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Nagelpilzinfektionen

Sporen lauern überall

09.07.2007  14:20 Uhr

Nagelpilzinfektionen

Sporen lauern überall

Von Annette Immel-Sehr

 

Geduld und Gründlichkeit sind die Tugenden, die man braucht, um eine Nagelpilzinfektion wieder loszuwerden. Je eher die Therapie beginnt, desto besser. Doch viele Betroffene können die Symptome nicht richtig deuten und halten sie für ein rein kosmetisches Problem.

 

Pilzerkrankungen der Nägel haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Grund dafür ist wahrscheinlich der höhere Anteil alter Menschen in der Bevölkerung, denn gerade sie sind besonders häufig betroffen. Aber auch Leistungssportler und ambitionierte Breitensportler müssen sich relativ oft mit dieser lästigen Erkrankung herumschlagen. Eine Nagelpilzinfektion ist zwar ungefährlich, aber unangenehm. Eine Fingernagelinfektion kann recht unappetitlich aussehen und je nach Beruf ein kleines Handicap darstellen. Erkrankungen der Fußnägel können beim Gehen sehr schmerzhaft sein.

 

Die ersten Anzeichen einer Mykose sind Glanzlosigkeit des Nagels, weiße oder gelbliche Verfärbungen am Nagelrand, weißliche, gelbe oder grau-braune Flecken im Nagel und Verdickung der Nagelplatte. Im späteren Stadium zerbröckelt die Nagelplatte am vorderen Rand und an den Seiten und hebt sich schließlich vom Nagelbett ab.

 

Berichtet ein Patient über entsprechende Auffälligkeiten, sollte man ihm raten, einen Dermatologen aufzusuchen. Denn je eher die Therapie beginnt, desto höher ist die Erfolgsquote und desto kürzer die Behandlungsdauer.

 

Die Unterscheidung von anderen Nagelerkrankungen kann schwierig sein. So besteht beispielsweise eine Verwechselungsgefahr mit nicht-pilzbedingten Erkrankungen wie Nagelpsoriasis, Krummnagel, Krallnagel, Ekzemnagel oder Nagelfalzentzündung. Für die Diagnose ist ein Erregernachweis daher unverzichtbar.

 

Im Alter häufiger

 

Am häufigsten spielen sich Nagelpilzerkrankungen unter dem Nagel ab. Man bezeichnet diese Form als distolaterale subunguale Onychomykose (DLSO). Die Infektion wird meist von Dermatophyten, seltener von Hefen und Schimmelpilzen hervorgerufen. Zehennägel sind viermal häufiger betroffen als Fingernägel.

 

Man kann sich einen Nagelpilz überall da einfangen, wo auch der gewöhnliche Fußpilz lauert: in öffentlichen Dusch- und Umkleideanlagen, bei der Anprobe von Schuhen ohne Strümpfe, beim Barfußlaufen auf Teppichböden. Theoretisch kann jeder eine Nagelpilzinfektion bekommen, wenn die Barrierefunktionen am Nagel gestört sind oder das Immunsystem geschwächt ist. Begünstigende Faktoren sind Durchblutungsstörungen, periphere Neuropathien, Psoriasis oder Stoffwechselstörungen, vor allem Diabetes. Auch ein feuchtwarmes Klima in Schuhen oder luftundurchlässigen Handschuhen sowie mechanische Schädigungen der Nägel, etwa durch enges Schuhwerk, unsachgemäße Pediküre oder Sportverletzungen fördern Infektionen. Auch vorausgegangene oder unbehandelte Fußpilzinfektionen können auf die Nägel übergehen.

 

Nagelpilzerkrankungen kommen bei Kindern selten vor. Mit zunehmendem Alter steigt jedoch die Rate. Dies liegt vermutlich daran, dass sich die chemische Zusammensetzung des Nagelmaterials und die Histologie verändern und die Nageldichte zurückgeht. Auch die Immunabwehr ist im Alter oft schwächer. Kommen Alter und Diabetes zusammen, steigt das Risiko deutlich.

 

Therapie immer erforderlich

 

Eine Onychomykose heilt nie von allein. Sie muss immer behandelt werden, auch um eine Infektion weiterer Nägel und Hautareale zu verhindern. Früher wurden infizierte Nägel meist durch den Dermatologen gezogen. Das war nicht nur ziemlich schmerzhaft, sondern führte über lange Zeit, bis der Nagel nachgewachsen war, zu Beeinträchtigungen. Darüber hinaus kam es nicht selten zu Verletzungen des Nagelbettes und daraus resultierend zu bleibenden Wachstumsstörungen des Nagels.

 

Heute behandelt man eine Onychomykose in der Regel medikamentös. Dies ist allerdings langwierig: Bei einer Fingernagelmykose dauert die Therapie im Schnitt mindestens drei Monate, bei Befall eines Zehennagels sogar mindestens sechs. Dies liegt daran, dass Zehennägel wesentlich langsamer wachsen als Fingernägel. Da sich das Nagelwachstum mit zunehmendem Alter verlangsamt, ist bei alten Menschen eine längere Therapie nötig als bei jüngeren Erwachsenen. Ein Zeitraum von einem Jahr ist bei der Behandlung einer Infektion des Großzehennagels keine Seltenheit.

