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Aphthen

Wund im Mund

16.08.2011  12:20 Uhr

Von Elke Wolf / Unangenehm sind sie allemal, zumeist sind sie sogar richtig schmerzhaft. Zwar heilen Aphthen im Mundraum nach gewisser Zeit von selbst ab, doch eine Reihe von Maßnahmen macht die Zeit bis dahin erträglicher.

Der Orangensaft schmerzt, und die Tomate brennt im Mund? Daran könnten Aphthen schuld sein. Aphthen sind rundlich-ovale, etwa linsengroße Schleimhautläsionen, die akut auftreten. Der entzündliche Schleimhautdefekt ist von einem roten Hof umgeben und von einem weißlich-gelben Fibrinbelag überzogen. Die Herde sitzen einzeln oder in größerer Anzahl gerne am Mundboden, seitlich und unten an der Zunge sowie an der Innenseite der Lippe, manchmal auch im Rachenraum. Oft treten sie an mechanisch beanspruchten Arealen in der Nähe von Eckzähnen oder Kontaktflächen zu einer Zahnspange oder Prothese auf. Doch wo immer sie sitzen: Da sie Mini-Ulcera gleichen, liegen die Nervenenden bloß, und sie reagieren empfindlich, wenn sie durch scharfe oder saure Speisen gereizt werden.

Wie schmerzhaft Aphthen empfunden werden, ist von Person zu Person unterschiedlich. Doch gerade wenn mehrere Läsionen den Mund säumen, sind Sprechen und Essen behindert. Die Größe der Herde ist jedenfalls für das Schmerzempfinden nicht ausschlag­gebend. Entscheidend ist eher, wo die Aphthe sitzt. So kann eine relativ kleine Entzündung an der Zungenspitze wesentlich unangenehmer sein als eine größere Läsion, die an einer mechanisch weniger beanspruchten Stelle im Mund liegt.

 

Idiopathische Aphthen treten familiär gehäuft und in unregelmäßigen Intervallen auf. Mediziner unterscheiden drei Typen: Beim häufigeren Minor-Typ kommen wenige kleinere Herde vor. Sie haben einen Durchmesser von wenigen Millimetern und heilen spontan innerhalb von 10 bis 14 Tagen ab. Beim selteneren Major-Typ sind die Herde imposanter und können einen Durchmesser von 1 bis 3 Zentimetern erreichen. Die Läsionen können wochenlang persistieren, und da der ulceröse Prozess ziemlich tief geht, können Narben zurückbleiben. Sehr selten ist die dritte Form, bei der die Läsionen Herpesbläschen ähneln. Man spricht deshalb auch von herpetiformen Aphthen. Die Herde treten in großer Zahl auf, die schmerzhaften Schleimhautkrater sind über den ganzen Mundbereich verteilt. Nach rund zwei Wochen verschwinden sie wieder.

 

Manche Patienten leiden immer wieder unter den lästigen Bläschen, dann spricht man von einer chronisch-rezidivierenden Form. Deren eigentliche Ursache ist bis heute nicht geklärt. Lediglich eine genetische Disposition gilt als sicher. Man diskutiert ein Auto­immunleiden, bei dem die Mikrozir­kulation der Mundschleimhaut gestört ist. Emotionale Belastungen wie Stress, zyklusabhängige hormonelle Schwankungen, der Genuss bestimmter Nahrungsmittel oder ein grippaler Infekt werden zwar von den Betroffenen immer wieder berichtet, doch bewiesen sind die Zusammenhänge nicht. Auch ein Mangel an Folsäure, Eisen oder Vitamin B12 kommt als Auslöser infrage. Kehren Aphthen immer wieder, ist der Gang zum Internisten oder Zahnarzt anzuraten. In schweren Fällen können Systemerkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie oder eine HIV-Infektion dahinterstecken. Eine Gewebeprobe gibt darüber Auskunft, ob ein Autoimmunleiden wie Morbus Behçet der eigentliche Auslöser ist.

 

Punkt für Punkt behandeln

 

Die Zeit der Unannehmlichkeit, bis Aphthen wieder abheilen, lässt sich mit verschiedenen Präparaten überbrücken. Die Selbstmedikation bietet eine Reihe von Möglichkeiten, den Wundschmerz symptomatisch zu behandeln. Die Tatsache, dass es einen Goldstandard der Therapie nicht gibt, ist eigentlich ein Beweis, dass man die Ätiologie der Aphthen nicht kennt. Letztlich ist es auch eine Sache des Ausprobierens, welches Präparat dem Patienten am besten zusagt. Das sollte im Beratungsgespräch vermittelt werden. Auch nicht zu vergessen: Eventuell zugrunde liegende Grunderkrankungen müssen vom Arzt abgeklärt und behandelt werden.

Gesund im Mund

Verschiedene Maßnahmen helfen vorbeugend gegen Aphthen:

 

Eine sorgfältige Zahn- und Mundpflege hilft, Entzündungen im Mund- und Rachenraum zu vermeiden.

Regelmäßige Bewegung, frische Luft und eine gesunde vollwertige Ernährung stärken das Immunsystem und kommen auch der Mundschleimhaut zugute.

Das Kauen von zuckerfreien Kaugummis oder das Lutschen von zuckerfreien Bonbons regen den Speichelfluss an.

