AOK scheitert an Vergabekammer |
23.05.2018 10:18 Uhr |
Von Anna Pannen / Das Bundeskartellamt hat eine Vereinbarung zu Grippeimpfstoffen zwischen AOK Nordost und drei Apothekerverbänden gestoppt. Die Kasse müsse die Belieferung ordentlich und nach Vergaberecht ausschreiben, erklärten die Juristen – und sorgten damit für Verwunderung. Denn eigentlich ist dies seit vergangenem Jahr verboten.
In Sachen Grippeimpfstoff-Vereinbarung zwischen AOK Nordost und Apothekern kehrt keine Ruhe ein. Wie berichtet hatten die Apothekerverbände Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern im Februar einen Vertrag zur Belieferung mit quadrivalentem Grippeimpfstoff für die kommende Saison getroffen. Er war von den Herstellerverbänden mehrfach kritisiert worden. Nun hat Glaxo Smith-Kline (GSK) gegen das Papier geklagt – mit Erfolg. Die zweite Vergabekammer beim Bundeskartellamt erklärte es vergangene Woche für ungültig.
Schon seit 2011 schließen AOK Nordost und die drei Apothekerverbände regelmäßig Verträge über die Versorgung AOK-Versicherter mit Grippeimpfstoffen. Die Kasse erklärt sich bereit, die Vakzine zu einem bestimmten Höchstpreis garantiert zu bezahlen. Die Apothekerverbände bringen anschließend bei verschiedenen Herstellern in Erfahrung, wer die Vakzine zu diesem Preis anbieten würde. Die kassenärztliche Vereinigung wiederum bittet ihre Mitglieder, produktneutral zu verordnen – also kein Präparat, sondern einen Wirkstoff zu verschreiben.
Quadrivalente Grippeimpfstoffe werden ab Herbst von den Krankenkassen bezahlt. Einen Vertrag zwischen AOK Nordost und Apothekern zur Versorgung mit den Vakzinen hat das Bundeskartellamt nun jedoch gestoppt.
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Hersteller laufen Sturm
In diesem Jahr nun war es in der Vereinbarung erstmals nicht um trivalenten, sondern um quadrivalenten Grippeimpfstoff gegangen. Diese Variante ist ab Herbst vorgeschrieben. Sie wird allerdings bislang nur von drei Unternehmen hergestellt – von GSK, Sanofi und Mylan. Über eine Tochterfirma hatte der Berliner Apothekerverein sich von Mylan vertraglich zusichern lassen, den Impfstoff zum Preis von 10,95 Euro zu liefern – jenen Preis, den die AOK zu bezahlen bereit ist.
Sanofi und GSK dagegen bieten die Impfdosen weiterhin zum höheren Listenpreis an – und fühlen sich benachteiligt. Es sei klar, dass die Apotheken so fast ausschließlich das Präparat von Mylan abgeben würden, da es für sie wirtschaftlicher sei, erklärten sie. Die Herstellerverbände liefen Sturm gegen die Vereinbarung. Seit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) sei es nicht mehr erlaubt, Impfstoffe auszuschreiben, monierten sie. Die Abmachung mit der AOK sei aber nichts anderes als ein Exklusivvertrag und widerspreche geltendem Recht.
Zwei Klagen Sanofis vor dem Sozialgericht Frankfurt und dem Landgericht Berlin gegen das Papier scheiterten. Erst im dritten Versuch war GSK nun beim Bundeskartellamt erfolgreich. Die Kartellrechtler erklärten den Vertrag zwischen AOK und Apothekerverbänden für unwirksam. Allerdings nicht aus den Gründen, die die Hersteller vorgebracht hatten. Kassen dürften Impfstoffe sehr wohl auch weiterhin ausschreiben, erklärten sie. Dies müsse allerdings korrekt passieren.
Das Bundessozialgericht habe in mehreren Urteilen klargestellt, dass Leistungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern (in diesem Fall Apothekern) mit öffentlichen Aufträgen gleichzusetzen sind, so die Juristen beim Kartellamt. Zwar hatte die AOK erklärt, die Vereinbarung sei nicht exklusiv gewesen, schließlich hätten sich auch andere Hersteller beteiligen und mit den Preisen runtergehen können. Den Kartellrechtlern reicht das jedoch nicht. Die Kasse hätte als öffentlicher Auftraggeber ein förmliches Vergabeverfahren oder ein Open-House-Verfahren anstoßen müssen, stellten sie klar.
Die AOK zeigte sich mit Blick auf die Entscheidung verwirrt. Denn zumindest darin ist sie sich mit den Herstellern einig: Das AMVSG schließt Rabattvertrags-Ausschreibungen für Impfstoffe aus. Die Vorschläge des Kartellamts seien deswegen »nicht nachvollziehbar«, sagte ein AOK-Sprecher. Die Kasse prüft nun eine Beschwerde vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf.
Beim Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) freut man sich dagegen über den Beschluss. »Wir sehen uns in unserer massiven Kritik an den Impfstoffvereinbarungen bestätigt«, sagte BPI-Vize Norbert Gerbsch. Dass die Vergabekammer Impfstoff-Ausschreibungen allerdings nach wie vor für zulässig erachtet, macht auch den Herstellerverband nervös. Er fordert Gesetze, die die Ausschreibung von Impfstoffen über das AMVSG hinaus grundsätzlich verbieten. /