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Parasiten

Da steckt der Wurm drin

19.05.2015  13:31 Uhr

Von Daniela Hüttemann / Wurmerkrankungen beim Menschen waren früher auch in unseren Breiten üblich. Heute sorgt fast nur noch Madenwurmbefall für Beratungsbedarf in der Apotheke. Würmer könnten jedoch ein Comeback feiern – und zwar als Therapeutikum.

Die Vorstellung, Würmer im Darm oder anderen Körperteilen zu haben, ekelt wohl jeden. Fast die gesamte Menschheitsgeschichte über war das jedoch der Normalzustand. »Mensch und Wurm haben sich über Jahrtausende miteinander arrangiert«, erklärt Professor Dr. Egbert Tannich vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. »Bis vor hundert Jahren waren vermutlich die meisten Deutschen mindestens einmal im Leben mit Würmern infiziert.«

 

Würmer sind relativ große mehrzellige Organismen und können nicht wie Bakterien oder andere Einzeller von Fresszellen des Immunsystems eliminiert werden. Dennoch werden sie von der Immunabwehr als fremd erkannt und ähnlich wie Organe nach Transplantationen abgestoßen. »Um dies zu verhindern, haben Würmer Mechanismen entwickelt, die unser Immunsystem in gewisser Weise unterdrücken«, sagt der Experte für parasitäre Erkrankungen. 

 

Gerade so viel, dass es dem Wirt in der Regel nicht besonders schadet – im Gegenteil: »Dass bei uns in Nord- und Mitteleuropa kaum noch Wurmerkrankungen vorkommen, ist teilweise auch nachteilig für unsere Immunreaktion.

«Den Anstieg von Aller­gien und Autoimmunerkrankungen wie Asthma, Neurodermitis, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bringen ­viele Wissenschaftler mit den besonders hygienischen Lebensbedingungen und dem Verschwinden von Wurmerkrankungen in Zusammenhang.

 

»Die letzte häufige Wurmerkrankung in Nordeuropa ist ein Befall mit Madenwürmern«, erklärt Tannich. Da Madenwürmer im Darm verbleiben und nicht wie viele andere Arten durch das Gewebe wandern, sind sie jedoch kaum Trainingspartner für das Immunsystem. Nur selten infizieren sich ­Menschen in Deutschland noch mit Spul- oder Bandwürmern. Urlauber aus tropischen oder subtropischen Gegenden bringen manchmal ungebetene Gäste mit nach Haus, die gefährlich werden können. Ein Fadenwurm aus Süd- und Osteuropa könnte sogar bald hierzulande Fuß fassen.

 

Weltweit sind geschätzt zwei Milliarden Menschen von parasitären Würmern (Helminthen) besiedelt, der Großteil in den warmen Klimazonen der Erde. Bekannt sind etwa 150 verschiedene humanpathogene Würmer, die in Rundwürmer (Nematoden), Bandwürmer (Zestoden) und Saugwürmer (Trematoden) unterteilt werden (Grafik).

 

Madenwürmer weitverbreitet

 

Am häufigsten besiedeln Madenwürmer (Enterobius vermicularis oder Oxyuris vermicularis) den Menschen. Ein Befall wird Enterobiasis oder Oxyuriasis genannt. Genaue Zahlen zur Prävalenz in Deutschland liegen nicht vor. In den USA geht die Seuchenschutzbehörde CDC davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Kinder in Betreuungseinrichtungen und Schulen, deren Betreuer sowie Heimbewohner infiziert sind (1). Weltweit schwanken die Angaben von 400 Millionen bis zu mehr als einer Milliarde Infizierter.

