Höchstrisiko-Business |
02.07.2014 09:43 Uhr |
Boehringer Ingelheim stoppt die Entwicklung des Hepatitis-C-Wirkstoffs Faldaprevir und nimmt weltweit alle Zulassungsanträge für die interferonhaltige Tripeltherapie mit dem Proteasehemmer zurück (lesen Sie dazu Boehringer Ingelheim: Aus für Faldaprevir). Verwundert rieb man sich jüngst die Augen, als die Nachrichten-Ticker die Meldung des Pharmaunternehmens verbreiteten, dass man den letzten Meter bei der Zulassung eines vielversprechenden Arzneistoffkandidaten nicht mehr gehen wolle. Und das, obwohl alle Signale auf Erfolg deuteten: Die europäische Arzneimittelagentur EMA hatte einem beschleunigten Zulassungsverfahren zugestimmt, das klinische Studienprogramm war überaus positiv verlaufen und alle rechneten mit der europäischen Zulassung in Europa für die zweite Jahreshälfte 2014.
War etwa bei der Geschäftsleitung eines global operierenden Pharmaunternehmens die Botschaft einiger Arzneimittelexperten angekommen, dass Me-too-Wirkstoffe entbehrlich seien? Sicherlich nicht, einmal davon abgesehen, dass diese Aussage so pauschal formuliert auch falsch ist. Es muss andere Gründe geben.
Die Entscheidung von Boehringer Ingelheim wird in die Geschichte der modernen Arzneimittelentwicklung eingehen, die vor etwas mehr als 60 Jahren erst begann und die natürlich von Erfolgen wie von Misserfolgen begleitet wurde. Faldaprevir gehört dabei ganz klar in die Erfolgsschublade, allerdings mit der tragischen Begleiterscheinung, dass der Erfolg der Entwicklung von interferonfreien Kombinationstherapien wahrscheinlich zum Scheitern der Markteinführung dieses Proteaseinhibitors führte.
Kaum jemand konnte sich vorstellen, wie exzellent diese Wirkstoffe eine Geißel der Menschheit, deren tatsächliches Ausmaß fast nur Experten kennen, in den Griff zu bekommen scheinen. Und so traf man wohl auf dem Weg zur Zulassung von Faldaprevir eine kritische Fehlentscheidung. Das gesamte klinische Studienprogramm wurde in Kombination mit Peg-Interferon alfa durchgeführt, einem sicherlich wirksamen, aber sehr schlecht verträglichen Hepatitis-C-Wirkstoff. Andere Firmen hatten es frühzeitig gewagt, auf dieses Biologikum zu verzichten, und deren Studienprogramme zeigten ähnliche Erfolgsraten. Daraufhin stoppte man die Faldaprevir-Zulassung tatsächlich auf dem letzten Meter, was für das Unternehmen ein Desaster ist, aber auch zeigt, welche Risiken man eingeht, wenn man sich entschließt, innovative Arzneimittel zu entwickeln. Wundert es da, dass diese Wirkstoffe sehr teuer sind?
Professor Dr. Theo Dingermann
Mitglied der Chefredaktion
Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz
Mitglied der Chefredaktion