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Photosensibilisierung

Medikamente als Auslöser

26.06.2018  17:39 Uhr

Von Nicole Schuster / Etliche Medikamente können eine erhöhte Lichtsensibilität der Haut verursachen. Mögliche Symptome sind starke Sonnenbrände schon bei geringer Strahlenexposition, Rötungen, Blasenbildung und Pigmentstörungen. Auch photo­allergische Reaktionen sind möglich. Ein konsequenter UV-Schutz beugt vor.

Damit ein Arzneistoff die Haut gegenüber Sonnenlicht sensibilisieren kann, muss er im Molekül ein Chromophor enthalten. »Diese Struktur kann energiereiche Photonen absorbieren«, erklärt Dr. Johannes Müller-Steinmann, Dermatologe und ärztlicher Leiter des Hautarztzentrums Kiel, gegenüber der PZ. Man unterscheidet zwischen pho­totoxischen und photoallergischen Reak­tionen. Beide weisen klinisch und histologisch Ähnlichkeiten auf.

 

Dosisabhängige Reaktion

Die häufiger vorkommenden, nicht immuno­logisch bedingten phototoxischen Reaktionen können dosisabhängig bereits bei der ersten Exposition mit dem Photosensibilisator auftreten. Als Voraussetzung muss das photo­sensibilisierende Agens lebende Hautzellen erreichen und es muss eine ­Bestrahlung mit einem bestimmten Wellenspektrum, meist UV-A, manchmal aber auch UV-B oder sichtbarem Licht, erfolgen. Die Moleküle absorbieren die Energie, werden dabei energetisch angeregt und geben die Energie unter Bildung von zum Beispiel freien Radikalen wieder ab. Dabei kommt es zu zellulären Schäden der Haut.

 

»Phototoxische Reaktionen äußern sich in Form eines Sonnenbrands mit kurzer Latenzzeit von Minuten bis wenigen Stunden«, so Müller-Steinmann. Mitunter kommt es zur Blasenbildung. Die Symptome sind meistens auf die dem Licht ausgesetzten Bereiche begrenzt, vor allem typische Sonnen­terassen wie Gesicht, Schultern, Hand- und Fußrücken sowie Unterarme. Neben Stärke und Dauer der Strahlen­einwirkung spielen auch die Metabolisierungsgeschwindigkeit des auslösenden Arzneistoffs sowie die eingenommene Menge eine Rolle. Patienten vertragen teils niedrige Dosen ohne Beschwerden, reagieren aber bei einer Dosissteigerung mit Symptomen.

 

Photoallergische Reaktionen hingegen sind immunologisch bedingt und setzen eine Sensibilisierung voraus. Zunächst bindet ein in die Haut gelangter und durch Strahlenexposition angeregter Arzneistoff oder eines seiner Stoffwechselprodukte an ein körpereigenes Eiweiß. Das dabei entstehende Photoantigen verursacht analog zur Kontaktdermatitis eine Typ-IV-Allergie. Diese kann sich in Form eines Ekzems mit sonnenbrandähnlichen Beschwerden oder selten auch als systemische Photo­allergie äußern. Charakteristische Symptome sind Rötung, starker Juckreiz, Blasenbildung und kleine, nässende Stellen. Gelegentlich kommt es auch zu Krustenbildung der Haut oder Abschuppung. Die Beschwerden treten anders als bei einer phototoxischen ­Reaktion erst mit einer Latenzzeit von bis zu 24 Stunden auf. Sie sind unabhängig von der Strahlendosis und können sich auch auf nicht der Sonne ausgesetzte Hautareale erstrecken.

Tabelle: Auswahl an Medikamenten, von denen Berichte über Photosensibilisierung vorliegen; *) Wirkstoffe lösen auch photoallergische Reaktionen aus

Stoffgruppe Wirksstoffe
Diuretika Hydrochlorothiazid*, Furosemid, Amilorid, Ethacrinsäure, Triamteren*, Spironolacton, Xipamid*
nicht steroidale Antirheumatika Naproxen*, Ketoprofen, Piroxicam, Diclofenac, Phenyl­butazon, Mefenaminsäure, Indometacin, Ibuprofen
antimikrobielle Substanzen Sulfamethoxazol/Trimethoprim*, Sulfasalazin, Ciprofloxacin, Tetracyclin, Doxycyclin, Minocyclin, Isoniazid, Gentamicin, Griseofulvin, Nitrofurantoin
Malariamittel Chloroquin, Chinin*, Pyrimethamin, Mefloquin,
Antipsychotika Chlorpromazin*, Thioridazin, Chlorprothixen, Promethazin*, Perazin, Fluphenazin, Promazin, Haloperidol
Antidepressiva Amitriptylin*, Trimipramin, Nortriptylin, Desipramin, ­Imipramin, Doxepin, Clomipramin*
kardiovaskuläre Substanzen Amiodaron, Nifedipin, Chinidin*, Captopril*, Enalapril*, Fosinopril, Ramipril, Disopyramid, Hydralazin, Simvastatin
Antiepileptika Carbamazepin*, Lamotrigin, Phenobarbital, Phenytoin, Topiramat, Valproinsäure
Antihistaminika Cyproheptadin, Diphenhydramin, Loratadin
zytotoxische Substanzen 5-Fluorouracil, Vinblastin, Dacarbazin*, Procarbacin, Methotrexat, Azathioprin
Hormone Corticosteroide, Estrogene, Progesterone
systemische Dermatika Isotretinoin, Methoxalen*, 5-Methoxypsoralen*, 8-Methoxypsoralen

