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Dermatologie

Diabetes zeichnet die Haut

18.07.2011  10:26 Uhr

Von Iris Hinneburg / Wenn Diabetes an die Haut geht, ist die Apotheke gefragt. Rund um Hautpflege, Hautinfektionen und kutane Nebenwirkungen von Antidiabetika bieten sich vielfältige Beratungsansätze. Nicht immer ist eine Selbstmedikation möglich, wenn die Hyperglykämie zu Hauterkrankungen führt.

Nach Schätzungen von Experten treten bei 30 bis 70 Prozent aller Menschen mit Diabetes im Krankheitsverlauf pathologische Hautveränderungen auf (16). Die Pathomechanismen sind noch nicht für alle diabetischen Hauterkrankungen geklärt. Diskutiert werden unterschiedliche biochemische Prozesse, die einen Beitrag zum Krankheitsgeschehen leisten.

Neben einer Steigerung des oxidativen Stresses werden bei Diabetes mellitus vermehrt proinflammatorische Gene und Transkriptionsfaktoren exprimiert. Auch Veränderungen in der extrazellulären Ma­trix und funktionelle Defizite an Proteinen treten auf. Dafür wird vor allem die nicht-enzymatische Glykierung der Proteine durch den erhöhten Glucosespiegel verantwortlich gemacht, die zur Bildung von AGE (advanced glycation end products) führt. Ebenso tragen eine Anreicherung von Sorbitol, die vermehrte Produktion von N-Acetylglucosamin und die Aktivierung von Isoformen der Phosphokinase C zur Entstehung von diabetischen Folgeschäden bei.

 

Für die diabetesbedingten Hauterkrankungen spielen unter anderem eine Verdickung der Basalmembran und eine veränderte Elastizität der Gefäßwände eine Rolle. Aber auch Schäden an Gefäßen und Nerven, die im Krankheitsverlauf häufig auftreten, sind beteiligt (15).

 

Bei der autonomen diabetischen Neuropathie sind häufig der mikrovaskuläre Blutfluss und die Funktion der Schweißdrüsen gestört. Zu Beginn ist die thermoregulatorische Schweißbildung vor allem an Armen und Beinen vermindert. Typisch ist ein »Handschuh und Strumpf«-Muster, wie es auch bei Nervenschädigungen auftritt, bei denen die Reizwahrnehmung verringert ist (sensomotorische Neuropathien). Mit Fortschreiten der neuropathischen Störung kann die Schweißbildung am gesamten Körper nachlassen (globale Anhi­drose). Typisch ist eine trockene Haut, die durch die fehlende Kühlfunktion des Schweißes überwärmt erscheint.

 

Allerdings kann auch eine übermäßige Schweißbildung auftreten. So bilden sich beim sogenannten gustatorischen Schwitzen nach dem Essen große Mengen Schweiß an Gesicht, Nacken und Brust. Die Pathophysiologie dieses Phänomens ist noch nicht vollständig geklärt (2).

 

Sensomotorische neuropathische Störungen führen dazu, dass Menschen mit Diabetes Druck durch unpassendes Schuhwerk oder Strumpfnähte nicht oder erst spät bemerken. In der Folge entstehen Druckstellen und Hyperkeratosen. Hornhautschwielen können die Entstehung von Hautschäden am Fuß begünstigen. Diese Läsionen sind Risikofaktoren für die Entwicklung eines diabetischen Fußes (auf diese komplexe Erkrankung wird hier nicht näher eingegangen). Mikro- und Makroangiopathien tragen ebenfalls dazu bei, dass Arme und Beine schlechter durchblutet werden und Wunden schlecht heilen (7, 9, 11).

 

Juckreiz hat viele Ursachen

 

Die trockene Haut führt bei Diabetes-Patienten häufig zu Juckreiz (Pruritus). 20 bis 40 Prozent aller Patienten leiden daran. Besonders häufig sind die Extremitäten betroffen. Neben dem diffusen Pruritus kann Juckreiz auch mit juckenden Papeln einhergehen. Etwa jede fünfte Frau mit Diabetes klagt über anogenitalen Juckreiz, der ohne äußeren Anlass, aber auch als Folge einer Genitalinfektion entstehen kann (4).

