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GKV-Leistungen

Streit um Homöopathie

13.07.2010  16:35 Uhr

Von Daniela Biermann / Homöopathie ist in dieser Woche von einem akademischen zu einem politischen Streitthema geworden. Darf die Gesetzliche Krankenversicherung eine Therapie ohne nachgewiesenen Nutzen bezahlen?

Wissenschaftlich gesehen ist die Lage mittlerweile eindeutig: Die Homöopathie ist nicht wirksamer als ein Placebo. Darauf weisen alle systematisch anerkannten Studien der vergangenen Jahre hin. Daher hat nun der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, der Mediziner und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach, gefordert, dass Globuli und Tinkturen nicht mehr von der Gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden dürfen. Seit Verabschiedung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vor drei Jahren ist es den Krankenkassen erlaubt, Wahltarife anzubieten, zum Beispiel für alternative Heilmethoden. Die Krankenkassen selbst wollen die Homöopathie als Marketinginstrument nicht verlieren.

Die Reaktionen auf Lauterbachs For­derung fallen ähnlich heftig aus wie bei der Erhöhung der Zusatzbeiträge. Kritik kommt bereits aus den eigenen Reihen: »Herr Lauterbach vertritt da­mit eine Einzelmeinung«, sagte die SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Carola Reimann, der »Frankfurter Rundschau«. Auch die Union ist sich uneins. »Wenn die SPD will, können wir das sofort strei­chen, da es keinen wissenschaft­li­chen Nachweis für den Nutzen gibt«, sagte der gesundheits­politi­sche Sprecher der Union, Jens Spahn, gegenüber der »Bild«-Zeitung. Ba­den-Württembergs Sozialminis­terin Monika Stolz sieht dagegen in der Homöopathie ein Wettbewerbsele­ment und eine kostengünstige Ergän­zung, wie sie der Deutschen PresseAgentur (dpa) sagte. Der CSU-Sozialexperte Max Straubinger nannte die Diskussion in der »Passauer Neuen Presse« fehlgeleitet: »Wir stehen für einen umfassenden Leistungskatalog.«

 

Grüne und Linke wollen die Homöopathie-Anhänger unter ihren Wählern nicht verprellen. Grünen-Parteichefin Claudia Roth sagte, ein Verbot würde gerade Patienten treffen, die auf gesunde Lebensführung achten. Die Gesundheitsexpertin der Linken, Martina Bunge, sagte, auch ganzheitliche Ansätze seien nötig.

 

Und der Bundesgesundheitsminister? Philipp Rösler, selbst schulmedizinisch ausgebildet, äußerte sich der »Passauer Neuen Presse« gegenüber diplomatisch: »Grundsätzlich spricht nichts gegen Wahltarife, auch nicht bei der Homöopathie. Wenn eine Krankenkasse diesen Weg geht, kann und sollte ihr das nicht verwehrt werden.« Die Allgemeinheit dürfe aber nicht belastet werden. Man werde die Wahltarife insgesamt überprüfen.

 

Kritik kam naturgemäß von den Herstellern. »Krankenkassen haben diese Wahlleistungen in ihrem Katalog, weil Zehntausende von Patientinnen und Patienten mit der Homöopathie gute Erfahrungen gemacht haben, sie wünschen – und bereit sind, dafür zu bezahlen«, erklärte Barbara Sickmüller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) spricht von »Oppositionspopulismus«. Dies sei kein sorgfältiger Umgang mit den Interessen der Patienten und Versicherten. Wissenschaftliche Argumente führen die Hersteller indes nicht an.

 

Nur wenige nutzen Wahltarife

 

Generell ist die Homöopathie keine Kassenleistung. Die Krankenkassen haben jedoch die Möglichkeit, die Kosten für sogenannte Alternativtherapien zu übernehmen. In der Praxis bieten die Kassen ihren Versicherten entsprechende Wahltarife an. Zum Beispiel kostet einen 40-jährigen Versicherten der Techniker Krankenkasse der Tarif »TK Privat Natur-Arznei« etwa 80 Euro im Jahr. Gewählt haben diese Zusatzversicherung laut »Financial Times Deutschland« jedoch nur etwa 1000 von 7,5 Millionen Versicherten.

 

Die Barmer-GEK hat bundesweit Verträge mit Homöopathie-Ärzten abgeschlossen, die alle Versicherten ohne Zuzahlung nutzen können. Nach FTD-Angaben hat die Barmer-GEK im vergangenen Jahr etwa 2 Millionen Euro für Homöopathika ausgegeben, bei 4 Milliarden Euro Gesamtausgaben für Medikamente. Die Behandlungskosten der oft einstündigen Therapiesitzungen sind darin jedoch nicht enthalten. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie beziffert die Kassenausgaben für homöopathische Arzneimittel auf 0,06 Prozent der Arzneimittelkosten, basierend auf Herstellerabgabepreisen. / 

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