 

Art und Ausmaß der Onychomykose entscheiden über das Therapiekonzept: Bei einem Befallsgrad der Nagelplatte (ohne Nagelmatrix) von bis zu 50 Prozent wird eine topische Monotherapie empfohlen. Ist die Nagelplatte stärker befallen und/oder ist die Nagelmatrix involviert, sollte systemisch oder systemisch-topisch therapiert werden.

 

Atraumatische Nagelentfernung

 

Hoch konzentrierte Harnstoffzubereitungen (20 bis 40 Prozent) können krankes Nagelmaterial unter Okklusivbedingungen aufweichen, ohne die gesunde Nagelsubstanz anzugreifen. Man bezeichnet dieses Verfahren als atraumatische Nagelentfernung. Die Zubereitung wird messerrückendick auf den erkrankten Nagel aufgetragen und wasser- und luftdicht mit einem Okklusivverband verschlossen. Nach fünf bis zehn Tagen nimmt man den Verband ab, entfernt die erweichte Nagelsubstanz und wiederholt die Behandlung. Meist dauert es gut zwei Wochen, bis der erkrankte Teil des Nagels komplett entfernt ist. Anschließend muss eine konsequente antimykotische Therapie erfolgen. Auch Kalium iodatum 35 Prozent in Lanolin kann zur atraumatischen Nagelentfernung eingesetzt werden.

 

Eine fixe Kombination von atraumatischer Nagelentfernung mit einer antimykotischen Therapie ist mit Canesten® Nagelset möglich, das sowohl Bifonazol als auch Harnstoff enthält. Der Harnstoff soll dabei die Nagelplatte aufweichen, sodass der Wirkstoff besser eindringen kann. Die befallenen Nägel werden einmal täglich mit einer dünnen Schicht der Salbe bedeckt und okklusiv mit einem Pflaster zugeklebt. Nach 24 Stunden muss der Nagel zehn Minuten in warmem Wasser gebadet und die aufgeweichte Nagelsubstanz abgekratzt werden (Einmalhandschuhe benutzen!). Danach wird erneut eingecremt und mit einem Okklusivverband verschlossen. Diese Prozedur muss täglich durchgeführt werden, bis das Nagelbett glatt ist und sich keine aufgeweichte befallene Nagelsubstanz mehr abkratzen lässt. Je nach Ausmaß der Infektion und Nageldicke sind dafür ein bis zwei Wochen erforderlich. Nach der Nagelablösung wird die Behandlung täglich mit einer 1-prozentigen Bifonazol-haltigen Creme ohne Harnstoff über etwa vier Wochen fortgesetzt. Bei einer fortgeschrittenen Großzehennagelmykose kann die Therapie allerdings auch bis zu einem Jahr dauern. In schweren Fällen sollte zusätzlich eine systemische Therapie durchgeführt werden.

 

Nagellacke für Frauen und Männer

 

Auch Naftifin-Gel kann zur Behandlung von Nagelpilzinfektionen eingesetzt werden. Das Gel muss zweimal täglich auf den erkrankten Nagel aufgetragen werden. Nach Abklingen der Krankheitserscheinungen ist die Therapie noch ein bis zwei Wochen fortzusetzen. In den Empfehlungen der Fachgesellschaften wird Naftifin allerdings nicht genannt.

 

Medizinische Nagellacke sind leicht und schnell aufzutragen und besitzen hinsichtlich der Alltagstauglichkeit Vorteile gegenüber Pflasterverbänden und Gelen. So halten sie dem Abrieb in geschlossenen Schuhen und einer kontinuierlichen Beanspruchung bei manuellen Betätigungen besser stand. Wer mit organischen Lösungsmitteln hantiert, sollte aber zum Schutz der Lackschicht undurchlässige Handschuhe tragen. Der Lack bildet nach Verdunsten des Lösungsmittels eine wasserfeste Lackschicht mit einer okklusiven Wirkung. Dies fördert die Penetration des Wirkstoffs in die Nagelsubstanz.

 

Vor der Behandlung mit antimykotischem Nagellack sollte verändertes Nagelmaterial so gut wie möglich mit einer Schere oder Feile abgetragen werden. Amorolfin-Lack wird ein- bis zweimal pro Woche aufgetragen. Vor jeder Anwendung ist die Nageloberfläche mit Nagellackentferner zu reinigen und zu entfetten. Wer möchte, kann nach dem Trocknen noch einen dekorativen Nagellack darüberpinseln.

