Praxisbeispiel Teil 2, Rezepturarzneimittel |
03.07.2012 17:34 Uhr |
Von Stefanie Döhring / In den kommenden Wochen wird die DAC/NRF-Kommission in der Pharmazeutischen Zeitung Rezepturverordnungen und eine sinnvolle Defekturherstellung vor dem Hintergrund der neuen ApBetrO diskutieren. Im zweiten Teil Reihe wird die Plausibilitätsprüfung einer Spiritus-Rezeptur behandelt.
An einem Samstagmorgen betritt eine Dame die Apotheke. Sie legt eine Verordnung über einen Kopfhautspiritus mit Betamethasonvalerat und Salicylsäure vor. Die Patientin berichtet, dass sie schon seit einiger Zeit unter starkem Juckreiz und hartnäckigen Kopfschuppen leidet. Der Arzt hat ihr jetzt diese Lösung verschrieben, die sie für einige Tage morgens und abends auf die entzündeten Stellen auftragen soll. Sobald die Beschwerden besser werden, soll sie die Anwendung auf abends reduzieren und in 14 Tagen hat sie einen neuen Termin beim Arzt. Die PTA verspricht der Kundin, dass sie die Lösung gegen Mittag abholen könne, damit sie die Therapie am Wochenende beginnen kann.
Die PTA gibt die Verordnung an die Apothekerin weiter und bittet sie, die Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Die Apothekerin wirft einen Blick auf die Verordnung und überlegt: Hatte sie nicht gelernt, dass man Salicylsäure möglichst nicht mit Glucocorticoiden kombinieren soll? Sie nimmt sich zunächst den Vordruck zur Plausibilitätsprüfung (Abbildung 1, Seite 22) und füllt die Felder zur Dosierung und Applikationsart aus. Die Konzentrationen schlägt sie in den Tabellen für die Rezeptur nach. Mit 0,1 % Betamethasonvalerat und 2 % Salicylsäure sind beide Konzentrationen im therapeutisch üblichen Bereich.
Die im PDF abgebildeten Formulare gemäß neuer ApBetrO entstammen dem Rezeptur-Ordner aus dem Ordnerset »Dokumentation in der Apotheke«. Sie erhalten den Ordner Rezeptur (mit Herstellungsanweisung/-protokoll für Rezeptur (1 Block mit 50 Blatt), Plausibilitätsprüfung (1 Block mit 50 Blatt), Rückenschild, Deckblatt und 5 Trennstreifen mit Klebeetiketten, 2 Kunststoffregister A-Z) unter der ISBN 978-3-7741-1197-4 beim Govi-Verlag unter Telefon 06196 928-250 oder unter www.govi.de.
Die PTA hatte ihr schon mitgeteilt, dass alle Substanzen in ausreichender Menge vorrätig sind. Bedenkliche Substanzen sind in der Rezeptur nicht enthalten. Bei der Frage nach der Kompatibilität regen sich wieder die Zweifel bei der Apothekerin. Sie weiß, dass gerade gelöste Substanzen häufig zu Zersetzungsreaktionen neigen. Ist die Salicylsäure nicht viel zu sauer für das Glucocorticoid? Die rezeptierbaren pH-Bereiche laut »Tabellen für die Rezeptur» überlappen sich zwar im Bereich zwischen 2 und 3, die Spanne ist jedoch relativ klein. Für weitere Recherchen ruft sie im Internet unter www.dac-nrf.de die NRF-Rezepturhinweise auf. Dort wird sie schnell fündig. In den NRF-Rezeptuhinweisen »Betamethasonvalerat zur Anwendung auf der Haut« ist die Kombination mit Salicylsäure beschrieben. Im Zeitraum von zwölf Monaten wurden keine Zersetzungsprodukte des Betamethasonvalerat in der ethanolisch-wässrigen Salicylsäure-Lösung gefunden. Es spricht also nichts gegen die Kombination der beiden Wirkstoffe in dem Kopfhautspiritus. Ihre Vorbehalte waren unberechtigt.
Die chemische Stabilität ist damit gewährleistet, die mikrobiologische Stabilität ist bei dem Ethanol-Anteil von 70 Volumenprozent ebenfalls gegeben. Die Aufbrauchsfrist legt sie anhand des Schemas aus dem NRF (Kapitel I.4., Abb. I.4.-1) mit der Tabelle I.4.-2 auf sechs Monate fest.
Bei der Herstellungsanweisung (Abbildung 2, Seite 23) bittet Sie die PTA um Hilfe. Ihre praktischen Rezepturerfahrungen liegen schon etwas länger zurück und sie ist sich nicht sicher, ob die Stoffe sich ohne Weiteres in der Grundlage lösen oder erwärmt werden müssen. Die PTA verweist sie auf die ähnliche NRF-Rezeptur »Triamcinolonacetonid-Hautspiritus 0,1 % / 0,2 % mit Salicylsäure 2 %« (NRF 11.39.). Diese wurde in der Apotheke schon einmal hergestellt. Die Löslichkeit des Betamethasonvalerat in Ethanol ist mit einem Teil Substanz in 12 bis 16 Teilen Ethanol sogar noch etwas besser als die des Triamcinolonacetonid mit einem Teil in 20 Teilen Ethanol. Die Apothekerin notiert, dass die Herstellung analog zur standardisierten NRF-Rezeptur vorgenommen werden kann, inklusive der dort beschriebenen Inprozessprüfungen (Abbildung 2, Seite 23).
Die PTA stellt den Spiritus her und notiert die Ergebnisse der Inprozessprüfungen auf dem Herstellungsprotokoll (Abbildung 3, Seite 24). Die Lösung ist klar und farblos, und es sind keine ungelösten Rückstände zu sehen. Sie schreibt das Etikett und druckt es zweimal aus. Eine Kopie klebt sie auf das Herstellungsprotokoll, die andere auf die Tropfflasche, in die sie den Spiritus abgefüllt hat. Sie versiegelt das Etikett mit einer Folie.
Die Apothekerin kontrolliert die Flasche auf Dichtigkeit und korrekte Kennzeichnung und unterzeichnet das Herstellungsprotokoll zur Freigabe. Die Kundin kann das Arzneimittel noch am selben Vormittag in Empfang nehmen und am selben Abend mit der Therapie beginnen.
Fazit: Manchmal sind vermeintlich inkompatible Rezepturen gar nicht so problematisch, wie im ersten Moment gedacht. Bei der Recherche helfen die »Tabellen für die Rezeptur«, die NRF-Rezepturhinweise im Internet und vergleichbare Rezepturen im NRF weiter. In der Apotheke ist gute Teamarbeit bei der Rezepturherstellung wichtig. Hier kann jeder von den Stärken des anderen profitieren. /