 

Um Juckreiz, Kratzen und kutane Folgeerkrankungen zu vermeiden, ist eine konsequente Hautpflege wichtig. Diese ist die erste und wichtigste Therapiemaßnahme (Kasten). Die Apotheke sollte W/O-Emulsionen empfehlen, die die Haut mit Feuchtigkeit versorgen. Zusätze von Harnstoff erhöhen die Wasserbindungsfähigkeit der Haut. Bei ausgeprägtem Juckreiz können vorübergehend topisch aufgetragene Glucocorticoide Linderung verschaffen (4).

Hautpflege bei nach (4, 9, 10)

Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz ist der Juckreiz häufig stärker ausgeprägt (urämischer Pruritus) und kann die Lebensqualität der Patienten deutlich mindern. Neben der trockenen Haut können eine Anämie sowie erhöhte Blutspiegel von Parathormon, Aluminium und Magnesium ursächlich am Juckreiz beteiligt sein (10). Deren Behandlung kann die Symptome verbessern. Auch der Einsatz von Capsaicin-haltigen Topika kann erwogen werden. Solche Fertigarzneimittel sind derzeit nicht auf dem Markt, allerdings kann die Apotheke Capsaicin-haltige Cremes als Rezepturarzneimittel anfertigen. Die NRF-Rezeptur-Datenbank enthält unter der NRF-ID 1099 entsprechende Hinweise.

 

Bei dialysepflichtigen Patienten kann eine Steigerung von Dialysedauer und -frequenz den Juckreiz verringern. Ob Medikamente helfen, ist bislang unzureichend untersucht. Antihistaminika scheinen nur eingeschränkt wirksam zu sein. In kleineren Studien zeigten sich positive Effekte für Gabapentin und Gamma-Linolensäure bei Patienten mit urämischem Pruritus. Diskutiert wird auch der Nutzen einer physikalischen Phototherapie mit UVB-Strahlung. Letztlich kann nur eine Nierentransplantation einen urämischen Pruritus nachhaltig beseitigen (10).

Die Apotheke sollte darauf achten, dass dermatologische Symptome ein Frühwarnzeichen für eine Diabetes-Erkrankung sein können (15). Denn Hautveränderungen durch den gestörten Kohlenhydratstoffwechsel können schon bei prädiabetischen Patienten, das heißt Menschen mit gestörter Glucosetoleranz (IGT, impaired glucose tolerance) oder erhöhten Nüchternblutzuckerwerten (IFG, impaired fasting glucose), auftreten.

 

Nahezu jeder dritte Patient soll bereits Hautsymptome haben, wenn der Diabetes erstmals diagnostiziert wird (4). Zu den häufigsten Erkrankungen zählen Hautinfektionen. Sie werden begünstigt durch die trockene Haut mit Neigung zu Einrissen, die mögliche Eintrittspforten für pathogene Mikroorganismen darstellen (14).

 

Befall mit Pilzen und Bakterien

 

Hautinfektionen stehen in enger Verbindung mit der Höhe des Blutzuckerspiegels. Bei Patienten mit gut eingestelltem Diabetes sind sie nicht häufiger als bei stoffwechselgesunden Menschen. Weitere prädisponierende Faktoren bei Diabetes sind eine gestörte Mikrozirkulation, Hypohidrose (verminderte Schweißbildung) und die Suppression der zellvermittelten Immunität, besonders bei Patienten mit einer Ketoazidose (16).

 

Achtung: Candida-Infektionen können das Erstsymptom eines bislang unerkannten Diabetes mellitus sein. Besonders häufig kommen Hefepilz-Infektionen im Genitalbereich vor. Bei Frauen entwickelt sich eine Vulvovaginitis, bei Männern eine Entzündung von Eichel und Vorhaut (Balanoposthitis candidomycetica), die sich mit Brennen und Juckreiz äußern. Auch in Hautfalten, etwa unter der Brust oder in der Leiste, können sich Candida-Infektionen manifestieren (Candidosis intertriginosa).