Wer viel Wasser oder ungesüßten Tee trinkt, spült krank machende Keime fort.

Asthmatiker sollten nach dem Inhalieren von Corticosteroid-haltigen Sprays gründlich den Mund ausspülen.

Bei gefährdeten Personen mit geschwächtem Immunsystem können regelmäßige Mundspülungen mit pflanzlichen entzündungshemmenden Extrakten dazu beitragen, Entzündungen vorzubeugen.

Bereits bei den ersten Anzeichen medikamentös gegensteuern.

Ist die Entzündung da, auf heiße, harte sowie scharf gewürzte und saure Speisen verzichten.

 

Lokalanästhetika wie Lidocain (etwa Dynexan® Gel, Kamistad® Gel) oder Polidocanol (etwa Recessan®) werden als Gel auf die wunden Punkte aufgetupft und nehmen sofort den Schmerz. Auch Tinkturen mit Extrakten von Tormentillwurzelstock, Rathania, Myrrhe, Salbei und/oder Rhabarberwurzel (etwa Repha-OS®, Pyralvex®, Salviathymol®) haben sich durch ihren adstringierenden und entzündungshemmenden Effekt bewährt. Zudem ist Propolis-Urtinktur ein möglicher Beratungstipp. Bevor das jeweilige Präparat aufgetragen wird, empfiehlt es sich, die betroffene Region mit einem Wattestäbchen oder Papiertuch trocken zu tupfen. Dann erst das Gel oder die Tinktur mit einem frischen Wattestäbchen entnehmen und dünn auf die Wunde aufstreichen. In penetranten Fällen können Steroide wie Triamcinolonacetonid (etwa Aftab® Hafttabletten) Linderung verschaffen. Auch hier gilt: Bevor die Tablette auf die Schleimhaut aufgebracht wird, die betroffene Stelle gut trocken tupfen.

Wer mag, kann zusätzlich mehrmals täglich und besonders nach den Mahlzeiten mit verdünntem Kamillen­extrakt (etwa Kamillosan®) oder Antiseptika wie Polyvidon-Iod (etwa Betaisodona®) oder Chlorhexidin (etwa Clorhexamed® Lösung, Meridol® Lösung) spülen. In Liposome M Nit® ist Chlorhexidin in Liposomen verpackt, was zu einer rascheren Abheilung der Entzündungsherde führen soll. Da Liposomen gut in die Schleimhaut penetrieren und dadurch zusätzlich Phospholipide mit essenziellen Fettsäuren, Linol- und Linolensäure zugeführt werden, wird die Selbstheilungskraft der Schleimhaut unterstützt. Dexpanthenol als Lösung für Pinselungen oder Spülungen (etwa Bepanthen® Lösung) kann als Adjuvans seine wundheilenden Eigenschaften entfalten.

 

Unsichtbares Pflaster

 

Benzydamin (etwa Tantum® Verde) hat antimikrobielle Eigenschaften, wird aber mehr noch wegen seiner starken analgetischen Wirkung geschätzt. Es ist allerdings verschreibungspflichtig. Auch das in Internetforen hochgelobte Policresulen wirkt zuverlässig antiseptisch. Allerdings ist das entsprechende Fertigarzneimittel (Albothyl® Konzen­trat) nur für die vaginale Anwendung zugelassen. Zur Behandlung von Aphthen gibt es keine Indikation.

 

Ein neuer Trend in der Aphthen-Behandlung sind Wirkstoffe, die sich wie unsichtbare Pflaster auf die wunden Stellen im Mund legen. So ergänzt seit kurzer Zeit ein Wirkstoff, der eher aus der Schönheitspflege bekannt ist, die Therapiemöglichkeiten: die Hyaluronsäure (etwa BloXaphteTM). Sie legt sich wie ein Film über die schmerzenden Bläschen und gewährt damit einen gewissen Schutz vor weiterer Reibung durch Zahnersatz oder Nahrungsaufnahme. Hyaluronsäure fördert die Zell­erneuerung, weshalb eine schnellere Abheilung der Läsionen zu erwarten ist. Einen ähnlich abdeckenden Effekt hat auch eine Fixkombination mit hämodialysiertem Kälberblut und Macrogol (Solcoseryl®).

 

Mit einem Wirkstoffkomplex, der unter anderem Sulfonsäureverbindungen und Schwefelsäure enthält, arbeitet Oralmedic®. Er hat eine regelrecht ätzende Wirkung. Nekrotisiertes Gewebe stößt sich daraufhin ab, und der Heilungsprozess wird forciert. Die entstehende Wundkruste trennt die Aphthe vom übrigen Mundmilieu und fungiert somit auch als eine Art Pflaster. Die einmalige Anwendung reicht aus, derart gründlich verrichtet der Wirkstoffkomplex seine Arbeit. Allerdings schmerzt die betupfte Stelle während des Auftragens erheblich. Vor der Abgabe sollten sich Apotheker mit der Handhabung vertraut machen, denn es gibt einiges zu beachten: Das mit dem Wirkstoffkomplex fertig befüllte Wattestäbchen muss vor der Anwendung an der Markierung abgeknickt werden, sodass die Wirkstoffe zur gegenüberliegenden Seite des Applikators fließen können, damit die Wattespitze mit Flüssigkeit getränkt wird./

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