Pharmazeutische Zeitung online
Kaffee

Das Gute in der Bohne

01.08.2016  13:41 Uhr

Von Karen Nieber / Samba, Fußball und Kaffee: Dafür ist Brasilien weltberühmt. Tatsächlich ist das südamerikanische Land der Gigant unter den Kaffeeproduzenten. Es liefert rund ein ­Drittel der Weltproduktion. Dass das weltweit beliebte Genussmittel auch die Gesundheit fördern kann, zeigten große Studien in den vergangenen Jahren.

Viele Wirkungen der Inhaltsstoffe des Kaffees sind an Zellkulturen oder in tierexperimentellen Modellen untersucht. In den letzten Jahren wurden aber auch vermehrt klinische Studien und Metaanalysen zu Wirkungen des Kaffees bei altersbedingten Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Lungenerkrankungen, zu Auswirkungen auf das Nervensystem wie Demenz und Schmerz und sogar auf die Mortalität publiziert. Auch zum Kaffeegenuss in der Schwangerschaft oder zu geschlechtsspezifischen Wirkungen gibt es neue Erkenntnisse. Die Daten zu den langfristigen Auswirkungen regelmäßigen Kaffeekonsums zeichnen ein für viele überraschendes, oft allerdings nicht einheitliches Bild. Trotzdem glauben durch die neuen Studien vor allem Ärzte immer mehr an das Gute in der Bohne.

 

Streitthema Herz-Kreislauf-System

Viele ältere multimorbide Menschen verzichten vorsorglich auf ihre Tasse Kaffee, weil sie unsicher sind, ob sie ihrem Körper damit schaden. Diese Annahme scheint nicht mehr berechtigt zu sein. Allein durch regelmäßiges Kaffeetrinken soll das Sterberisiko verringert und die Lebenserwartung erhöht werden.

 

Im Jahr 2012 wurden die Ergebnisse einer groß angelegten Langzeitstudie des amerikanischen Gesundheitsministeriums veröffentlicht (1). Hier wurden 14 Jahre lang mehr als 400 000 Menschen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren untersucht. Das aufsehenerregende Ergebnis: Männer, die täglich sechs oder mehr Tassen Kaffee tranken, hatten eine um 10 Prozent geringere Sterblichkeitsrate. Bei Frauen sank das Risiko sogar um 15 Prozent. Das Ergebnis dieser viel diskutierten, teilweise kritisierten epidemiologischen Untersuchung wird durch eine Metaanalyse unterstützt, in der 20 prospektive Kohortenstudien mit einer Follow-up-Periode ausgewertet wurden (2). Regelmäßiger Kaffeegenuss soll nach diesen Untersuchungen lebensverlängernd wirken.

 

Auch das Risiko, an Alterskrankheiten wie KHK, Schlaganfall, Lungenkrankheiten oder Diabetes zu sterben, ist bei Kaffee trinkenden Männer und Frauen reduziert (2). Dieser positive ­Effekt wurde insbesondere durch eine Abnahme von Todesfällen mit kardiovaskulärer Ursache bewirkt (3, 4). Allerdings liefern die Studien zur Wirkung von Kaffee auf Blutdruck, Herzfrequenz und Infarktrisiko sehr unterschiedliche Ergebnisse.

 

Wie reagiert der Blutdruck?

 

Zum Einfluss von regelmäßigem Kaffeegenuss auf den Blutdruck wurde 2012 eine umfangreiche Metaanalyse publiziert (5), in der mehr als 600 Stu­dien ausgewertet wurden. Insgesamt ergab sich kein signifikanter Effekt von Kaffee auf den Blutdruck. Da aber das Evidenzniveau der Studien sehr unterschiedlich war, machen die Autoren in der Diskussion keine klare Aussage, ob Kaffee Einfluss auf den Blutdruck hat – oder ob nicht.

 

Die Frage, ob bei regelmäßigem Genuss von Kaffee eine andere Wirkung zu erwarten ist als bei gelegentlichem Konsum, wurde in einer Studie zur Wirkung von Espresso auf Herzfrequenz und Blutdruck untersucht. Nur bei Personen, die normalerweise keinen Espresso trinken, erhöhte sich kurzfristig der systolische Blutdruck (6).