 

Während eine Vulvovaginalcandidose häufig auch bei stoffwechselgesunden Frauen auftritt, gelten die Balanoposthitis und Candidosis intertriginosa als Warnzeichen einer möglichen Diabetes-Erkrankung. Die Apotheke sollte Patienten mit diesen Beschwerden zum Arzt schicken, um eine Frühdiagnose zu ermöglichen. Eine primäre Selbstmedikation ist nicht vertretbar. Bei Candida-Infektionen in den Hautfalten werden am häufigsten Nystatin-haltige Dermatika eingesetzt; auch Azol-Antimykotika sind wirksam (5).

 

Die Stoffwechsellage bei Diabetes mellitus erleichtert auch Dermatophyten den Zutritt. So sind Fuß- und Nagelpilz bei Diabetikern häufiger als bei Stoffwechselgesunden. Onychomykosen und Tinea pedis sollten bei Diabetes-Patienten nicht in Selbstmedikation behandelt werden, da die Hautläsionen als Eintrittstellen für bakterielle Infektionen dienen können. Das gilt besonders dann, wenn bereits diabetische Folgeerkrankungen wie Neuropathien oder Makroangiopathien vorliegen, aus denen sich leicht ein diabetischer Fuß entwickeln kann (16).

 

Bakterielle Erreger können gerade bei Diabetes-Patienten zahlreiche Hauterkrankungen hervorrufen (Tabelle 1). Am häufigsten sind Corynebacterium minutissimum, Staphylococcus aureus und beta-hämolysierende Streptokokken an Hautinfektionen beteiligt. Erysipele (»Wundrose«) können bei Diabetikern leicht zu Blasenbildung und Nekrosen führen. Damit begünstigen sie die Entstehung einer diabetischen Gangrän, bei der typischerweise an den Füßen Gewebe abstirbt; häufig ist eine Amputation die Folge.

Tabelle 1: Bakterielle Verursacher von häufigen Hautinfektionen bei Diabetes mellitus; modifiziert nach (15)

Erreger Krankheitsbild
Staphylococcus aureus Follikulitis, Furunkel, Karbunkel, Impetigo contagiosa
β-hämolysierende Streptokokken Erysipel, Ecthyma
Corynebacterium minutissimum Erythrasma
gramnegative Bakterien gramnegativer Fußinfekt, Otitis externa maligna

Ein Erythrasma, eine Pseudomykose, entsteht in den Körperfalten und bevorzugt bei übergewichtigen Diabetes-Patienten. Die leicht schuppigen bräunlichen Läsionen sind scharf begrenzt. Sie werden üblicherweise topisch mit Azolen, etwa Clotrimazol oder Bifonazol, behandelt, die auch gegen Corynebacterium minutissimum wirksam sind. Auch Ketoconazol kann bei Erythrasma topisch eingesetzt werden, jedoch sind die verfügbaren Fertigarzneimittel für diese Indikation nicht zugelassen (4). Schwere Verläufe von bakteriellen Hauterkrankungen erfordern mitunter eine systemische Behandlung mit Antibiotika (16).

 

Häufige Hauterkrankungen

 

Bestimmte Dermatosen werden auffällig häufig bei Diabetikern gefunden (Tabelle 2). Sie treten aber nicht ausschließlich bei einer Störung des Glucosestoffwechsels auf. Experten sprechen von einer überhäufigen Assoziation.

