Was der Zusatznutzen wirklich kostet |
15.06.2015 16:30 Uhr |
Von Gabriele Gradl, Eva-Maria Krieg, Marita Kieble und Martin Schulz / Die im Jahr 2014 neu eingeführten HCV-Medikamente schlugen damals hinsichtlich der zu erwartenden Kosten hohe Wellen. Die AOK prognostizierte allein für den neuen Wirkstoff Sofosbuvir Ausgaben in Höhe von bis zu 5 Milliarden Euro. Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) erstellte ebenfalls eine Prognose zur Entwicklung der GKV-Kosten. Diese lag um den Faktor 10 niedriger als die der AOK. Eine neue retrospektive Analyse bewahrheitet nun die Berechnungen des DAPI.
Mit der Einführung gleich mehrerer innovativer Arzneimittel für die HCV-Therapie im Jahr 2014 kam vielfach die Sorge bezüglich der Kosten auf, die für diese hochpreisigen Arzneimittel bei den gesetzlichen Krankenkassen anfallen. Allein für die medikamentöse Behandlung mit Sofosbuvir (Sovaldi®) wurde mit Verweis auf Berechnungen der AOK mit möglichen Kosten in Höhe von 5 Milliarden Euro für alle Kassen im Jahr 2014 gerechnet (1).
Foto: Fotolia/Zerbor
Das DAPI erstellte im Oktober 2014 auf Basis von GKV-Abrechnungsdaten der Monate Januar bis August 2014 eine Prognose zur Entwicklung der GKV-Kosten für HCV-Therapeutika im Gesamtjahr 2014 (2). Mittels einer retrospektiven Auswertung der tatsächlich bis zum Jahresende stattgefundenen Abgaben aller (konventionellen und neuen) HCV-Therapeutika sollte im Folgenden untersucht werden, welche Auswirkungen die Einführung neuer Wirkstoffe in die HCV-Therapie auf die diesbezüglichen Kosten für die GKV tatsächlich hatte und inwieweit sich die im Herbst 2014 erstellte Prognose bestätigt. In die aktuelle Auswertung wurden folgende Wirkstoffe einbezogen:
Mit den im Jahr 2014 neu zugelassenen Wirkstoffen Sofosbuvir, Simeprevir, Daclatasvir und Ledipasvir konnten erstmalig Therapieregimes mit Wirkstoffkombinationen eingesetzt werden, bei denen kein Einsatz von PEG-Interferon alfa notwendig ist. Dies ist insbesondere deshalb begrüßenswert, da unter Interferontherapie häufig schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten (5). Eine Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) liegt mittlerweile für alle genannten Wirkstoffe (bei Ledipasvir für die Kombination Ledipasvir/Sofosbuvir) vor (6, 7, 8, 9). Für Sofosbuvir in Kombination mit Ribavirin wurde unter anderem ein Hinweis für einen beträchtlichen Zusatznutzen für therapienaive Patienten mit HCV-Genotyp 2 festgestellt (6). Bei Simeprevir ist gemäß Nutzenbewertung des G-BA unter anderem ein Hinweis für einen beträchtlichen Zusatznutzen bei therapienaiven Patienten mit HCV-Genotyp 1 sowie bei therapieerfahrenen HCV- Genotyp 1-Patienten nach Relapse beziehungsweise bei vorherigem Nichtansprechen auf eine Therapie vorhanden, allerdings nur für Kombinationstherapien, die PEG-Interferon alfa mit einschließen (7). Für Daclatasvir (in Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin) sieht der G-BA einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen bei therapienaiven Patienten mit HCV-Genotyp 4.
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Ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen ist gemäß G-BA beim Einsatz von Daclatasvir in Kombination mit Sofosbuvir bei der Behandlung therapienaiver Patienten mit HCV-Genotyp 1 ohne Zirrhose vorhanden (8). Die erst Ende Mai abgeschlossene Nutzenbewertung des G-BA der Wirkstoffkombination Ledipasvir/Sofosbuvir kommt zu dem Schluss, dass bei der Behandlung mit diesen beiden Wirkstoffen Anhaltspunkte für einen beträchtlichen Zusatznutzen bei der Therapie von Patienten mit HCV-Genotyp 1 gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie vorhanden sind – dies trifft sowohl auf therapienaive, als auch therapieerfahrene Patienten, jeweils mit kompensierter Zirrhose oder ohne Zirrhose, zu. Anhaltspunkte für einen geringen beziehungsweise nicht quantifizierbaren Zusatznutzen bei der Kombination Ledipasvir/Sofosbuvir sind zudem gemäß G-BA-Nutzenbewertung bei der Behandlung von Patienten mit HCV-Genotyp 4 sowie bei Patienten mit HCV-Genotyp 1 und HIV-Koinfektion oder dekompensierter Zirrhose vorhanden (9).
Abbildung 1 zeigt die Anzahl abgegebener Packungen der genannten HCV-Therapeutika in den einzelnen Monaten des Jahres 2014. Abbildung 2 stellt dar, wie sich der Anteil an Abgaben direkt antiviral wirkender Arzneistoffe von 12 Prozent im Januar (Boceprevir und Telaprevir) zu 67 Prozent im Dezember (Boceprevir, Telaprevir, Sofosbuvir, Simeprevir, Daclatasvir und Ledipasvir) gegenüber Wirkstoffen der konventionellen Therapie verschoben hat. Dabei fand in Bezug auf die Gesamtzahl abgegebener Packungen seit April 2014 bis zum Jahresende keine Steigerung mehr statt. Da es sich bei den in 2014 neu eingeführten HCV- Therapeutika um hochpreisige Arzneimittel handelt – die Kosten für eine 28-tägige Behandlung betrugen im Dezember 2014 zwischen 13 000 Euro (Daklinza®) und 22 000 Euro (Harvoni®) –, fand eine Steigerung des Gesamtumsatzes aller HCV-Therapeutika von Januar bis Dezember 2014 um den Faktor 12,5 statt (Abbildung 3).
Dabei wurden die von der GKV prognostizierten 5 Milliarden Euro jedoch bei Weitem nicht erreicht. Der Gesamtumsatz der vier neu eingeführten Wirkstoffe lag in 2014 zusammengenommen bei 603 Millionen Euro. Die diesbezüglichen GKV-Ausgaben lagen bei 94 Prozent, also bei 569 Millionen Euro. Die vom DAPI im Oktober 2014 publizierte Prognose eines GKV-Umsatzes von Sovaldi® (Sofosbuvir) und Olysio® (Simeprevir) in 2014 von circa 500 Millionen Euro (2) hat sich mit einem tatsächlichen Wert von 497 Millionen Euro fast punktgenau bestätigt. /
Literatur
Anschrift der Autoren
Deutsches Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI)
Jägerstraße 49/50
10117 Berlin