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Wahlprogramme

Gesundheit im Fokus

09.08.2017  09:45 Uhr

Von Stephanie Schersch / Mitte September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Im Wahlkampf setzen die Parteien auch auf gesundheitspolitische Themen. Die PZ fasst die wichtigsten Positionen der einzelnen Parteien zusammen.

Wie erwartet verspricht die Union in ihrem Wahlprogramm ein Rx-Versandverbot. »Die Versorgung durch ein ortsnahes Apothekenangebot werden wir sichern, indem wir den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten«, schreiben CDU und CSU.

 

Grundsätzlich setzten die Schwesterparteien auf eine bessere Vernetzung aller Akteure in Medizin und Pflege. Um Krankenhäuser zu stärken, sollen etwa Tarifsteigerungen in der Vergütung der Kliniken künftig mehr Berücksichtigung finden.

 

Darüber hinaus soll ein sogenanntes Nationales Gesundheitsportal wissenschaftlich abgesicherte Informationen bündeln und den Patienten im Internet zur Verfügung stellen. Im Kampf gegen resistente Erreger spricht sich die Union für mehr Forschung zur Entwicklung neuer Antibiotika und Untersuchungsmethoden aus. Die Gesundheitswirtschaft lobt sie als überaus leistungs­fähig. Daher wollen die Parteien den Sektor weiter ausbauen.

 

Die CSU hat ihre Positionen noch einmal gesondert im sogenannten Bayernplan zusammengefasst. Darin wiederholt die Partei das Bekenntnis zur Beschränkung des Versandhandels auf OTC-Produkte. Zudem stellen sich die Christsozialen hinter die Landapotheken. Man wolle sicherstellen, »dass Apotheken auch außerhalb der Ballungsräume existieren können«, heißt es.

Die Sozialdemokraten widmen den Apothekern genau einen Satz in ihrem Wahlprogramm. »Die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker muss in die Versorgungsstrukturen effizient mit eingebunden werden«, heißt es recht allgemein. Was genau die Partei sich darunter vorstellt, verrät sie allerdings nicht. 

Für die gesamte medizinische Versorgung fordert sie eine integrierte Bedarfsplanung. Erklärtes Ziel ist ein gleichbleibend hohes Versorgungsniveau in der Stadt und auf dem Land.

 

Kernstück sozialdemokratischer Gesundheitspolitik ist die Einführung einer Bürgerversicherung. Alle gesetzlich Versicherten werden darin automatisch aufgenommen, ebenso Beamte sowie all diejenigen, die erstmals eine Krankenversicherung abschließen wollen. 

Wer privat versichert ist, kann selbst entscheiden, ob er wechseln möchte. Zugleich will die SPD eine einheitliche Honorarordnung für Ärzte schaffen. Für chronisch Kranke fordert die Partei weniger Zuzahlungen, mehr Unterstützung soll es zudem bei Zahnersatz und Sehhilfen geben.

 

Handlungsbedarf sieht die SPD auch mit Blick auf die Arzneimittelpreise. Diese müssten stets auch ethisch vertretbar sein, wie es im Wahlprogramm heißt. »Deshalb soll auch in Zukunft immer wieder neu bestimmt werden, ob neue Medikamente sicher und notwendig sind – und zu welchen Preisen sie solidarisch finanziert werden.«

 

Die Linke beschäftigt sich in ihrem Wahlprogramm recht ausführlich mit der Arzneimittelversorgung. Dabei stellt sie sich hinter die inhabergeführte Apotheke. In Zukunft soll demnach der heilberufliche Charakter des Apothekerberufs wieder stärker im Vordergrund stehen. »Deswegen lehnen wir Apothekenketten, erst recht in der Hand von Aktiengesellschaften, ab«, heißt es. Den Versandhandel mit Arzneimitteln will die Partei »so weit wie möglich begrenzen«. Rabattverträge und Hilfsmittelausschreibungen sollen pauschal abgeschafft werden.

Arzneimittelpreise will die Partei künftig direkt ab Zulassung deckeln. Da sie Arzneimittelforschung als öffent­liche Aufgabe wertet, soll es keine Paten­te auf Medikamente und Therapieverfahren mehr geben. Darüber hi­naus fordern die Linken eine Positivliste für Arzneimittel.

 

Um mehr junge Mediziner aufs Land zu locken, kann sich die Partei neue Versorgungsformen wie Patientenbusse und Teilzeitpraxen vorstellen. Zudem sollen integrierte Lösungen wie Versorgungszentren und Kooperationen dafür sorgen, dass auch Apotheken, Physiotherapeuten und Hebammen in der Fläche erhalten bleiben.

 

Wie die SPD fordern die Linken in der Krankenversicherung einen grundlegenden Systemwechsel und setzen auf die sogenannte solidarische Gesundheitsversicherung. Sie soll alle Bürger aufnehmen, auch die bislang privat Versicherten. Zur Finanzierung werden zusätzlich Kapitaleinkommen und Gewinne herangezogen, eine Beitragsbemessungsgrenze gibt es nicht. Mithilfe der zusätzlichen Einnahmen will die Partei alle Zuzahlungen abschaffen.