Tabelle 2: Einige häufige Dermatosen bei Patienten mit Diabetes; modifiziert nach (13, 15)

Klinisches Bild Beispiele
Pigmentstörungen Vitiligo (1), diabetische Dermopathie (2), gelbliche Verfärbung von Haut und Nägeln
epidermale Differenzierungsstörungen Acanthosis nigricans benigna (2)
Erytheme Rubeosis faciei diabeticorum
Blasen Bullosis diabeticorum (1)
Atrophie und Nekrobiose (Vorstufe der Nekrose) Necrobiosis lipoidica (1), Granuloma anulare (2, ?)
Sklerosierung Skleroedema, Cheiroarthropathie, »diabetic thick skin syndrome«
Ablagerungsdermatosen Xanthome, Xanthelasmen, Calciphylaxie (2)

(1): assoziiert vor allem mit Typ-1-Diabetes; (2) assoziiert vor allem mit Typ-2-Diabetes; (?): Assoziation umstritten

Die diabetische Dermopathie ist eine Pigmentierungsstörung, die meistens an den Schienbeinen, manchmal auch an Unterarmen und Füßen auftritt. An den betroffenen Stellen zeigen sich schmerzlose braune atrophische Hyperpigmentierungen. An der Entstehung sollen Mikroangio- und Neuropathie beteiligt sein (4). Angaben zur Prävalenz der diabetischen Dermopathie schwanken stark und liegen zwischen 10 bis 70 Prozent der Diabetes-Patienten. Sie ist häufiger bei Männern, älteren Patienten und bei zunehmender Diabetesdauer (4, 8), kann sich aber auch bei Nicht-Diabetikern zeigen.

 

Wirksame Therapien sind nicht bekannt und nicht erforderlich. Gelegentlich bilden sich die Hyperpigmentierungen von selbst zurück (13). Einige Experten betrachten die diabetische Dermopathie als Marker für weitere diabetische Folgeerkrankungen (8).

Als epidermale Differenzierungsstörung wird die Acanthosis nigricans benigna (Pseudoacanthosis nigricans) angesehen, die in einer Studie bei 30 Prozent der Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes festgestellt wurde. Bei dieser Hauterkrankung entstehen bevorzugt in der Achselhöhle, am Nacken oder in der Leiste samtartige hyperkeratotische Bereiche von gelblicher, bräunlicher oder grauer Farbe. Die Hyperpigmentierung wird mit einer Insulinresistenz in Verbindung gebracht, wie sie auch bei starkem Übergewicht oder Endokrinopathien wie Akromegalie oder dem Cushing-Syndrom auftreten kann. Vermutlich fördert der erhöhte Insulinspiegel die Aktivierung von epidermalen Wachstumsfaktoren, die das Phänomen auslösen. Die dunkle Farbe entsteht durch eine Verdickung der Keratin-haltigen Epidermisschichten.

 

Abzugrenzen ist diese Hauterkrankung von der echten Acanthosis nigricans. Diese kann bei Neoplasien, besonders beim Adenokarzinom des Magens, als Hautmarker des Tumors auftreten.

 

Wenn die Hyperkeratosen keine Beschwerden verursachen, ist keine Behandlung nötig. Bei Komplikationen (Schmerzen, Nässen, Superinfektionen) oder auf Wunsch des Patienten kann der Arzt topisch Salicylvaseline in einer Konzentra­tion von 5 bis 10 Prozent verordnen, um die hyperkeratotischen Bereiche zu entfernen. Auch der lokale Einsatz von Retinoiden ist möglich. Die Acanthosis nigricans benigna kann sich zurückbilden, wenn sich die Insulinresistenz bessert. Mit diesem Hinweis kann die Apotheke den Patienten dazu motivieren, seinen Lebensstil zu ändern, Gewicht zu reduzieren und sich vermehrt zu bewegen (4, 13).