 

Zu einem anderen Ergebnis kommt eine placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 24 jungen Teilnehmern (15 bis 16 Jahre alt, 2 mg/kg Coffein für acht Wochen). Hier reagierten männliche Teilnehmer nach Einnahme von Coffein mit einer geringeren Zunahme der Herzfrequenz als die weiblichen. Die jungen Frauen hatten einen erhöhten Anstieg des diastolischen Blutdrucks. Hinsichtlich des systolischen Blutdrucks war in beiden Gruppen kein Einfluss nachweisbar. Da die geschlechtsspezifischen Unterschiede nur bei postpubertären Teilnehmern gefunden wurden und auch der Mens­truationszyklus das Ausmaß der Ver­änderung von Herzfrequenz und Blutdruck veränderte, wird ein Einfluss der Sexualhormone, besonders des Cytochrom-P450-Enzym hemmenden Estradiols diskutiert (7).

 

Anders scheint die Situation bei ­alten Menschen zu sein. Nach einer Langzeituntersuchung erhöhte sich der systolische Blutdruck bei Männern über 70 Jahren und einem BMI von mehr als 30 durch Kaffeegenuss auch langfristig. Bei Frauen wurde dieser Zusammenhang nicht beobachtet (10).

 

Etwas problematisch ist die Wirkung bei Hypertonikern. Eine Meta­analyse bestätigt einen moderaten ­Anstieg des Blutdrucks für circa drei Stunden bei Hypertonikern (systolisch 8,1 mmHg, diastolisch 5,7 mmHg). Ein Langzeiteffekt konnte nicht nachgewiesen werden (8). Über ein gegentei­liges Ergebnis berichtet eine Studie aus Italien (9).

 

Trotz zum Teil gegenteiliger und ­geschlechtsabhängiger Ergebnisse erklären die Autoren von zwei neuen ­Reviews: Aus ihrer Sicht bestehe kein Anlass, Personen mit erhöhtem Blutdruck zu raten, auf Kaffee in vernünftigem Maß (bis zu vier Tassen pro Tag) zu verzichten (11, 12).

Exportschlager aus Brasilien

Kaffee ist eines der wichtigsten Welthandelsgüter und Brasilien mit weitem Abstand der Spitzenreiter unter den Anbauländern. 2014/2015 produzierte das südamerikanische Land geschätzt 45,3 Millionen Sack Rohkaffee (zu je 60 kg), gefolgt von Vietnam mit 27,5 Millionen und Kolumbien mit 12,5 Millionen. Die Brasilianer lieben ihr Getränk heiß und innig: 21 Millionen Sack Rohkaffee wurden 2014 im eigenen Land konsumiert.

 

Der deutsche Kaffeemarkt ist der drittgrößte der Welt. Nur in den USA und in Brasilien wird mehr Kaffee verkauft. Brasilien ist der Hauptlieferant für Kaffee in deutschen Tassen. 2014 importierte Deutschland 6,32 Millionen Säcke aus diesem Land; das ist mehr als ein Drittel seines Kaffee-­Imports.

 

Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. Statistisch gesehen trinkt jeder Bürger 162 Liter im Jahr – mehr als Heil- und Mineralwässer zusammen (143,5 Liter) und deutlich mehr als Bier (107 Liter). Immerhin steht in fast 85 Prozent der Haushalte eine Kaffeemaschine. Der Marktanteil von Kaffees aus nachhaltig zertifiziertem ­Anbau, die auf der Verpackung auch als solche gekennzeichnet sind, wird auf etwa 8 Prozent geschätzt.

 

Das schwarze Getränk hat sogar einen eigenen Feiertag. In Deutschland findet der »Tag des Kaffees« am 1. Oktober 2016 bereits zum 11. Mal und erstmals zusammen mit dem neu geschaffenen »International Coffee Day« statt.

