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Pharmaindustrie

Firmen sparen an der Forschung

05.07.2011  17:01 Uhr

Von Martina Janning, Berlin / Pharmaunternehmen haben im vorigen Jahr ihre Forschungsausgaben reduziert. Um ihre Rahmenbedingungen zu verbessern, fordern sie eine steuerliche Forschungsförderung. In den nächsten vier Jahren wollen Arzneimittelhersteller 188 neue Wirkstoffe auf den Markt bringen.

Zum ersten Mal seit Jahren haben deutsche Pharmafirmen 2010 weniger für das Erforschen und Entwickeln von Arzneimitteln ausgegeben. Die Investitionen der Unternehmen in Sachanlagen wie Laborkomplexe gingen um 13,7 Prozent gegenüber 2009 auf 1,2 Milliarden Euro zurück. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sanken um 0,7 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro. Auch die Zahl der Beschäftigten in den entsprechenden Abteilungen verringerte sich leicht um 1,1 Prozent auf 17 136 Mitarbeiter.

Weltweiter Trend

 

Das sind die Ergebnisse einer Umfrage des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA) unter seinen 43 Mitgliedsunternehmen, die der Interessenverband vergangene Woche in Berlin vorstellte. Die Zahlen des VFA spiegeln einen internationalen Trend wider: Weltweit sanken die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im vorigen Jahr um zwei Milliarden auf rund 68 Milliarden US-Dollar (46,76 Milliarden Euro), berichtet der Informationsdienstleister Thomas Reuters in seinem Pharmaceutical R&D Factbook. »Wenn Pharmafirmen sich aus der Forschung zurückziehen, leidet die gesamte Infrastruktur eines Landes«, sagte die Hauptgeschäftsführerin des VFA, Birgit Fischer. Mehr als die Hälfte der VFA-Mitgliedsunternehmen hätten Labors in Deutschland und auch ein Großteil der klinischen Erprobung von Medikamenten spiele sich hierzulande ab: An 86 Prozent der Medikamentenprojekte der VFA-Firmen seien deutsche Kliniken und Arztpraxen beteiligt, berichtete Fischer.

 

Die »leichte Trendwende« bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben führte die VFA-Chefin auf die geltenden Rahmenbedingungen zurück. Um sie zu verbessern, forderte Fischer eine steuerliche Forschungsförderung für Firmen. Zehn Prozent der Ausgaben, die ein Unternehmen in Forschung und Entwicklung steckt, sollten Betriebe von der Steuerschuld abziehen können, erklärte sie. Viele Wettbewerberländer besäßen dieses Förderinstrument, das sei ein Nachteil für deutsche Firmen. Die VFA-Hauptgeschäftsführerin plädierte dafür, nicht nur einseitig die Kosten neuer Medikamente zu sehen, sondern auch Vorteile für das Gesundheitswesen und die Volkswirtschaft einzubeziehen. Alzheimer etwa führe nicht nur zu immensen Pflegekosten, die Krankheit mindere auch die Produktivität der pflegenden Angehörigen.

 

Ein anderes Beispiel: Eine nicht ausgeheilte Hepatitis C verursacht einer US-amerikanischen Erhebung zufolge Gesamtkosten von umgerechnet mehr als 70 000 Euro. Medizinische Innovationen könnten helfen, Kosten zu sparen und Produktivität erhalten, sagte Fischer.

 

Der VFA-Vorsitzende, Dr. Wolfgang Plischke, berichtete, welche neuen Medikamente die 43 VFA-Mitglieder bis zum Jahr 2015 planen. Der Verbandsumfrage zufolge sind 359 Projekte so weit fortgeschritten, dass die Arzneimittel bis 2015 zugelassen werden könnten. Es handele sich insgesamt um 274 verschiedene Wirkstoffe, 188 davon seien neu. »Mehr als 130 Krankheiten sollen in den nächsten vier Jahren besser behandelbar werden«, kündigte Plischke an.

 

Laut der Befragung konzentrieren sich die forschenden Pharmafirmen vor allem auf die Behandlung von Krebserkrankungen. Mit 116 Projekten richtet sich fast jede dritte Entwicklung, die bis 2015 auf den Markt kommen soll, gegen Krebs. Der Fokus der Firmen liegt vor allem auf Brustkrebs, Lungenkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs. Aber auch gegen den Schwarzen Hautkrebs erproben die Unternehmen Wirkstoffe.

 

Schwere Krankheiten im Fokus

 

Zwölf Prozent der angekündigten Arzneistoffe sollen gegen Entzündungskrankheiten wie Rheuma zum Einsatz kommen und je elf Prozent gegen Infektions- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die meisten Entwicklungen betreffen schwere Krankheiten, erläuterte Plischke. »Nur bei drei Prozent der Projekte geht es um leichtere Erkrankungen wie Inkontinenz oder Wechseljahresbeschwerden.«

 

Gegen Hepatitis C sind bis 2015 vier Medikamente in der Entwicklung, ebenso gegen Tuberkulose. Außerdem sind fünf neue Antibiotika, auch gegen den vielfach-resistenten Krankenhauskeim MRSA in Arbeit und fünf Wirkstoffe zur Therapie von Alzheimer. Gegen seltene Erkrankungen könnten nach der Umfrage in den nächsten Jahren bis zu 38 neue Substanzen zugelassen werden.  /

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