Glossar dermatologischer Fachbegriffe

Erysipel: Wundrose

Ecthyma: oberflächliches Hautgeschwür, »Lochschwäre«

Erythrasma: Pseudomykose der Haut, »Zwergflechte«

Impetigo contagiosa: Hautinfektion mit Bildung von Blasen und Krusten, »Eiterflechte«

Rubeosis faciei diabeticorum: Rötung (Erythem) der Gesichtshaut, ähnliche Erytheme können auch an Handinnenflächen und Fußsohlen entstehen

Xanthom: gutartige Geschwulst im Bindegewebe

Xanthelasma: gelbe bis rötliche Hauteinlagerung, häufig am Auge

Als Bullosis diabeticorum wird die spontane Bildung von großen schlaffen Blasen bezeichnet, die sich meist an den Beinen zeigen. Allerdings berichten Fallstudien auch vom Auftreten an Händen und Unterarmen (13). Die Blasen sind in der Regel schmerzlos, mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt und nicht entzündet. Der Pathomechanismus ist unbekannt. Die Hautveränderung tritt häufiger auf, wenn bereits eine diabetische Neuropathie oder Retinopathie besteht (4).

 

Die Bullosis diabeticorum betrifft etwa 0,5 Prozent der Patienten und ist häufiger bei Männern, bei länger bestehendem Diabetes sowie bei Typ-1-Diabetes. In der Regel heilen die Blasen innerhalb von zwei bis drei Wochen ab und hinterlassen keine Narben. Behandelt wird lediglich symptomatisch; bei Bedarf kann der Arzt die Flüssigkeit steril aus den Blasen ziehen. Dabei sind Sekundärinfektionen zu vermeiden (13).

 

Necrobiosis auch bei Diabetes

 

Wie stark die Necrobiosis lipoidica tatsächlich mit Diabetes assoziiert ist, ist unter Fachleuten umstritten. Berichtet wird jedoch, dass bei etwa einem Prozent der Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes rote linsengroße Papeln bevorzugt an den Schienbeinen entstehen, die sich im Verlauf von Monaten oder Jahren zu eingesunkenen sklerotischen Herden entwickeln. Die Vertiefungen können bis zu handtellergroß werden und verfärben sich typischerweise bräunlich-gelb. Gleichzeitig verdünnt sich die Haut, was das Risiko für chronische Wunden und Ulcera erhöht. Frauen sollen etwa dreimal häufiger betroffen sein als Männer.

 

Als Ursache wird eine Schädigung der hauteigenen Blutgefäße angesehen, die den Stoffwechsel des Bindegewebes stört. Verschiedene Mechanismen, darunter auch Immunprozesse, sollen diese chronischen Entzündungsprozesse in der Haut antreiben.

 

Die Necrobiosis lipoidica wird ebenfalls bei Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Hypertonie oder kutaner Sarkoidose beschrieben. Allerdings leiden zwei von drei Patienten mit der Hauterkrankung auch an Diabetes. Behandelt werden die verhärteten entzündeten Hautareale topisch mit Glucocorticoiden unter Okklusion. Wenn Ulcera auftreten, werden die Glucocorticoide in der Regel systemisch eingesetzt. In schweren Fällen kann eine operative Sanierung angezeigt sein (4).

 

Vitiligo als Markererkrankung

 

Bei der Vitiligo (»Weißfleckenkrankheit«) entstehen auf der Haut weiße, scharf begrenzte Flecken. Der Pathomechanismus ist noch nicht vollständig geklärt; jedoch gilt eine Beteiligung von autoimmunen Vorgängen als sehr wahrscheinlich.

Dermatologen betrachten die Vitiligo als Markererkrankung für Diabetes. Besonders bei Typ-1-Diabetes ist sie bis zu 10-mal häufiger als in der Normalbevölkerung. Frauen sind deutlich häufiger betroffen (4).

 

Die Therapie hängt individuell vom Patienten, dem Ausmaß und dem Verlauf der Erkrankung ab. Gängige Verfahren sind unter anderem die topische Applikation von Glucocorticoiden oder Calcineurin-Inhibitoren (Pimecrolimus, Tacrolimus) sowie die Phototherapie. Die Therapie kann sehr langwierig sein und ist nicht immer erfolgreich. Da das Melanomrisiko bei Vitiligo erhöht ist, sollte die Apotheke dringend einen ausreichenden Sonnenschutz empfehlen. Camouflage-Produkte zum Abdecken der weißen Hautstellen können für die Betroffenen ebenfalls eine wichtige Hilfe sein (12).

