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AMG-Novelle

Versender wollen Boni behalten

03.07.2012  17:38 Uhr

Von Stephanie Schersch / Der Bundestag hat dem Arzneimittelrechts-Änderungsgesetz zugestimmt. Damit sollen deutsche Preisvorschriften künftig auch für ausländische Versandapotheken gelten. Diese haben bereits angekündigt, notfalls gegen die Regelung zu klagen.

Mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition hat es das Arzneimittelrechts-Änderungsgesetz durch den Bundestag geschafft. Das Gesetz wird als Basis für die nächste Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) dienen. Damit sollen unter anderem europäische Richtlinien etwa zur Pharmakovigilanz oder zu Arzneimittelfälschungen in deutsches Recht überführt werden.

Darüber hinaus soll die deutsche Arzneimittel­preisverordnung künftig auch für ausländische Versandapotheken gelten, die Medikamente an Patienten in Deutschland liefern. Auf diese Weise will die Bundesregierung gleiche Wettbewerbs­bedingungen für Präsenz- und Versandapotheken schaffen. Die Boni-Modelle ausländischer Ver­sen­der würden damit der Vergangenheit angehören.

 

Der Europäische Versandapothekenverband EAMSP sieht sich durch die geplante Regelung diskriminiert. »Gleiche Wettbewerbsbedingungen werden mitnichten hergestellt«, sagte EAMSP-Jurist Thomas J. Dieckmann. Die Novelle laufe Gefahr, als europarechtswidrig beanstandet zu werden. Nach Ansicht der Versender verstößt das Gesetz gegen die Warenverkehrsfreiheit im europäischen Binnenmarkt und die sogenannte E-Commerce-Richtlinie, die den elektronischen Geschäftsverkehr in Europa regelt. Sollte auch der Bundesrat dem Gesetz zustimmen und die Novelle in Kraft treten, wollen die EAMSP-Mitgliedsunternehmen daher den Klageweg beschreiten. »Mehr Europa hätte zu einer besseren Lösung geführt als nationale Besitzstandswahrung«, sagte Dieckmann. Leidtragende eines Boni-Verbots seien auch die Patienten, insbesondere chronisch kranke Menschen. »Sie werden für lebensnotwendige Medikamente viel tiefer in die Tasche greifen müssen.«

 

Mit der AMG-Novelle sollen auch sämtliche Rabattverträge beendet werden, die gegen das Vergaberecht verstoßen. Dazu zählen die sogenannten Portfolioverträge über das gesamte generische Sortiment eines Herstellers. Aber auch Rabattvereinbarungen mit Erstanbietern über den Patentablauf hinaus könnten bald der Vergangenheit angehören. Sie sollen spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Novelle enden.

 

Austausch verbieten

 

Bereits heute können Apotheker unter Verweis auf pharmazeutische Bedenken Rabattverträge nicht bedienen. In Zukunft sollen Krankenkassen und Apotheker zudem gemeinsam den Austausch bestimmter Medikamente verbieten können, wenn dies mit Blick auf die Compliance der Patienten angebracht ist. Um die Versorgung von Palliativpatienten zu verbessern, erhalten niedergelassene Ärzte darüber hinaus die Möglichkeit, in speziellen Notsituationen Betäubungsmittel direkt an Schmerzpatienten abzugeben, sofern die Apotheke das Arzneimittel nicht rechtzeitig besorgen kann.

 

Auch Nachbesserungen am Verfahren der frühen Nutzenbewertung soll es geben. Für Medikamente, denen der Gemeinsame Bundesausschuss keinen Zusatznutzen zuerkannt hat, können Hersteller künftig sofort eine neue Nutzenbewertung beantragen. Vo­raussetzung ist allerdings, dass eine positive Bewertung nur daran scheiterte, dass die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt wurden. Damit erhalten die Hersteller in einer Übergangsfrist bis Ende des Jahres die Möglichkeit, unvollständige Dossiers unverzüglich nachzubessern. Bislang mussten sie ein Jahr lang warten, bevor sie eine Neubewertung beantragen konnten.

 

Keine geheimen Preise

 

Für großen Wirbel hatte in den vergangenen Wochen eine Regelung gesorgt, nach der Krankenkassen und Hersteller die Preise für neue Medikamente vertraulich verhandeln sollten. Dieses Vorhaben wurde nun jedoch fallen gelassen. Entsprechend enttäuscht zeigten sich die Hersteller. »Die Chance, Erstattungsbeträge so zu behandeln, dass in Deutschland verhandelte Rabatte nicht automatisch exportiert werden, wurde verpasst«, sagte Dr. Norbert Gerbsch vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

 

Eine Anpassung des Apotheker-Honorars ist nicht Teil der AMG-Novelle. Das hatte sich bereits vor einigen Wochen abgezeichnet. Eine Anhebung der Vergütung könnte aber über die Erhöhung der Packungspauschale erfolgen. Dazu gibt es positive Signale aus dem für die Arzneimittelpreisverordnung zuständigen Bundeswirtschaftministerium. Dieses könnte gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit eine Anpassung der Pauschale über eine Verordnung regeln.

 

Mit dem Arzneimittelrechts-Änderungsgesetz muss sich nach der Sommerpause noch der Bundesrat befassen. Als Termin ist der 21. September geplant. Endgültig vom Tisch ist indes ein Antrag der Linkspartei, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Dafür fand sich im Bundestag keine Mehrheit. /

Kommentar

Konsequenz

Wettbewerb funktioniert nur, wenn alle Mitbewerber gleiche Chancen haben. Die Politik hat dies eingesehen. Ausländische Versender müssen sich jetzt an die Preisverordnung halten. Wirklich fair wird der Wettbewerb aber nur dann, wenn Justiz und Politik die Verstöße ausländischer Versender genauso konsequent verfolgen, wie das Fehlverhalten deutscher Apotheken. Das war bislang nicht selbstverständlich. Versender konnten oftmals ohne Konsequenzen gegen die Preisverordnung verstoßen, die deutsche Mehrwertsteuer prellen oder aus Ländern versenden, aus denen dies verboten ist. Damit muss Schluss sein.

 

Daniel Rücker

Chefredakteur

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