Von Cannabis bis Sotalol |
05.07.2016 16:26 Uhr |
Von Antje Lein / Die erste DAC/NRF-Ergänzungslieferung dieses Jahres ist erschienen. Sie enthält neben neuen DAC-Monographien Verfahren zur Herstellung und Prüfung eines altbekannten Kapselfüllmittels in geänderter Zusammensetzung und eine neue Rezepturvorschrift für die Pädiatrie. Zudem wurden die Tabellen für die Rezeptur optisch und inhaltlich überarbeitet.
Qualitätsgesicherter Wandel – ja, selbstverständlich! Mit dieser Aussage bezieht sich das Vorwort zur DAC/NRF-Ergänzung 2016/1 vor allem auf die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Umgang mit der therapeutischen Anwendung des Medizinalhanfs. Für die gilt es, Qualitätsnormen auf der Ebene der Ausgangsstoffe und Zubereitungen festzulegen.
Ausgewählte Ganz- und Schnittdrogenteile von Cannabisblüten: Rispenstücke (A), Trägerblätter (B), Blütenstandstücke (C), Blütenstandstiele (D), Blüten (E) und Griffel mit Narbenästen (F).
Foto: DAC/NRF
Die neue DAC-Monographie Cannabisblüten (C-053) bildet hierfür die Basis. Ergänzt wird sie durch eine Prüfanweisung zur Alternativen Identifizierung. Eine weitere Prüfmonographie ist für Octenidindihydrochlorid (O-003) veröffentlicht. Das moderne Antiseptikum kann zum Beispiel alternativ für das besonders in der Kinderdermatologie problematische Triclosan eingesetzt werden. Ein Blick lohnt sich auch in die Allgemeinen Vorschriften, in denen es unter anderem um Begriffsdefinitionen geht.
Kapselherstellung
Kapseln sind die bevorzugte Arzneiform für Wirkstoffe in niedriger Dosierung, die Säuglingen, Kleinkindern und Kinder verabreicht werden. Genau genommen handelt es dann nicht mehr um Kapseln, die im Ganzen geschluckt werden, sondern um abgeteilte Pulver, deren Inhalt vor der Gabe ausgefüllt wird. Die Herstellung solcher niedrig dosierter Pulver ist im Hinblick auf Mischungsgüte und Wirkstoffgehalt eine Herausforderung. Vor allem die etablierten volumenbasierten Verfahren gelten als verlustanfällig. Zur Verlustminimierung bietet sich eine massenbasierte Herstellungsmethode an. Deren Standardisierung wird in der nächsten Zeit bei DAC/NRF im Mittelpunkt stehen.
Die Grundlage des Verfahrens bildet ein standardisiertes Kapselfüllmittel, dessen Schüttdichte weitgehend unveränderlich ist. Es besteht aus Mannitol und Hochdispersem Siliciumdioxid als Fließregulierungsmittel. Bisher war das Kapselfüllmittel in der NRF-Stammzubereitung S.38. mit einem nur mäßig fein gepulverten Mannitol beschrieben, mit dem die geforderte niedrige und konstante Schüttdichte nur mittels aufwendiger Verreibung erreicht werden konnte. Die aktuelle Vorschrift weist ein Mannitol geringer Teilchengröße aus, mit der die geforderte Schüttdichte sofort erreicht wird. Es muss nur noch mit Hochdispersem Siliciumdioxid gemischt werden. Zur Kontrolle ist die Bestimmung der Schüttdichte des Füllmittels als Inprozessprüfung dennoch vorgeschrieben. Diese Prüfung wird nach der neuen DAC-Probe 21 Prozessbegleitende Bestimmung der Schüttdichte D von Füllmitteln vorgenommen. Das gleichlautende Verfahren ist auch als Alternative Identifizierungsmethode für den geeigneten Mannitol-Typ angegeben.
Als Arzneiform für Kinder kommen vielfach auch orale Liquida infrage. Deren Handhabung ist unkompliziert, weil sie mit volumenbasierten Dosierhilfen leicht zu entnehmen sind und im Regelfall direkt appliziert werden können. Die Sotalolhydrochlorid-Lösung 20 mg/ml (NRF 10.4.) zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen im Kindesalter ist eine in der klinischen Praxis etablierte Zubereitung, die in der Apotheke des Klinikums Erfurt im Rahmen einer Diplomarbeit analytisch untersucht wurde. Es ist die zweite standardisierte Vorschrift, die dem DAC/NRF freundlicherweise von Dr. Dominic Fenske und Mitarbeitern zur Veröffentlichung überlassen wurde. Neu sind zudem ein Verfahren zur Alternativen Identifizierung von Omeprazol und die Erweiterung des Farbteils um Cannabisblüten und Drogen und deren Auszüge mit dem Buchstaben R.
Herstellungsanweisungen
Füllstoff Mannitol 35 und Füllmittel NRF S.38. werden mit dem Nominalwert der Schüttdichte gekennzeichnet.