 

Ciclopirox-Lack muss im ersten Behandlungsmonat jeden zweiten Tag aufgetragen werden, um den Nagel mit Wirkstoff zu sättigen. Einmal wöchentlich ist die gesamte Lackschicht mit einem handelsüblichen Nagellackentferner abzulösen. Bei der Gelegenheit sollte wiederum möglichst viel verändertes Nagelmaterial entfernt werden. Im zweiten Monat kann die Frequenz auf zweimal wöchentlich gesenkt werden. Ab dem dritten Behandlungsmonat reicht die einmal wöchentliche Applikation.

 

Orale Therapie manchmal sinnlos

 

Bei starkem Befall sowie bei bestimmten seltenen Formen der Nagelmykose ist eine systemische Therapie erforderlich. Mit einer initialen atraumatischen Entfernung der kranken Nägel lässt sich der Behandlungserfolg deutlich verbessern. Allerdings können systemisch angewandte Antimykotika nur wirken, wenn der Nagel noch wächst. Dies ist bei hochbetagten Menschen kaum oder gar nicht mehr der Fall, weswegen eine systemische Therapie in diesem Fall erfolglos bleibt.

 

Die Behandlung mit mikronisiertem Griseofulvin muss kontinuierlich fortgeführt werden, bis alle Nägel gesund nachgewachsen sind. Bei Zehennagelmykosen werden oft zwölf und mehr Monate benötigt. Die Dosierung beträgt 500 mg pro Tag, gegebenenfalls auch 1000 mg, wobei es sich als günstig erwiesen hat, die halbe Dosis zweimal am Tag nach den Mahlzeiten zu verabreichen. Als Monotherapie verordnet, hat Griseofulvin bei Onychomykosen der Zehen eine hohe Versagerquote, wenn nicht zuvor eine atraumatische Nagelentfernung erfolgt.

 

Bei Itraconazol wird eine intermittierende Therapie empfohlen: nach einer Woche mit zweimal täglich 200 mg Itraconazol folgen drei Wochen Therapiepause. Dieses Regime wird dreimal durchgeführt. Nagelmykosen sollten sicherheitshalber nicht länger als drei Monate mit Itraconazol behandelt werden, da sich im Tierversuch bei Langzeitanwendung Schäden an der Nebennierenrinde, der Leber und im Phagozytensystem gezeigt hatten. Auch Terbinafin ist zur Behandlung der Onychomykose geeignet. Es werden 250 mg täglich gegeben. Fluconazol wird nur einmal pro Woche mit 150 oder 300 mg dosiert. Die erforderlichen Behandlungszeiten liegen je nach Lokalisation und Befall zwischen drei und zwölf Monaten.

 

Erfolg steigern

 

Trotz guter In-vitro-Werte für die lokalen und systemischen Antimykotika bleibt die Therapie oft erfolglos. Als am wirksamsten und wirtschaftlichsten hat sich eine Kombinationstherapie von Lack plus Tabletten erwiesen.

 

Die Behandlung ist erst abgeschlossen, wenn auch der letzte Rest der kranken Nagelplatte herausgewachsen und kein Erreger mehr nachweisbar ist. Nach Verschwinden der Symptome sollte die Behandlung noch für drei bis vier Wochen fortgesetzt werden, um die Rezidivgefahr zu verringern.

 

Der Erfolg einer Therapie hängt maßgeblich von der Mitarbeit und Geduld der Betroffenen ab. Diese gilt es in der Beratung zu stärken. Entscheidend ist für die Compliance auch, ob sich das Produkt leicht anwenden lässt. Während ein junger Mensch vielleicht gut mit einem medizinischen Lack zurechtkommt, kann es für einen alten Menschen aufgrund nachlassender Beweglichkeit und schlechtem Sehen schwierig sein, die Nägel akkurat zu lackieren. Dies sollte man ansprechen und gemeinsam nach einer Lösung suchen. Möglicherweise ist es in diesem Fall einfacher, wenn der erkrankte Nagel im Rahmen einer professionellen Fußpflege atraumatisch entfernt wird und danach eine systemische Therapie folgt. Onychomykosen rezidivieren häufig.

 

Das liegt nicht nur an bestehenden Grunderkrankungen, sondern auch an den Infektionsmöglichkeiten im eigenen Haushalt, in dem pilzinfizierte Hornschüppchen jahrelang überleben können. Daher sind prophylaktische Maßnahmen dauerhaft nötig.

 

 

Quelle: (1) Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft,  AWMF-Leitlinien-Register,  Nr. 013/003

Präventive Maßnahmen

Badeschlappen in Nassbereichen tragen

Zehenzwischenräume gut abtrocknen

regelmäßige Fußpflege und Kontrolle der Nägel

Füße regelmäßig eincremen, um Risse in der Haut zu vermeiden

ausschließlich eigene Handtücher benutzen

täglich Strümpfe wechseln

Strümpfe bei mindestens 60ºC waschen

Manikürezubehör nicht mit anderen teilen beziehungsweise nach Gebrauch desinfizieren

Zugabe von Wäschedesinfektionsmittel

Schuhe austrocknen lassen

Desinfektionsspray für Schuhe verwenden

Barfußlaufen vermeiden

durch Bewegung für gute Durchblutung der Gliedmaßen sorgen

 

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