazie. Die Patienten haben nicht zu wenig Informationen, sondern zu viele. Diese zu filtern, ist eine wichtige Aufgabe. Ich muss mich als Apotheker nicht genieren, mich mit einem Arzt auszutauschen und Empfehlungen zu geben. Klar: Ich darf mich in die Therapiehoheit des Arztes nicht einmischen – derzeit. Aber wenn wir es nicht verschlafen, dann wird dieser Wechsel kommen und Arzt und Apotheker werden auf Augenhöhe sein.
PZ: Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?
Roth: Im englischsprachigen Raum werden Sie nie hören, dass man von »Customer« spricht, da ist immer vom »Patient« die Rede. Apotheker müssen sich zuerst als Heilberufler identifizieren und dann als Kaufmann. Das ist unsere Selbstwahrnehmung als Berufsstand – und macht nicht zuletzt für die Außendarstellung einen großen Unterschied.
PZ: In Deutschland wird viel über eine Novellierung der Approbationsordnung diskutiert. Muss sich am deutschen Pharmaziestudium etwas ändern und wenn ja, was?
Roth: Wir studieren alle nach derselben Approbationsordnung. Dennoch gibt es sehr große Unterschiede in der Gewichtung an den Standorten. Was ich mir wünschen würde, ist die Ausbalancierung der einzelnen Säulen. Wir haben noch immer Universitäten, die keine Professur für Klinische Pharmazie haben. Ich persönliche finde das System gut, das wir haben. Aber das Studium ist für den Stoffinhalt definitiv zu kurz, da muss sich etwas ändern. Alleine schon, wenn man sich ansieht, wie viele Studierende psychisch stark belastet sind.
PZ: Sollte sich auch das praktische Jahr verändern?
Roth: Vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt: »Apotheker vergraulen ihren eigenen Nachwuchs.« Es ist besser geworden und es gibt Initiativen und mittlerweile Standards, wie ein PJ aufgebaut sein soll. Doch vielfach wird leider vergessen, dass es ein Ausbildungsabschnitt ist. Wir sind kein Leibeigentum oder billige Arbeitskräfte.
PZ: Sie machen gerade Ihr PJ in einer Offizin. Sehen Sie sich selbst in der Zukunft in einer Apotheke oder gar als Inhaber?
Roth: Mir macht die öffentliche Apotheke sehr viel Freude, denn ich sehe in den Gesichtern meiner Patienten den Benefit, den ich bringe. Sie sind dankbar dafür. Ich kann mir die Apotheke also definitiv vorstellen, aber es kommt stark darauf an, wie sich die Sache politisch entwickelt.
PZ: Alle Vorstandsmitglieder des IPSF arbeiten ehrenamtlich. Was treibt Sie an und motiviert Sie, sich zu engagieren?
Roth: Es macht mir Spaß, meinen Beitrag zu leisten, denn mich stören die Zustände. Es sind Kleinigkeiten, aber die addieren sich. Zurückhaltung und Bedenken müssen sich in nach vorne gewandte, proaktive Energie umwandeln. Wenn man hinfällt, sollte man versuchen, aus dem Fehler zu lernen. Das ist besser, als gar nichts zu tun, denn das bedeutet Stillstand und Stillstand heißt Rückschritt. Ich kann nicht von anderen erwarten, dass sie meinen Teil machen. Der Dalai Lama XIV hat es einmal so formuliert: »If you think you are too small to make a difference, try sleeping with a mosquito.«
PZ: Eine wichtige Frage zum Schluss: Wie viele Stunden hat Ihr Tag?
Roth: Mal mehr, mal weniger. Ich arbeite ja ganz klassisch als Phip in der Apotheke, habe aber einen Chef, der mich sehr stark unterstützt. Im Schnitt sind sechs Stunden Schlaf für mich das Maximum. Aber ich bin ja mit Freude dabei – und man ist ja jung! Das Geheimnis ist definitiv ein gutes Zeitmanagement. /