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EU-Medizinprodukte-Verordnung

Endlich ein Kompromiss

01.06.2016  09:28 Uhr

Von Jennifer Evans / Das Ringen hat ein Ende. Vergangene Woche haben sich die Vertreter des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Ministerrats nach zähen Verhandlungen im Trilog-Verfahren auf eine bessere Regulierung von Medizinprodukten und medizinischen Diagnostika geeinigt.

»Ich bin sehr froh, dass wir es endlich geschafft haben«, so der gesundheitspolitische Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament (EVP), Peter Liese. Immerhin hatten die Debatten und Verhandlungen um ein neues EU-weit gültiges Medizinprodukterecht schon 2012 begonnen.

Die neue Verordnung soll künftig Skandale wie minderwertige Brustimplantate oder schnell brechende Hüftgelenke verhindern. Die Regelungen seien gut für Patienten, legten unsauberen und betrügerischen Herstellern das Handwerk und stärkten damit die seriösen Hersteller, so Liese.

 

Laut Einigung sollen künftig unangekündigte Kontrollen nach dem Inverkehrbringen der Produkte stattfinden können. Das soll Hersteller daran hindern, nach erhaltener Zulassung – wie bei den Brustimplantaten geschehen – hochwertige Produkte gegen Billigvarianten auszutauschen. Zudem teilte Liese mit, dass für Hochrisikoprodukte, etwa Implantate oder HIV-Tests, ein zusätzliches Sicherheitsverfahren eingeführt wird. Demnach überprüfen nicht nur sogenannte benannte Stellen, die bald auch medizinisches Fachpersonal haben müssen, sondern auch Expertenkomitees das Einhalten der Regeln. Außerdem müssen Medizinprodukte – wie bisher nur Arzneimittel – einen klinischen Unbedenklichkeitsnachweis erbringen. Hersteller von Produkten, die höheren Risikoklassen unterliegen, müssen darüber hinausgehende Studien durchführen. Zudem soll es einen Implantatpass geben, damit Patienten und Ärzte wissen, welches Produkt implantiert wurde.

 

Viele kritische Punkte

 

Lieses Angaben zufolge war lange umstritten, ob Patienten über die möglichen Konsequenzen von DNA-Tests informiert werden müssen. Doch letztlich hätten sich die Mitgliedsstaaten auf eine Verpflichtung geeinigt, wenn auch in schwächerer Form als zunächst vom EU-Parlament vorgesehen. Liese: »DNA-Tests können gravierende Konsequenzen für das Leben der Patienten haben und man sollte sie nicht ohne ordentliche Information und Beratung durchführen.«

 

Erfolglos blieb hingegen die Forderung seitens des EU-Parlaments, Medizinprodukte künftig über eine staatliche Zulassung beziehungsweise in bestimmten Bereichen eine zentrale Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur einzuführen. Stattdessen sollen auch in Zukunft die benannten Stellen über eine Zulassung entscheiden.

 

Die Gesundheitsminister der EU-Mitgliedsstaaten werden die Einigung in ihrer Ratssitzung am 16. Juni 2016 bestätigen. Lediglich Formsache bleibt die offizielle Zustimmung des EU-Parlaments und des Rats. Die Verordnung muss nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden, die Mitgliedsstaaten können sie aber an einzelnen Stellen ergänzen. Die Einigung könnte bereits im zweiten Halbjahr 2016 in Kraft treten. Vorgesehen ist zunächst eine Übergangsphase von drei Jahren. /

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