Quelle: DÄ 2005, Heft 34-35

300 Arzneistoffe

 

In Deutschland gibt es etwa 300 Medikamente mit bekanntem photosensibilisierendem Potenzial (Tabelle). Als Hauptursache für eine medikamenteninduzierte erhöhte Lichtempfindlichkeit gilt Hydrochlorothiazid. Aber auch andere Diuretika, Antibiotika wie Doxy­cyclin oder Ciprofloxacin, nicht stero­idale Antirheumatika, Psychopharmaka wie Chlorpromazin, Trimipramin oder Amitryptilin sowie kardiovaskulär wirksame Substanzen und Hormone haben diese Nebenwirkung.

 

Während diese Arzneistoffe eher selten mit Hautschäden in Verbindung gebracht werden, ist das pflanzliche Antidepressivum Johanniskraut für sein phototoxisches Potenzial bekannt. Die in der Pflanze enthaltenen Stoffe Hypericin und Pseudohypericin lösen eine erhöhte Lichtempfindlichkeit, den sogenannten Hypericismus, aus. Das Phänomen tritt auch bei hellhäutigen Tieren auf, die viel Johanniskraut fressen. Bei Menschen sind die als Arzneimittel eingenommenen Dosen aber in der Regel zu gering, um eine signifikant erhöhte Photosensibilität hervorzurufen. Weitaus größere Risiken gehen von Riesen-Bärenklau aus. Bei Kontakt mit dem Furocumarin-reichen Pflanzensaft kommt es zu schmerzhaften Entzündungen, teilweise sogar unter Bildung großer Blasen. Auch Allgemeinsymptome wie Fieber, Schweißausbrüche, Atemnot oder Kreislaufschock können auftreten. Optisch für viele Betroffene ­besonders belastend: »Die Hautschädigung kann zu anhaltenden Verfärbungen, sogenannten postinflammatorischen Hyperpigmentierungen, führen«, sagt Müller-Steinmann.

 

Bräunliche bis graubläuliche Farb­änderungen können auch durch die Einnahme von bestimmten Medikamenten bedingt sein. Bekannt ist das Phänomen unter anderem für Chlorpromazin und andere Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva wie Des­ipramin und Imipramin, Amiodaron, bestimmte Chemotherapeutika, etwa Cyclophosphamid und 5-Fluorouracil, sowie für die langfristige Einnahme von Tetracyclinen. Erhalten Psoriasis-Patienten eine Behandlung mit Psoralenen kombiniert mit einer UV-A-­Bestrahlung (PUVA-Therapie), können auch sie lang persistierende Verfärbungen entwickeln. »Das Risiko für Hyperpigmentierungen ist bei Menschen mit Hauttyp der Klassen III und IV besonders hoch«, so Müller-Steinmann.

 

Nagelverlust durch Licht

 

In seltenen Fällen verursachen Wirkstoffe wie Tetracycline oder Fluor­chinolone unter Lichteinfluss auch eine Photoonycholyse. Dabei lösen sich oft erst Wochen nach der Einnahme die Nägel ganz oder partiell ab. Ebenfalls eher selten sind photosensibilisierende Arzneistoffe für die Entstehung eines Plattenepithel- oder Basalzellkarzinoms, manchmal auch eines Melanoms, verantwortlich.

Patienten, bei denen eine Photosensibilisierung auftritt, sollten jegliche weitere Sonneneinstrahlung meiden. Das als Auslöser im Verdacht stehende Arzneimittel sollte nicht eigenmächtig abgesetzt, sondern Rücksprache mit dem behandelnden Arzt gehalten werden. Bei unklaren Hautreaktionen sollte zudem eine Dermatologe aufgesucht werden, um andere Ursachen auszuschließen.

 

Gegen die Schmerzen helfen topische Corticoid-Cremes. Eine Kombina­tion mit Antiseptika ist bei offenen Blasen sinnvoll. Feuchte Umschläge verschaffen durch Kühlung Erleichterung. Zur Verhinderung von Pigmentstörungen wird empfohlen, die äußerliche Gluco­corticoidbehandlung nach der akuten Heilungsphase fortzusetzen.

 

Bei der Abgabe eines Arzneimittels mit phototoxischem Potenzial sollte das Apothekenteam Tipps zur Vorbeugung von Hautschäden geben. Medikamente mit kurzer Halbwertszeit sind bevorzugt abends einzunehmen. Da das Sonnenlicht um die Mittagszeit am stärksten ist, ist die Exposition zwischen 11 und 15 Uhr besonders kritisch. Anders als bei gewöhnlichem Sonnenbrand, für den die UV-B-Strahlung auslösend ist, reagiert photosensibilisierte Haut oft hauptsächlich auf UV-A-Strahlung. Sonnenschutzpräparate mit hohem UV-A-Filter sind daher wichtig, lichtdichte, lange Bekleidung schützt ebenfalls. Auf Besuche im Solarium sollten Betroffene verzichten. Vorsicht gilt auch beim Auto­fahren, da UV-A-Strahlen Glasscheiben durchdringen. UV-undurchlässige Folien an Wohnungs- und Auto­fenstern wirken abschirmend. /

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