Konsequenzen sind unklar |
06.06.2018 09:38 Uhr |
Sind Feinstaub oder Stickoxide gefährlich für Menschen? Diese Frage lässt sich offenbar nicht eindeutig beantworten. Professor Dr. Martin Göttlicher stellte das komplexe Geschehen dar.
Darüber, was es für Folgen hat, wenn Menschen unsaubere Luft einatmen, sind sich die Experten nicht vollkommen einig. »Ein grundsätzliches Problem ist die heterogene Datenlage«, sagte der Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie am Helmholtz-Zentrum München. Laut Göttlicher wurden die Ergebnisse unterschiedlicher Studien zum Teil miteinander vermischt. Die Konsequenz daraus seien unterschiedliche Herangehensweisen und Unklarheiten über adäquate Maßnahmen.
Auf gänzlich emissionsfreie Fahrzeuge umzusteigen, ist nicht für jeden Autofahrer eine mögliche Alternative.
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Verschiedene Schadstoffe
Die Luftqualität, oder anders ausgedrückt die Beschaffenheit der Luft, wird deutschlandweit von den Bundesländern und dem Umweltbundesamt überwacht. Die Qualität der Luft wird dabei durch den Gehalt von Luftschadstoffen bestimmt, also Stoffen, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt haben. Dazu zählen vor allem Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon sowie eine Reihe von Schwermetallen.
»Entscheidend ist der Nachweis, dass ein untersuchtes Agens, etwa Stickstoffdioxid, ursächlich für die beobachtete Wirkung verantwortlich ist«, erklärte Göttlicher. Als zweiter Schritt müsse dann geklärt werden, ob das Auftreten einer Erkrankung tatsächlich Konsequenz der Exposition ist. Dieser Nachweis könne unter kontrollierten Bedingungen, die sich nach Möglichkeit nur in der Exposition gegenüber diesem Agens unterscheiden, sowie durch die Ableitung von nachvollziehbaren Wirkmechanismen unter relevanten Expositionsbedingungen erbracht werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist laut Göttlicher, dass zuerst das Gefährdungspotenzial eines Stoffes charakterisiert werde und erst danach das sich daraus ergebende Gesundheitsrisiko des Stoffes abhängig von der Häufigkeit seines Auftretens abgeleitet werde. Dieser Risikobewertung folge dann im dritten Schritt das Risikomanagement.
Quellen der Luftschadstoffe sind vor allem der Straßenverkehr und Verbrennungsprozesse in Industrie, Energiewirtschaft und Haushalten. Zur Feinstaubbelastung trägt auch die Landwirtschaft durch die Bildung sogenannter sekundärer Partikel bei, also Partikel, die erst durch komplexe chemische Reaktionen aus gasförmigen Substanzen entstehen. Die Höhe der Schadstoffbelastung wird zudem von der Witterung mit beeinflusst. Ist es kalt, steigen die Emissionen gewöhnlich, weil stärker geheizt wird.
Kontroverse um Dosis- Wirkungs-Beziehung
Nach aktuellen Schätzungen sterben in Deutschland jährlich rund 6000 Menschen an Umweltgiften. »Dabei werden allerdings nicht die tatsächlichen Todesfälle gezählt, sondern es handelt sich um eine Berechnung«, erklärte Göttlicher. Die Todesstatistik sei damit nur eine Näherung. Der Anteil der Herz-Kreislauf-Toten durch Feinstaub sei gering, so Göttlichers Einschätzung.
Bei diesem Schadstoff würden die Dosis-Wirkungs-Beziehungen kontrovers diskutiert. »Bei geringer Exposition sind kaum Risiken zu erwarten«, so Göttlicher. Er sieht die Gefährdung für Menschen selbst in der Nähe von viel befahrenen Straßen mit einer mittleren Belastung von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter als gering an und geht davon aus, dass eine Feinstaubbelastung erst bei deutlich höheren Werten zu einem plausiblen Gesundheitsrisiko werden kann. Zudem habe jeder Einwohner einer Stadt effektive Möglichkeiten, sich Feinstaub und Stickoxiden zu entziehen. Schon wenige Meter von der Emissionsquelle entfernt, sei die Belastung bereits halbiert.