 

Quelle: Deutscher Kaffeeverband

Kein Problem für den ­Herzrhythmus

 

Nicht nur der Einfluss von Kaffee auf den Blutdruck, sondern auch auf den Herzrhythmus wird kontrovers diskutiert (13, 14). Daher bekommen Menschen mit Herzrhythmusstörungen häufig die Empfehlung, auf dieses Getränk zu verzichten. Dies konnte durch einige neuere Studien widerlegt werden.

 

Die bislang größte Prospektivstudie über den Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Risiko eines Vorhofflimmerns liefert keinen Beweis, dass hoher Kaffeekonsum das Risiko für Vorhofflimmern erhöht. Im Gegenteil: Die Studie deutet darauf hin, dass Kaffee sich positiv auswirken kann (15, 16).

 

Dieses Ergebnis ist bedeutungsvoll, da Herzrhythmusstörungen zu den ­Risikofaktoren für einen Schlaganfall gehören. Der Schutz vor Herzrhythmusstörungen könnte eine Erklärung für das geringere Risiko von Schlag­anfällen bei Kaffeetrinkern sein, das in mehreren Studien nachgewiesen wurde (17, 18). Eine weitere mögliche Ursache erkannten japanische Forscher. Sie bewiesen, dass Coffein die Funktion der Endothelien in den kleinsten Blutgefäßen verbessert (19).

 

Heterogene Studien zu den Blutfetten

Sehr unterschiedlich sind die bisherigen Erkenntnisse zum Einfluss von Kaffee auf Blutfette und damit auch auf das Atherosklerose-Risiko. Ein Review aus dem Jahr 2015 (20) diskutiert einen möglichen positiven Effekt der im Kaffee enthaltenen Polyphenole auf den Cholesterol-Haushalt. Sie sollen den ABCA1-Transporter stimulieren, ein Membranprotein, das im Rahmen des reversen Cholesteroltransports Cho­lesterol aus dem Zytosol an die Zell­oberfläche transportiert (Cholesterol-Efflux). Dadurch wird mehr überschüssiges Cholesterol ausgeschieden.

 

Kaffee könnte demnach vor Atherosklerose schützen, vermuten die Autoren des Reviews. Dies soll allerdings nur für Filterkaffee gelten. Ungefilterter Kaffee enthält im Gegensatz dazu im Kaffeeöl Diterpene wie Cafestol und Kahweol, die den Cholesterolspiegel ansteigen lassen. Allerdings fand eine Studie aus Italien (14 863 Männer; 32 158 Frauen) keinen signifikanten Einfluss von Espresso und Mocca (Italien-Art) auf die Plasmakonzentration von LDL, HDL und Triglyceriden (21). Auch hier ist also die Datenlage sehr heterogen, sodass bislang keine endgültige Aussage möglich ist.

 

Auf eine andere Ursache deuten Ergebnisse einer ersten kleinen Studie aus Deutschland hin, in der bei 84 gesunden Männern DNA-Strangbrüche in Leukozyten untersucht wurden (22). Probanden, die 750 ml Kaffee pro Tag tranken, hatten schon nach vier Wochen deutlich weniger Strangbrüche im Erbgut als abstinente Teilnehmer. Auf welche Weise die DNA geschützt wird und welche Inhaltsstoffe dafür verantwortlich sind, müssen weitere Studien zeigen. Ob diese Wirkung dauerhaft anhält, wollen die Forscher in Studien mit einer deutlich größeren Zahl von Männern und Frauen herausfinden. Falls sich die Ergebnisse bestätigen, könnte diese Wirkung zum positiven Effekt von Kaffee auf das Herz-Kreislauf-­System beitragen.

Neues zu Kaffee und Sodbrennen/Reflux

Bei einigen Menschen verursacht starker Kaffeekonsum Magenprobleme, da das Genussmittel, unabhängig vom Coffeingehalt, die Säurebildung im Magen anregt. Daher wird Patienten mit Magenproblemen häufig empfohlen, den Konsum einzuschränken.