Fotos: DAC/NRF
Bei den überarbeiteten Rezepturvorschriften sind vor allem die Änderungen in den Herstellungsanweisungen hervorzuheben. Zum Teil gehen sie auf Hinweise aus PTA-Schulen und der Apothekenpraxis zurück, wie bei der Harnstoff-Stammverreibung 50 % (NRF S.8.), der Edetathaltigen Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1 % (S.18.) und den Cremes und Linimenten (NRF S.26., S.27., S.39., S.40.). Der sehr hohe Verdunstungsverlust bei der Herstellung der Dermatika-Grundlagen wird in den aktualisierten Vorschriften direkt durch einen Wasserüberschuss ausgeglichen. Die Harnstoff-Stammverreibung ist in der Zusammensetzung geändert. Da sich die alleinige Mischung des Harnstoffs mit Vaselin als zu fest erwiesen hatte, sorgt nun zusätzliches Dickflüssiges Paraffin für eine weichere Konsistenz. Zudem ist die mehrfache Bearbeitung bei abnehmendem Walzenabstand auf der Salbenmühle deutlicher beschrieben, weil die Teilchen nur so ausreichend zerkleinert werden können.
Bei der Benzalkoniumchlorid-Stammlösung entfällt zukünftig die mühselige Berechnung des Mischungsverhältnisses der Bestandteile. Die Einwaagekorrektur bei Benzalkoniumchlorid-Lösung (500 g/l) als Ausgangsstoff, eine Empfehlung zur Mindestansatzgröße, die manuelle Steuerung der Substanzeinwaage mit dem Glasstab und geeignete Inprozessprüfungen stellen sicher, dass es keine inakzeptablen Abweichungen gibt. Die Zusammensetzung der Hydrophilen Triclosan-Creme (NRF 11.135.) ist zugunsten besserer Löslichkeit geringfügig geändert und die Hartfettgrundlage der Ammoniumbituminosulfonat-Zäpfchen (NRF 25.6.) setzt sich anders zusammen, da der ursprünglich enthaltene Hartfett-Typ nicht mehr in Kleinmengen erhältlich ist. Außerdem wurden die Packmittel für die Lipophile Steinkohlenteer-Salbe (NRF 11.46.) und die Lipophile Polidocanol-Creme (NRF 11.119.) geändert.
Einen Überblick über alle neuen, überarbeiteten und gestrichenen Texte gibt das Vorwort zur Ergänzungslieferung. Die Fuchsin-Lösung (NRF 11.26.) und die Mercaptaminhydrochlorid- haltigen Zubereitungen (NRF 15.17., 15.18. und 30.1.) sind gestrichen, da die Wirkstoffe nicht mehr in pharmazeutischer Qualität mit Prüfzertifikat zur Verfügung stehen.
Schnelle Übersicht
Die Tabellen für die Rezeptur haben sich als kompaktes Nachschlagewerk für die Plausibilitätsprüfung etabliert. Regelmäßige Überarbeitungen gewährleisten, dass die Inhalte aktuell bleiben. Die neunte Auflage ist optisch leicht verändert. Die bewährten Übersichten zu Wirkstoffkonzentrationen und -eigenschaften, Grundlagen und Hilfsstoffen wie Gelbildnern, Tensiden und Konservierungsmitteln sind weiterhin enthalten. Die Liste der von der Arzneimittelkommission als bedenklich eingestuften Stoffe befindet sich weiterhin in den Tabellen für die Rezeptur.
Mit der neuen Ergänzungslieferung erhalten Abonnenten auch einen neuen Zugangscode für die Serviceangebote auf www.dac-nrf.de. Trägt man ihn unter »Mein Konto > Zugangscodes verwalten« ein, hat man stets Zugriff auf die aktuellsten Informationen aus dem DAC/NRF-Labor. Über die Inhalte des Internetauftritts und die Nutzungsmöglichkeiten für die Eigenrecherche informiert der »Wegweiser durch das Rezepturportal«, der dem Loseblattwerk als Broschüre beiliegt und auf der DAC/NRF-DVD als PDF-Dokument auf der Startseite zu finden ist. /
Die EXCEL-Wirkstoffdatenbank zur Errechnung der Einwaagekorrekturfaktoren bei den »DAC/NRF-Tools« enthält in der Version auf DVD-ROM beziehungsweise CD-ROM bedauerlicherweise einen Fehler in der stöchiometrischen Umrechnung von der Wirkstoff-Base auf Amfetaminsulfat- beziehungsweise auf Morphinsulfat-Rezeptursubstanz. Die Online-Version ist korrekt.
In der Monographie Octenidindihydrochlorid DAC (O-003) wird unter Prüfung auf Identität in beiden Reihen auf die Prüfung C verwiesen. Diese gibt es nicht. In der ersten Reihe gilt nur Prüfung A, in der zweiten Reihe nur Prüfung B.