Die unbekannte Seuche |
09.06.2015 15:08 Uhr |
Neue Seuchen stellen Medizin, Politik und Pharmaindustrie vor große Probleme: Der Erreger ist weitgehend unbekannt und es gibt keine verfügbaren Medikamente oder Impfungen. Das wurde zuletzt bei der Ebola-Epidemie in Westafrika deutlich. Die Entwicklung potenzieller Wirk- und Impfstoffe steht trotz intensiver Bemühungen noch am Anfang.
Ein schwaches Gesundheitssystem, eine instabile politische Lage und vor allem sich stark überschneidende Lebensräume von Mensch und Tier: Diese Faktoren begünstigen laut Professor Dr. Thomas Weinke vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam den Ausbruch einer Seuche. Neue, zunächst unbekannte Infektionen wie beispielsweise Aids, SARS oder Pocken seien häufig Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden.
Symptome wie Fieber, Hals- und Gliederschmerzen und Durchfälle richtig als Ebola-Infektion zu deuten, war eine der großen Herausforderungen bei der Epidemie in Westafrika.
Foto: dpa
Infektion durch Buschfleisch
So auch das Ebola-Fieber: Ausgangspunkt des Ausbruchs in Westafrika war vermutlich eine Übertragung des Virus von infizierten Wildtieren auf den Menschen. Eine Ansteckungsgefahr besteht bei direktem Kontakt mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten infizierter lebender oder toter Wildtiere. Eine Infektion ist beispielsweise durch das Zubereiten oder den Verzehr von rohem Fleisch wilder, Ebola-infizierter Fledermäuse oder Flughunde denkbar; diese werden in Afrika als sogenanntes Buschfleisch gegessen.
Symptome einer Ebola-Infektion sind plötzlich einsetzendes Fieber, Kopf-und Muskelschmerzen, Schwäche, Hals- und Bindehautentzündung sowie Übelkeit. Im Verlauf der Erkrankung treten Erbrechen und starke Durchfälle auf – die ersten Ebola-Fälle des aktuellen Ausbruchs in Guinea habe man daher zunächst als Cholera fehldiagnostiziert. Die Inkubationszeit beträgt zwischen 2 und 21 Tagen, meist jedoch 8 bis 10 Tage. Beim Ausbruch 2014 in Westafrika sind bislang mehr als 11 000 Ebola-Patienten gestorben, mehr als 27 000 Fälle wurden gemeldet. »Mittlerweile sind die Fallzahlen jedoch stark zurückgegangen«, so Weinke.
Dass inzwischen nur noch sehr wenige Ebola-Infektionen auftreten, ist ein Problem für die Forschung. Verschiedene antivirale Medikamente und Impfstoffe gegen Ebola befinden sich aktuell in frühen Entwicklungsphasen. »Wirksamkeitsstudien sind zwar gestartet oder in Planung, diese gestalten sich allerdings schwierig, da es nur noch so wenige Fälle gibt«, sagte der Mediziner. Ein weiteres Problem sei, dass die Wirksamkeit der Medikamente nicht gegen Placebo getestet werden könne, da eine Nichtbehandlung von Ebola-Patienten unethisch ist.
Insgesamt sieben experimentelle Wirkstoffe gegen Ebola-Viren werden beziehungsweise wurden untersucht. Die Hoffnungen der Ärzte ruhen unter anderem auf der Wirkstoffklasse der Polymerasehemmer, so Weinke. Favipiravir, das in Japan zur Influenza-Therapie zugelassen ist, wirkt als Antimetabolit bei verschiedenen RNA-Viren, verhindert also die Synthese neuer RNA-Moleküle. Studien mit Favipiravir laufen momentan. Untersuchungen zur Wirksamkeit des Nukleotidanalogons Brincidofovir wurden hingegen gestoppt, da nur wenige infizierte Patienten für die Studien rekrutiert werden konnten. ZMapp®, ein Cocktail aus drei monoklonalen Antikörpern, wurde während des Ebola-Ausbruchs bei einigen Infizierten angewandt. Die Antikörper werden in Tabakpflanzen hergestellt, die Ausbeute ist bislang jedoch zu gering, um viele Infizierte mit dem Präparat versorgen zu können.
Impfstoffe in Phase III
Bei den Impfstoffen ist man schon etwas weiter. Zwei Kandidaten befinden sich momentan in Phase-III-Studien: ChAd3-ZEBOV von GSK und rVSV-ZEBOV von MSD. Beide Impfstoffe bedienen sich eines viralen Vektors: ChAd3 nutzt das Schimpansen-Adenovirus 3, dem das Gen für ein Oberflächenprotein von ZEBOV (Zaire-Ebola-Virus) eingefügt wurde. Dieser Impfstoff habe in ersten Studien ein akzeptables Sicherheitsprofil bei mäßiger Immunantwort gezeigt, sagte Weinke. rVSV nutzt als viralen Vektor ein rekombinantes vesikuläres Stomatitis-Virus. »Die Immunogenität dieses Impfstoffes scheint etwas besser zu sein«, so Weinke. Jedoch wisse man noch nicht, welche Antikörperspiegel für eine Protektion ausreichen.