Pharmazeutische Zeitung online

Marktversagen

22.07.2015  09:55 Uhr

Es lässt sich von Deutschland aus nicht eindeutig bewerten, wie effizient die griechischen Apotheken sind. Eines steht jedoch fest: Das Schicksal der griechischen Wirtschaft hängt nicht an den Rahmenbedingungen für Apotheken. Warum in dem Reformpaket für Griechenland ausgerechnet die Deregulierung der Arzneimittelversorgung gefordert wird, ist deshalb kaum zu verstehen (lesen Sie dazu Griechenland: Schwere Zeiten für Apotheker).

 

Es scheint, als hätten Mitglieder der EU-Kommission bei dem Griechenlandpaket die Gelegenheit einer Revanche für das Fremdbesitz-Urteil missbräuchlich ausgenutzt. Damals hatte der Europäische Gerichtshof das Fremdbesitzverbot als legitimes Instrument zur Regulierung der Arzneimittelversorgung anerkannt. Marktliberale Kräfte waren darüber ebenso überrascht wie erbost.

 

Das Reformpaket für Griechenland könnte nun die zweite Runde einläuten. In der Onlineausgabe des Managermagazins vom 20. Juli fordert Christian Hagist, die für Griechenland geforderte Liberalisierung gleich noch auf Deutschland zu übertragen. Apothekenpflicht oder Fremdbesitzverbot sind für ihn weitgehend sinnfreie Privilegien. Wer Lesen und Schreiben beherrsche, brauche über die Packungsbeilage hinaus keine Beratung vom Apotheker. Darauf einzugehen, lohnt nicht.

 

Vermutlich bleibt das Aufbegehren der Deregulierer ein Strohfeuer. Es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, dass gerade in Griechenland eine schöne neue Apothekenwelt entsteht. Sollte die Reform des Apothekenwesens überhaupt angegangen werden, wird sie früher oder später scheitern. Ein von außen verordnetes System, das kaum einer will, weil es nicht zur Kultur des Landes passt, hat keine Zukunft. Die Griechen haben auch wirklich größere Aufgaben vor sich, als Supermärkte oder Tankstellen mit OTC-Arzneimitteln zu beglücken.

 

Ein Blick nach Griechenland lohnt dennoch. Dort werden Medikamente immer knapper. Grund ist ein dramatisches Marktversagen. Parallelexporteure kaufen trotz der offensichtlichen Versorgungslücken im Land weiter Arzneimittel ein, weil die Preise extrem niedrig sind. Sie werden in wohlhabendere Staaten mit betuchten Patienten verkauft. Die griechische Regierung hat dies nun verboten. Sie verhindert so, dass sich die Situation für die Griechen weiter verschlechtert. Staatliche Eingriffe müssen nicht zwingend Teufelswerk sein.

 

Daniel Rücker 

Chefredakteur

Mehr von Avoxa