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Europa

Luft wird besser – aber noch nicht gut genug

Wer in Europa einen tiefen Atemzug nimmt, bei dem strömen weniger Schadstoffe in die Lungen als noch vor gut zehn Jahren. Trotzdem sterben immer noch Hunderttausende Europäer in Folge der Belastung mit Feinstaub und anderen Schadstoffen vorzeitig.
dpa
24.11.2020  12:22 Uhr
Luft wird besser – aber noch nicht gut genug

Die Menschen in Europa atmen zunehmend sauberere Luft. Die Luftqualität auf dem Kontinent verbesserte sich im Laufe der vergangenen Jahre spürbar, wie die Europäische Umweltagentur EEA in einem am Montag veröffentlichten Bericht schreibt. Die neue EEA-Analyse basiert auf den jüngsten Luftqualitätsdaten von mehr als 4000 Messstationen in Europa. Diese Daten stammen aus dem Jahr 2018. 

Die positive Entwicklung hat Schätzungen zufolge dazu geführt, dass im Vergleich von 2009 zu 2018 unter anderem knapp 60.000 weniger Menschen im Jahr vorzeitig durch die Belastung mit Feinstaub sterben, teilte die Behörde in Kopenhagen mit. Dennoch leiden nach wie vor nahezu alle Europäer unter Luftverschmutzung etwa durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon – und mehr als 400.000 Menschen sterben Schätzungen zufolge weiter pro Jahr an den Folgen der Belastung durch diese Schadstoffe, darunter Zehntausende in Deutschland.

Einen wesentlichen Grund für die höhere Luftqualität sehen die EEA-Experten in einer Verringerung der Emissionen in Schlüsselsektoren wie Verkehr und Energieversorgung. Beim Transport sei der Ausstoß von Schadstoffen wie Stickoxiden seit dem Jahr 2000 trotz einer gesteigerten Mobilitätsnachfrage und der damit verbundenen Zunahme der Treibhausgasemissionen klar zurückgegangen. Auch im Energiesektor seien die Verringerungen beachtlich. Mehr getan werden müsse dagegen in der Landwirtschaft und beim Heizen. «Die EEA-Daten belegen, dass Investitionen in bessere Luftqualität eine Investition in bessere Gesundheit und Produktivität für alle Europäer sind», erklärte EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx.

EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius sprach von guten Nachrichten. Er wies jedoch darauf hin, dass es noch eine andere Seite der Medaille gebe: «Die Zahl der vorzeitigen Todesfälle in Europa aufgrund von Luftverschmutzung ist immer noch viel zu hoch.» Dies dürfe nicht ignoriert werden. Wie aus dem am Montag veröffentlichten jährlichen EEA-Bericht zur Luftqualität in Europa hervorgeht, starben 2018 immer noch rund 417.000 Menschen in 41 europäischen Staaten vorzeitig an der Belastung mit Feinstaub (PM2.5). Darunter waren knapp 379.000 Menschen in der EU, zu der in dem Jahr auch noch Großbritannien zählte, und davon allein 63.100 in Deutschland.

Hinzu kommen in den 41 Ländern insgesamt 55.000 vorzeitige Todesfälle in Verbindung mit Stickstoffdioxid (NO2) und weitere 20.600 durch bodennahes Ozon (O3), darunter 9200 beziehungsweise 4000 in Deutschland. Während sich diese Todesziffer europaweit beim NO2 im Vergleich zu 2009 mehr als halbiert hat, ist sie beim Ozon um ein Fünftel angestiegen.

Die Problemkinder beim Feinstaub befinden sich weitgehend in Osteuropa, wo weiter vergleichsweise viel mit Holz und Kohle geheizt wird. Sechs EU-Staaten übersteigen die EU-Grenzwerte, und zwar Bulgarien, Italien, Kroatien, Polen, Rumänien und Tschechien. Nur in Estland, Finnland, Island und Irland sind diese Werte unter den empfohlenen Werten der Weltgesundheitsorganisation WHO, die noch einmal strenger als diejenigen der EU sind.

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