 

Der Zusammenhang zwischen Kaffee und Dyspepsie oder Sodbrennen wurde in zahlreichen Studien untersucht. Während die Ergebnisse aus älteren Studien teilweise widersprüchlich sind oder zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen (53), konnten neuere Studien keinen Zusammenhang zwischen Reflux oder Sodbrennen und Kaffeekonsum finden (54, 55, 56). Jeder muss also selbst herausfinden, was er verträgt.

Kann Kaffee vor Diabetes schützen?

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufig mit Typ-2-Diabetes assoziiert. Frühere Untersuchungen wiesen bereits auf einen Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und einem geringeren Diabetes-Risiko hin. So die Daten aus der EPIC-Deutschland-Studie, an der mehr als 42 600 Menschen teilnahmen (23). Personen, die täglich mehr als vier Tassen Kaffee tranken, hatten im Vergleich zu denen, die durchschnittlich weniger als eine Tasse zu sich nahmen, ein verringertes Risiko für Typ-2-Diabetes.

 

Der Konsum von entcoffeiniertem Kaffee scheint die gleiche Wirkung zu haben. Dafür sprechen zwei Untersuchungen (24, 25). Wie der schützende Effekt zustande kommt, ist nicht geklärt. Diskutiert wird, ob vor allem coffeinhaltiger Kaffee die Insulin­sensitivität verbessert, wie es einige Studienergebnisse nahelegen (26, 27).

 

Vorsicht ist geboten bei Patienten mit manifestem Diabetes, denn die Studienlage ist bisher widersprüchlich. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass 200 mg Coffein bei bestehendem Diabetes die Insulinsensitivität um 18 Prozent verminderten und die Blut-Glucosekonzentration um 19 Prozent (berechnet aus der AUC) erhöhten (28).

 

Ebenso ist fraglich, ob Kaffee bei ­bereits erhöhtem Blutzucker einer Verschlechterung der Glucose-Toleranz entgegenwirken kann. Auch hierzu liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Eine randomisiert-kontrollierte Studie untersuchte den Effekt von längerfristigem Konsum (acht Wochen) von entcoffeinierten und coffeinhaltigen Kaffees und fand eine Erhöhung von Adiponectin durch coffeinhaltigen Kaffee, aber keine Veränderungen im Glucose-Metabolismus. Adiponectin erhöht die Empfindlichkeit der Zielzellen für Insulin. Entcoffeinierter Kaffee hatte keinen Einfluss gegenüber der Kontrollgruppe. Das Ergebnis ist bisher nicht bestätigt; eine andere Studie fand ­diesen Effekt nicht (29).

 

Weitere Studien sind erforderlich, um die Wirkung von Kaffee bei manifestem Diabetes zu klären. Auch der Mechanismus einer möglichen Wirkung ist bisher nicht umfassend geklärt. Es scheint, dass nicht nur Coffein, sondern auch Chlorogensäure und weitere Inhaltsstoffe eine Rolle spielen. Sie beeinflussen möglicherweise unmittelbar die Glucoseaufnahme und die ­Hormonsekretion.

 

Widersprüchliches zur ­Demenzprävention

Schon seit Jahren studieren Forscher den Einfluss von Kaffee beziehungsweise Coffein auf das Demenzrisiko. Mehrere jüngere wissenschaftliche ­Untersuchungen stützen die Annahme, dass der längerfristige regelmäßige Genuss von Kaffee das Risiko reduzieren kann, an einer Demenz vom Alzheimer-Typ zu erkranken (30, 31, 32, 33).

 

Die Daten von 1445 Patienten aus der Italian Longitudinal Study on Aging sprechen jedoch dafür, dass Kaffee ungünstig auf das alternde Gehirn und die Entstehung von leichten kognitiven Beeinträchtigungen (mild cognitive impairment, MCI) wirken kann. Menschen, die im Lauf der Studie viel Kaffee tranken, hatten ein doppelt so hohes Risiko, MCI zu entwickeln als jene, die nur eine bis zwei Tassen Kaffee am Tag konsumierten (34).