 

Bindegewebe betroffen

 

Bei Diabetes mellitus kann auch das Bindegewebe einschließlich der Sehnen erkranken. Typisch sind das Scleroedema diabeticorum (Sklerödem) und das Syndrom der eingeschränkten Gelenkbeweglichkeit (»limited joint mobility«).

 

Das Sklerödem mit Verdickungen der Haut typischerweise an Nacken, Rücken und Schultern tritt überwiegend bei älteren übergewichtigen Diabetikern auf. Die Prävalenz wird mit 2,5 bis 14 Prozent der Diabetiker angegeben (13).

 

Bei jüngeren Patienten mit Typ-1-Diabetes äußern sich Veränderungen des Bindegewebes in einer wachsartig verdickten Haut, die sogar die Gelenkbeweglichkeit reduzieren kann. Die häufigste Form ist die Cheiroarthropathie, bei der die Fingergelenke nicht mehr vollständig gestreckt werden können. Die Folge: Die Patienten können die Handflächen nicht mehr vollständig aneinanderlegen. Bis zu einem Drittel der Typ-1-Diabetiker soll betroffen sein, besonders häufig Patienten mit mikrovaskulären Folgeschäden wie Nephropathie, Neuropathie und Retinopathie (16). Auch Hautverdickungen an Händen und Fingern können mit zunehmender Dauer der Erkrankung auftreten. Spezifische Therapien sind nicht bekannt. Physiotherapeutische Übungen können aber die Beweglichkeit der Gelenke verbessern (4).

 

Ablagerungen in der Haut und gutartige Geschwulste (Xanthelasmen und Xanthome) entstehen typischerweise bei gleichzeitigen Hyperlipidämien. Ablagerungen von Calciumsalzen in der Haut (Calciphylaxien) können bei diabetischer Nephropathie mit Niereninsuffizienz auftreten (4).

 

Hautschäden durch Antidiabetika

 

Auch Nebenwirkungen von Antidiabetika können sich an der Haut manifestieren. Dies betrifft sowohl die oralen Antidiabetika als auch Insulin. Hier ist die Beratung in der Apotheke besonders wichtig, um die Therapietreue der Patienten nicht zu gefährden.

 

Bei der ersten Generation von Sulfonylharnstoffen (Chlorpropamid, Tolbutamid) traten bei 1 bis 5 Prozent der Patienten allergische Hautreaktionen wie makulopapulöse Exantheme, generalisiertes Erythem und Urtikaria (»Nesselsucht«) auf. Bei Sulfonylharnstoffen der zweiten Generation sind kutane Nebenwirkungen selten (13). Die Fachinformationen beschreiben vor­übergehende Überempfindlichkeitsreaktionen an der Haut bei 0,1 bis 1 Prozent der Patienten, die Glibenclamid und Gliquidon einnehmen. Bei Glimepirid und Gliclazid sind sie noch seltener. Da Überempfindlichkeitsreaktionen in Einzelfällen auch generalisieren können, sollten Diabetiker umgehend zum Arzt gehen, wenn sie Hautreaktionen beobachten.

 

Sulfonylharnstoffe können auch photosensibilisierend wirken. Bei der Abgabe sollte die Apotheke den Patienten auf die erhöhte Lichtempfindlichkeit hinweisen. Er sollte auf einen ausreichenden Sonnenschutz achten und ausgedehnte Sonnenbäder vermeiden (1).

 

Insulinpräparate können Allergien durch den Arzneistoff selbst oder durch Zusatzstoffe auslösen. Als Insuline noch aus tierischen Zellen isoliert wurden, traten Allergien bei fünf bis zehn Prozent aller Patienten auf. Bei Humaninsulinen oder Insulinanaloga sind anaphylaktische Reak­tionen sehr selten. Allerdings sind auch Unverträglichkeiten gegen Zusätze wie Protamin bekannt.