 

»Madenwürmer sind bei uns in der Arztpraxis nicht ungewöhnlich mit drei bis fünf Fällen pro Woche«, berichtet der Hamburger Kinderarzt Dr. Stefan Renz. »Betroffen sind alle sozialen Schichten. Eine Infektion hat nichts mit einem dreckigen Haushalt zu tun.«

 

Und auch nicht mit Haustieren: Einziger Wirt ist der Mensch. Man infiziert sich durch orale Aufnahme oder Inhalation und anschließendes Verschlucken der ovalen, etwa 50 bis 60 mal 20 bis 30 µm großen Eier. Die erwachsenen Würmer leben im Dickdarm. Von dort macht sich das Weibchen abends oder nachts auf den Weg zum After und legt dort etwa 5000 bis 15 000 Eier ab, was zu Juckreiz führt. Durch Kratzen gelangen die klebrigen Eier an Hände und unter die Fingernägel. Von dort aus werden sie weiterverteilt – zurück in den eigenen Mund, auf Türklinken oder Spielzeuge. Sie haften außerdem an Unterwäsche, Bettwäsche und Handtüchern. Beim Bettenmachen können sie aufgewirbelt und verschluckt werden. Die Eier bleiben bei kühlen feuchten Bedingungen zwei bis drei Wochen infektiös.

Nachweis mit Klebstreifen

 

Manchmal lässt sich das etwa 8 bis ­ 13 mm lange und 0,3 bis 0,5 mm dicke Weibchen während der Eiablage am ­After des Kindes beim Wickeln beobachten oder landet in der Windel. Würmer und Eier sind jedoch nur unzuverlässig im Stuhl nachweisbar.

 

Wichtigster Hinweis auf eine Enterobiasis ist der nächtliche Juckreiz am After. Bei Mädchen kann es auch zu einem Befall der Scheide (Vulvovaginitis) kommen. Solche Symptome gelten als starker Hinweis, häufig verläuft die ­Infektion jedoch leicht und asymptomatisch.

 

Nachweisen lässt sich die Infektion am besten durch den Klebstreifentest. Dazu drückt man morgens vor dem ersten Toilettengang einen Klebstreifen in der Pofalte auf die Haut, fixiert ihn anschließend auf einem Objektträger und sucht unter dem Mikroskop nach Eiern. Ist ein Familienmitglied infiziert, ist mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit auch der Rest des Haushalts betroffen und sollte mitbehandelt werden.

 

»Ein Madenwurmbefall ist durch den Juckreiz sehr unangenehm und sollte behandelt werden, ist aber fast immer harmlos«, beruhigt Tannich. Aufgekratzte Stellen in der Perianalgegend können sich entzünden und mit Bakterien infizieren. Bei sehr starkem Befall können auch Bauchschmerzen, Durchfall und Übelkeit auftreten. Der nächtliche Juckreiz kann zudem den Schlaf beeinträchtigen. Manchmal entzündet sich der Blinddarm. Nur selten wandern Würmer bei Mädchen und Frauen von der Vagina in Gebärmutter, Eileiter oder Bauchhöhle ein und können hier Entzündungen verursachen.

 

Die Würmer sterben nach einigen Wochen von selbst ab. Allerdings kommt es ohne Medikamente durch die ständige Autoinfektion oder Reinfektionen aus dem Umfeld meist zu ­einer Dauerinfektion.

Tabelle 1: Einsatzgebiete, Altersangaben und Kontraindikationen der Anthelminthika

Wirkstoff (Präparat*) empfindliche Erreger Kinder Schwangerschaft und Stillzeit Kontraindikationen**)
Mebendazol (Vermox®, Surfont®) Madenwürmer, Fadenwürmer, Bandwürmer, Trichinen je nach Indikation ab zwei Jahren, darunter nur bei strenger Indikations­stellung kontraindiziert Leberschäden
Albendazol (Eskazole®) Madenwürmer, Spulwürmer, Trichinen, Peitschenwurm, Hakenwürmer, Bandwürmer, Zwergfadenwurm ab sechs Jahren, darunter nicht empfohlen kontraindiziert, nur wenn zwingend nötig Cave bei älteren Patienten oder Nierenfunktionsstörung
Pyrvinium (Molevac®, Pyrcon®) Madenwürmer ab einem Jahr, keine Daten bei jüngeren Kindern nur bei dringender Indikation, Muttermilch während der Therapie verwerfen Leberschäden, Niereninsuffizienz, entzündliche Darm- erkrankungen
Pyrantel (Helmex®) Madenwürmer, Spulwürmer, Hakenwürmer ab sechs Monaten nur bei dringender Indikation, Muttermilch während der Therapie verwerfen Leberschädigung bei Soja- oder Erdnussallergie
Praziquantel (Cesol®, Cysticide®, Biltricide®) Saugwürmer, Bandwürmer ab zwei Jahren strenge Nutzen-Risiko-Abwägung intraokuläre Zystizerkose, Kombination mit Rifampicin, Leber-, Nieren- oder Herzinsuffizienz (relative KI), Herz-Rhythmus-Störungen (relative KI)
Niclosamid (Yomesan®) Bandwürmer ab Geburt frühestens im zweiten Trimenon, möglichst erst postpartal und nicht während der Stillzeit