 

Auch bei den Grünen hat die Einführung einer Bürgerversicherung oberste Priorität. Alle Bürger, also auch bislang privat Versichere, sollen einbezogen werden, Beiträge will die Partei auch auf Aktiengewinne und Kapitaleinkünfte erheben. Selbstbeteiligungen wie etwa Zuzahlungen auf Arzneimittel sollen im Gegenzug wegfallen.

Darüber hinaus wollen die Grünen die Gesundheitsvorsorge stärken. Der Infektionsschutz soll über freiwillige Beratungen und mehr Informationen ausgebaut werden, »auch im Interesse derjenigen, die nicht geimpft werden können«, wie es heißt. Bei Behandlungsfehlern sollen Patienten künftig Unterstützung aus einem Härtefallfonds erhalten. Um die Versorgung in strukturschwachen Regionen voranzubringen, sollen Kommunen und Regionen mehr Einfluss bekommen und etwa die Gründung lokaler Gesundheitszentren vorantreiben.

 

Detaillierte Positionen zur Arzneimittelversorgung und zum Apothekenmarkt sucht man im Wahlprogramm der Grünen allerdings vergeblich. Dabei hatten sie sich zuletzt etwa in der Debatte um das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung deutlich positioniert. So hatte die Partei ein Höchstpreismodell ins Spiel gebracht, um Chancengleichheit zwischen ausländischen Versendern und deutschen Apotheken wiederherzustellen. Apotheker dürften dann nur nach unten von zuvor festgesetzten Maximalpreisen für Rx-Präparate abweichen.

 

Sehr deutlich lehnt die FDP in ihrem Wahl­programm ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel ab. Jeder Patient soll frei wählen können, von wem er seine Medikamente bezieht, heißt es dazu. Recht allgemein fordern die Liberalen »faire Rahmen­bedingungen zwischen inländischen Apotheken und in- und ausländischen Versandapotheken«. Darüber hinaus möchte die Partei den Apothekenmarkt stärker öffnen und das Fremdbesitzverbot abschaffen.

 

Auf der anderen Seite sollen neue Abrechnungsmöglichkeiten für besondere Leistungen wie die individuelle Beratung die inhabergeführte Apotheke vor Ort stärken. Auch einen Sicherstellungszuschlag für Apotheken in abgelegenen Regionen kann sich die FDP vorstellen.

 

Das Nebeneinander von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung ist den Liberalen sehr wichtig. Reformbedarf sehen sie allerdings in beiden Systemen. So wünscht sich die Partei mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen, die künftig etwa mehr Spielraum für individuelle Verträge mit Leistungserbringern erhalten sollen. Alle privaten Versicherer sollen auf der anderen Seite bei einer Öffnung des Marktes verpflichtet werden, jeden Antragsteller im Basistarif zu versichern. Die Budgetierung will die FDP grundsätzlich abschaffen. Vielmehr sollten Behandlungskosten und Leistungsumfang transparenter werden und Patienten verstärkt selbst über Behandlungen entscheiden können, heißt es. »Dazu sollen sie die freie Wahl zwischen verschiedenen Tarifen und Selbstbeteiligungen haben.«

 

Die Alternative für Deutschland bleibt in ihren gesundheitspolitischen Aussagen sehr vage. Die Finanzierung des Gesundheitswesens sieht die Partei durch politische Fehlentwicklungen bedroht. So liefen die Kosten der Krankenkassen für Migranten und Flüchtlinge »aus dem Ruder«. Aufgrund der europäischen Zinspolitik könnten private Versicherungsunternehmen zudem keine stabilen Rücklagen mehr bilden. Was die AfD dagegen tun möchte, verrät sie allerdings nicht.

 

Um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, sollen Kommunen und Bundesländer für Mediziner mehr Anreize schaffen, sich mit einer Praxis auf dem Land niederzulassen. Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in Krankenhäusern will die AfD über einen Mindestpersonalschlüssel verbessern. Sogenannte Portal-Praxen sollen darüber hinaus die häufig überfüllten Notfallambulanzen der Kliniken entlasten. Dort sollen niedergelassene Ärzte Patienten ohne akuten Behandlungsbedarf betreuen. Grundsätzlich sollten Ärzte und Therapeuten nach Meinung der AfD ihre Ausbildung möglichst in Deutschland absolviert haben oder zumindest gut deutsch sprechen.

 

Skeptisch zeigt sich die Partei mit Blick auf die elektronische Gesundheitskarte (EGK). Zwar kann sie sich vorstellen, dass ein Notfalldatensatz direkt auf der Karte hinterlegt wird. Die Speicherung sensibler Gesundheitsdaten auf einer zentralen Datenbank, auf die über die EGK zugegriffen werden könnte, lehnt sie jedoch entschieden ab. Alternative Behandlungsformen betrachtet die AfD als sinnvolle Ergänzung akutmedizinischer Methoden, sofern bestimmte Qualitätsstandards eingehalten werden. /

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