 

Lokale allergische Reaktionen an der Injektionsstelle äußern sich in der Regel im ersten Monat der Insulintherapie und betreffen weniger als ein Prozent der Patienten. Unmittelbar oder verzögert nach der Injektion treten erythematöse oder urtikarielle juckende Knoten auf. Ursache soll eine zellvermittelte Sensibilisierung sein. Bei allergischen Reaktionen kann ein Wechsel des Insulinpräparats mitunter Abhilfe schaffen (4, 6).

Beratung zur richtigen Insulininjektion

nur in Hautstellen ohne Anzeichen von Lipohypertrophie, Entzündung oder Infektion injizieren

Insulin auf Zimmertemperatur bringen, langsam injizieren und Nadel erst zehn Sekunden nach der Injektion herausziehen

Nadeln nur einmal verwenden

empfohlenes Rotationsschema: Injektionsstellen an Bauch, Oberschenkeln und Po in Quadranten unterteilen, jeweils eine Woche in einen Quadranten injizieren (Abstand der Injektionsstellen mindestens 1 cm), Quadranten im Uhrzeigersinn wechseln

nach (3)

Wenn Insulin wiederholt in die gleiche Hautstelle injiziert wird, kann sich ein Lipom entwickeln, eine sogenannte Lipohypertrophie. Die »Insulintumore« bestehen aus Fett und Bindegewebe und entstehen vermutlich durch die lipogene und anabole Wirkung von Insulin. Die Lipohypertrophie kann optisch stören, kann aber auch den Therapieerfolg beeinträchtigen: Wenn der Patient weiter in die gleiche Stelle injiziert, wird das Insulin ungleichmäßig resorbiert, was zu schwankenden Blutzuckerspiegeln führen kann (4).

 

Begünstigt wird das »falsche« Spritzen dadurch, dass Injektionen in Hautstellen mit Lipohypertrophie weniger schmerzhaft sind. Die Apotheke sollte den Patienten darauf hinweisen, dass er die Spritzstellen regelmäßig wechseln muss (15) (Kasten).

 

Lipome können sich im Verlauf mehrerer Monate zurückbilden, wenn in diese Areale nicht mehr gespritzt wird. Wenn Patienten längere Zeit in Hautstellen mit Lipohypertrophie injiziert haben, kann der Insulinbedarf bei Injektion in gesunde Hautstellen zurückgehen (3). Lipoatrophien, umschriebene eingesunkene Plaques an den Injektionsstellen, sind seit Einführung der rekombinanten Humaninsuline selten geworden (13).

 

Eine regelmäßige Inspektion der Injektionsstellen gehört zu den vierteljährlichen Routineuntersuchungen bei Menschen mit Diabetes. Die Apotheke sollte dem Patienten empfehlen, auch selbst auf die Injek­tionsstellen zu achten (3).

 

Lebensqualität erhalten

 

Ein Diabetes prägt die Haut. Veränderungen an diesem größten Organ können sich in vielfältigen Formen äußern und die Patienten spürbar beeinträchtigen. Besonders bei Hautinfektionen ist Vorsicht geboten: Menschen mit Diabetes sollten auf die Selbstmedikation verzichten und ärztlichen Rat einholen. Konsequente Hautpflege und die richtige Injektionstechnik bei der Insulinapplika­tion tragen dazu bei, Folgeschäden an und in der Haut zu vermeiden. Die kompetente Beratung in der Apotheke bietet nicht nur einen guten Service, sondern hilft mit, die Lebensqualität der Patienten zu erhalten. /

Literatur

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Die Autorin

Iris Hinneburg studierte Pharmazie an der Philipps-Universität, Marburg, und wurde an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, promoviert. Nach Tätigkeiten in Forschung und Lehre in Halle und Helsinki (Finnland) arbeitet sie heute freiberuflich als Medizinjournalistin. Ihr Schwerpunkt ist die pharmazeutische Fortbildung. Sie ist Autorin der Bücher »Beratungspraxis Diabetes mellitus« und »Beratungspraxis Schilddrüsenerkrankungen« und betreibt den pharmazeutischen Podcast »3 Minuten Fortbildung«.

 

Dr. Iris Hinneburg

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