 

Als Ursache der Wirkung auf Neurone vermuten einige Autoren eine dosis­abhängig unterschiedliche Wirkung von Coffein an den Adenosin A2A-Rezep­toren. Allerdings scheint nicht Coffein allein verantwortlich zu sein, da in vitro auch Chlorogensäure und entcoffeinierter Kaffee die induzierte Apoptose an kortikalen Neuronen hemmt (35), also mehrere Inhaltsstoffe zur Wirkung beitragen können.

 

Kaffee gegen Schmerzen

Kaffee hat anerkanntermaßen akut analgetische Effekte bei Muskelschmerzen, die durch Sport verursacht werden (36), sowie bei Spannungskopfschmerzen und Migräne (37). Die additive oder synergistische Wirksamkeit von Coffein als Adjuvans in Analgetika-Kombinationspräparaten wurde nun in weiteren Studien belegt (38, 39).

 

Neben den klinischen Studien mit hohem Evidenzgrad wurden Metaanalysen veröffentlicht, in denen die Wirkung von Kombinationsarzneimitteln mit Coffein evaluiert wurde. Eine 2012 veröffentlichte Cochrane-Analyse mit 19 randomisierten Doppelblindstudien (insgesamt 7238 Patienten) ergab im direkten Vergleich, dass die Kombina­tion eines Schmerzmittels wie Paracet­amol, Acetylsalicylsäure (oder eine Kombination aus beiden) oder Ibuprofen mit Coffein (100 bis 130 mg) bei Kopf-, Zahnextraktions- oder Nachentbindungsschmerzen besser wirkt als das jeweilige Analgetikum allein (40). Die Ergebnisse aller Studien ergaben einen kleinen, aber signifikanten und klinisch relevanten Vorteil für die coffeinhaltigen Kombinationen. Die Aussage wurde durch eine neue Metaanalyse 2015 bestätigt (41).

 

Eine weitere Metaanalyse (fünf Studien mit 1051 Patienten) analysierte die Wirkung der Kombination von 200 mg Ibuprofen mit 100 mg Coffein bei postoperativen Schmerzen (42). Die ermittelte »number needed to treat« (NNT, 50 Prozent maximale Schmerzreduktion über vier bis sechs Stunden gegenüber Placebo) von 2,1 für eine erfolgreiche Schmerzlinderung liegt nach Einschätzung der ­Autoren im Bereich der besten verfügbaren Therapieoptionen bei diesen Schmerzen. Fixe Kombinationen aus Ibuprofen und Coffein sind derzeit in Deutschland nicht erhältlich. Offenbar gibt es aber bereits Studien zu 400/100 mg Ibuprofen/Coffein (Clinical Trials.gov Identifier: NCT01929031). Erste, als Poster veröffentlichte Ergebnisse zeigen einen günstigen Effekt bei Schmerzen nach Zahneingriffen (43).

 

In einer weiteren Studie wurde der Zusatz von Coffein zur Opioidtherapie bei Krebspatienten untersucht. Die ­Untersuchungen bestätigen, dass die zusätzliche Coffein-Infusion (200 mg für zwei Tage) signifikant die Schmerz­intensität gegenüber der Kontrollgruppe reduzierte. Der Effekt war klinisch nicht sehr bedeutsam. Die Autoren ­diskutieren aber selbst über Schwachpunkte der Studie. Es waren nur wenige Patienten (18 zu 20), es wurde nur eine Dosis an zwei Tagen verabreicht und alle klinischen Parameter konnten nicht bei allen Patienten erhoben werden (44). Diese Einschränkungen limitieren die Aussagekraft der Studie.

 

Insgesamt sprechen die Studien mehrheitlich dafür, dass der Zusatz von Coffein zu Schmerzmitteln einen nachweisbaren Zusatznutzen bringt (45). Ein Mehrgebrauch durch Coffein oder ein Medikamenten-induzierter Kopfschmerz sind bisher nicht bewiesen (46).

