Vaginales Mikrobiom beeinflusst Schutzwirkung |
12.07.2017 10:27 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe / US-amerikanische Forscher haben eine mögliche Erklärung dafür gefunden, warum eine HIV-Präexpositionsprophylaxe mit Tenofovir bei Frauen eine geringere Schutzwirkung hat als bei Männern. Die bakterielle Zusammensetzung der Vaginaflora hat nämlich einen erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit des Virostatikums, schreiben Forscher um Dr. Nicole Klatt von der University of Washington in Seattle im Fachmagazin »Science« (DOI: 10.1126/ science.aai9383).
Für ihre Untersuchungen griffen die Wissenschaftler auf die Daten der CAPRISA-004-Studie aus dem Jahr 2010 zurück. Die in Südafrika durchgeführte Untersuchung hatte erstmals gezeigt, dass ein 1-prozentiges Tenofovir-Vaginalgel im Vergleich zu Placebo das Risiko für eine Ansteckung mit HIV um 39 Prozent reduzieren kann. Das Team um Klatt analysierte die vaginale Flora von 688 Frauen, die damals an der Studie teilgenommen hatten.
Das anaerobe Bakterium Gardnerella vaginalis scheint Tenofovir schnell abbauen zu können.
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Bei knapp 60 Prozent der Frauen konnten die Forscher eine normale Keimbesiedelung mit hauptsächlich Milchsäure-Bakterien ausmachen. Hingegen fanden sich bei den übrigen 40 Prozent verstärkt die Bakteriengattung Gardnerella vaginalis sowie andere Anaerobier. Eine untypische Besiedelung der Vagina, vor allem mit Anaerobiern, ist der häufigste Auslöser für Entzündungen im Scheidenbereich (bakterielle Vaginose). Die Verschiebung hin zu einer ungesunden Keimbesiedelung ging mit einer deutlichen Reduzierung der Schutzwirkung vor HIV einher. Sie betrug bei Frauen mit untypischer Keimbesiedelung lediglich 18 Prozent. Hingegen war die Schutzwirkung bei Frauen mit gesunder, überwiegend Lactobacillus-basierter Flora mit 61 Prozent etwa dreifach höher.
In In-vitro-Versuchen konnten die Forscher belegen, dass tatsächlich Gardnerella vaginalis für den Verlust der Schutzwirkung verantwortlich ist. So nahm in einem Teströhrchen mit Gardnerella vaginalis die Tenofovir-Konzentration bereits nach vier Stunden um 50 Prozent ab. »Es scheint gerade so, als würde Gardnerella vaginalis das Virostatikum verschlingen«, sagte Seniorautor Dr. Adam Burgener von der University of Manitoba, Kanada, in einer Pressemitteilung. Die Ergebnisse gelte es bei neuen Mikrobizid-Studien zu berücksichtigen, so die Forscher. /