Opposition will striktere Zulassung |
03.07.2012 19:20 Uhr |
Von Stephanie Schersch, Berlin / SPD und Grüne fordern härtere Zulassungsprüfungen für bestimmte Medizinprodukte. Die Union hält hingegen vor allem mehr unangemeldete Kontrollen für nötig.
Ende 2011 kam der Skandal um mangelhafte Brustimplantate der französischen Firma Poly Implant Prothèse ans Licht. Für die Herstellung hatte das Unternehmen minderwertiges Indus-triesilikon verwendet, das für Brustimplantate nicht geeignet war. In Deutschland haben nach Informationen des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) rund 5220 Frauen die mangelhaften Silikonkissen erhalten.
Für risikoreiche Medizinprodukte wie Brustimplantate soll es nach dem Willen von SPD und Grünen ein strengeres Zulassungsverfahren geben als bislang.
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Der Vorfall hat hierzulande eine Diskussion über Zulassung und Kontrolle von Medizinprodukten in Gang gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert striktere Zulassungskriterien insbesondere für risikoreiche Medizinprodukte. Dazu zählen Produkte, die in den Körper eingesetzt werden wie Brustimplantate, Hüftprothesen und Herzkatheter. Heute erfolgt deren Zulassung über sogenannte Benannte Stellen wie zum Beispiel den TÜV, die das Industriesiegel CE verleihen.
Im Mittelpunkt des Verfahrens steht dabei immer die technische Prüfung des Produkts, der eigentliche Nutzen für den Patienten spielt eine untergeordnete Rolle. Die SPD fordert nun eine europaweit einheitliche Zulassung über amtliche Stellen wie das BfArM oder die europäische Arzneimittelbehörde EMA. »Ziel muss es sein, dass nur solche Medizinprodukte zugelassen werden, für die der Patientennutzen im Verhältnis zu den Risiken nachgewiesen und vertretbar ist«, schreibt die SPD in einem Antrag.
Unangekündigte Kontrollen
Darüber hinaus sollen Hersteller verpflichtet werden, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. So werde sichergestellt, dass im Falle eines Schadens alle Patienten »in vollem Umfang entschädigt werden«. Außerdem soll es mehr unangekündigte Kontrollen bei den Herstellern geben. Ein zentrales Implantateregister soll helfen, im Problemfall schnell mit den betroffenen Patienten in Kontakt treten zu können. Auch die Grünen fordern in einem eigenen Antrag ein zentrales Verzeichnis für bestimmte Medizinprodukte sowie ein amtliches Zulassungsverfahren. Dabei sollten vergleichbare Standards für klinische Studien gelten wie im Arzneimittelbereich, schreibt die Grünen-Fraktion. Außerdem wollen sie eine frühe Nutzenbewertung für Medizinprodukte.
Beide Anträge waren vergangene Woche Thema einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Die Unionsfraktion hatte im Vorfeld bereits deutlich gemacht, dass sie eine striktere Zulassung von Medizinprodukten nicht für vorrangig hält. Vielmehr müssten verstärkt unangekündigte stichprobenartige Kontrollen der Produkte stattfinden, heißt es in einem Positionspapier der Unions- Arbeitsgruppe Gesundheit.
Rechtsanwalt Dr. Adem Koyuncu verwies darauf, dass eine Zulassung über amtliche Stellen deutlich mehr Zeit in Anspruch nehme als dies beim derzeitigen Verfahren der Fall sei. »Damit würde der Marktzugang neuer Medizinprodukte erschwert.« Dieses Argument wollte Jörg Heynemann, Fachanwalt für Medizinrecht, nicht gelten lassen. »Es darf nicht sein, dass die Geschwindigkeit der Zulassung auf Kosten der Sicherheit geht«, sagte er.
Auch Dr. Edmund Neugebauer, Professor an der Universität Witten/Herdecke und Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung, verwies auf das Risikopotenzial bestimmter Medizinprodukte, das zum Teil größer sei als bei Arzneimitteln. In den USA müssten alle risikoreichen Medizinprodukte durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA zugelassen werden. »Daran sollten wir uns orientieren«, sagte er. Dr. Bernd Metzinger von der Deutschen Krankhausgesellschaft hielt dagegen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Risiken von Medizinprodukten in Deutschland durch die Zulassung über Benannte Stellen größer seien als in den USA, sagte er.
Kein nationaler Alleingang
Die Forderung der Grünen, bei Medizinprodukten ähnliche Anforderungen an klinische Studien zu stellen wie bei Arzneimitteln, hält Koyuncu nur bedingt für möglich. So sei im Falle von Prothesen etwa keine Prüfung gegen Placebo möglich. Thomas Marquard vom Industrieverband Spectaris warnte davor, striktere Regeln für Medizinprodukte in Deutschland im nationalen Alleingang einzuführen. Die Folge wären Wettbewerbsverzerrungen auf dem europäischen Markt. /