In der Schwangerschaft kein Tabu

Im Gegensatz zu Alkohol, von dem während der Schwangerschaft gänzlich abgeraten wird, gibt es bezüglich des Kaffeegenusses für Schwangere keine klaren Vorgaben. Die aktuellen Daten sind sehr unterschiedlich hinsichtlich des erhöhten Risikos für Fehl- oder Frühgeburt sowie für vermindertes Geburtsgewicht.

 

Eine norwegische Studie fand Hinweise, dass größere Mengen Coffein (mehr als sechs Tassen Kaffee pro Tag) zu einem verringerten Geburtsgewicht führen können (57). Das könnte zumindest bei Frühgeborenen eine Rolle spielen. Zu einem anderen Ergebnisse kam eine Studie mit fast 60 000 Schwangeren aus Norwegen und eine polnische Studie (300 mg/d Coffein, etwa drei Tassen Kaffee), in denen kein signifikantes Risiko nachgewiesen wurde (58, 59).

 

Aufgrund der Studienlage raten Gesundheitsbehörden Schwangeren nicht komplett vom Kaffeegenuss ab. Vielmehr empfiehlt man ihnen, eine Höchstmenge von 200 mg Coffein pro Tag nicht zu überschreiten (60).

 

Schutz für die Leber?

 

Die Leber spielt beim Stoffwechsel eine zentrale Rolle. Alkohol und Giftstoffe können ihre Zellen schädigen. Coffein wird fast ausschließlich in der Leber ­abgebaut. Dadurch bewirkt es eine ­Anreicherung von cyclo-AMP.

 

Dieser Botenstoff hemmt den ­Bindegewebs-Wachstumsfaktor CTGF (Connective Tissue Growth Factor), der den Umbau gesunder Leberzellen in funktionsloses Bindegewebe verantwortet.

 

Verschiedene empirische Studien (NHANES I bis III) der staatlichen amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) zeigten einen positiven Effekt von Kaffee auf eine bereits geschädigte Leber. Der Umbau des Organs von chronisch ­Leberkranken, die regelmäßig Kaffee tranken, nahm einen vergleichsweise milderen Verlauf, gemessen an den Enzymen Alanin-Aminotransferase (ALT), Alkalische Phosphatasen (ALP), Aspartat-Aminotransferase (AST) und Gamma-Glutamyltransferase (GGT) (47). Auch als der Einfluss verschiedener Risikofaktoren für hohe Leberenzymwerte wie hoher Body-Mass-Index, Rauchen, Diabetes, HBV- oder HCV-Infektion ­herausgerechnet wurde, blieb das posi­tive Ergebnis bestehen. Heilen könne man eine Lebererkrankung durch ­bloßes Kaffeetrinken nicht, aber der Verlauf lasse sich zumindest verzögern, betonen die Wissenschaftler.

 

Mehrfach wurde zudem ein Zusammenhang zwischen Kaffeegenuss und Schutz vor Leberkrebs beschrieben. Menschen, die täglich mehr als 600 ml (vier Tassen) Kaffee konsumierten, hatten im Vergleich zu Menschen, die ­weniger als die Hälfte tranken, ein um 75 Prozent vermindertes Risiko für ­Leberkrebs, ergab 2015 eine Untersuchung im Rahmen der europäischen Langzeiternährungsstudie EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) (48). Wie die Forscher feststellten, spielen besonders drei Biomarker für die Risikobeziehung zwischen Kaffeekonsum und Leberkrebs eine Rolle. Zu diesen zählt der ­Botenstoff Interleukin-6, der an der ­Regulation von Entzündungsreaktionen beteiligt ist, sowie die beiden ­Enzyme AST und GGT, die auf eine Schädigung der Leberzellen oder Gallenerkrankungen hinweisen.

 

Die Biomarkeranalysen sprechen dafür, dass es eine ursächliche Beziehung zwischen Kaffeekonsum und einem verminderten Leberkrebsrisiko gibt. Sie lassen zudem annehmen, dass das Getränk die Leber vor Entzündungen und Zellschäden schützt und so der Krebsentstehung entgegenwirkt. Es wird vermutet, dass sich schützende Effekte vor allem bei Frauen bemerkbar machen (49). Insgesamt deckten sich die Aussagen mit den Ergebnissen vieler anderer Beobachtungsstudien und Metaanalysen der letzten Jahre, teilte das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) in einer Stellungnahme mit.

 

Weitere experimentelle Studien an menschlichen Leberzelllinien und Tiermodellen bestätigen die positive Wirkung, die Kaffee zuvor in vielen epidemiologischen Studien zeigte (50, 51). Die Forscher führen die Wirkung auf Coffein zurück.

 

Kritische Wertung der ­Studienlage

Die Europäische Kommission hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) um eine Bewertung ersucht, nachdem eine Reihe von Mitgliedsstaaten gesundheitliche Bedenken gegenüber Coffein geäußert hatte, insbesondere im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem sowie mögliche Gesundheitsrisiken für Feten bei Schwangeren (52). Das Ergebnis kann in vier Punkten zusammengefasst werden:

 

 

  • Einzeldosen von Coffein bis 200 mg sind für Erwachsene (18 bis 65 Jahre) gesundheitlich unbedenklich.
  • Ungünstige Wechselwirkungen zwischen Coffein und anderen Inhaltsstoffen von »Energy-Drinks« wie Taurin und Glucuronolacton oder Alkohol sind unwahrscheinlich.
  • Bei Schwangeren ist eine Coffein-Aufnahme von bis zu 200 mg pro Tag für den Fetus unbedenklich.
  • Für Kinder (drei bis zehn Jahre) und Jugendliche (zehn bis 18 Jahre) wird eine tägliche Aufnahme von 3 mg/kg Körpergewicht als sicher angesehen.
     

Insgesamt kann man heute davon ausgehen, dass der moderate Genuss von Kaffee nicht mit einem erhöhten Risiko für chronische Erkrankungen verbunden ist. Daher spricht aus gesundheit­licher Sicht nichts dagegen, Kaffee zu trinken, wenn man ihn gut verträgt.

 

Sicher spielt das Coffein bei den Wirkungen eine wichtige Rolle, aber auch die anderen Inhaltsstoffe tragen dazu bei. Wie bei vielen Naturprodukten und pflanzlichen Arzneimitteln ist Kaffee ein strukturell und funktionell genuines Vielstoffgemisch. Die reine Analytik der Einzelkomponenten oder die Annahme, Kaffee sei einfach nur eine Ansammlung von Monosubstanzen, ergibt kein hinreichendes Funk­tionsbild. Die Effekte der Inhaltsstoffe ergänzen sich additiv oder synergistisch. Dieser Multi-Target-Effekt macht oftmals die Wirkung aus. Die synergistischen Wirkungen können sich auch beim Zusatz von Einzelstoffen wie Coffein zu Arzneimitteln positiv bemerkbar machen. /

 

Literatur bei der Verfasserin

Die Autorin

Karen Nieber studierte an der Technischen Hochschule in Magdeburg und arbeitete nach dem Diplom als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirkstoffforschung der Akademie der Wissenschaften und am Forschungsinstitut für Lungenkrankheiten und Tuberkulose in Berlin (Ost). 1981 wurde sie promoviert und erhielt 1990 die Promotion B für Experimentelle Biowissenschaften. Von 1991 bis 1995 war Nieber am Pharmakologischen Institut der Universität Freiburg tätig. Sie habilitierte sich 1994 im Fach Pharmakologie und Toxikologie und folgte 1995 einem Ruf auf den Lehrstuhl Pharmakologie für Naturwissenschaftler am Institut für Pharmazie der Universität Leipzig. Von 2002 bis 2009 war Professor Nieber Geschäftsführende Direktorin des Instituts. Sie wurde 2013 emeritiert und arbeitet freiberuflich als Referentin und Autorin. 2013 erschien ihr Buch »Schwarz und stark – Wie Kaffee die Gesundheit fördert«.

 

Professor (em.) Dr. Karen Nieber

Bahnhofstr. 8

39235 Gommern

E-Mail: nieber@rz.uni-leipzig.de

Mehr von Avoxa