*) Beispiele; **) außer: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile

Therapie der Enterobiasis

 

Die Pharmakotherapie ist relativ einfach. Erwachsene und Kinder ab zwei Jahren nehmen an drei aufeinander folgenden Tagen einmal täglich 100 mg Mebendazol zerkaut oder unzerkaut mit einer fettigen Mahlzeit ein (Kontraindikationen und Angaben zu Schwangerschaft und Stillzeit siehe Tabelle 1). Der Wirkstoff greift die Mikrotubuli von Rund- und Bandwürmern an. Bei Kindern unter zwei Jahren darf Mebendazol nur bei strenger Indikationsstellung und fehlenden therapeutischen Alternativen eingesetzt werden. Allgemein ist Mebendazol sehr gut verträglich, in seltenen Fällen sind jedoch schwere Nebenwirkungen möglich (Tabelle 2).

 

Eine Alternative zu Mebendazol ist eine Einmaldosis von 400 mg Alben­dazol. Allerdings ist das einzige in Deutschland erhältliche Fertigarzneimittel (Eskazole®) nicht bei Madenwurmbefall zugelassen. Da Mebendazol und Albendazol teratogen wirken können, sollten Frauen und Männer während der Therapie eine Empfängnis wirksam verhüten.

 

Alternativen für Kleinkinder

 

Kinder ab einem Jahr können mit Pyrvinium behandelt werden. Für Säuglinge liegen keine Daten zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vor. Pyrvinium ist ein Chinolinium-Salz, das die Glucose-Resorption der Würmer hemmt. Achtung: Es färbt den Stuhl stark hellrot ein und lässt sich aus Textilien nicht mehr entfernen.

 

Die Dosierung beträgt bei Kindern ab einem Jahr und Erwachsenen 50 mg Pyrvinium (5 ml Suspension) pro 10 kg Körpergewicht (KG) mit einer Maximalgabe von 400 mg, in der Regel als Einzeldosis. Die Suspension kann mit Fruchtsaft verdünnt werden und ist vor Gebrauch zu schütteln. Kinder ab drei und Erwachsene können auch Tabletten einnehmen (50 mg Pyrvinium, das heißt ein Dragee pro 10 kg KG). Da Pyrvinium nicht über den Darm resorbiert wird, führt es häufig zu gastrointestinalen Beschwerden (Tabelle 2).

 

Mittel zweiter Wahl ist Pyrantel, das nicht nur als Human-, sondern auch als Tierarzneimittel für Katzen, Hunde und Pferde angeboten wird. Das Tetrahydropyrimidin löst eine spastische Lähmung beim Wurm aus, sodass dieser lebend ausgeschieden wird. Die Dosierung der Suspension beträgt einmalig 10 mg/kg KG mit einer Maximaldosis von 1 g Pyrantel. Das Arzneimittel kann unabhängig von Essen und Tageszeit eingenommen werden. Für Kinder ab zwei Jahren und 12 kg Körpergewicht sowie Erwachsene stehen auch Kau­tabletten zur Verfügung, die ebenfalls nach Körpergewicht dosiert werden.

 

Begleitende Maßnahmen

 

Für alle Arzneimittel gilt: Alle Familienmitglieder sollten die Behandlung am gleichen Tag beginnen und die Therapie mindestens einmal nach zwei Wochen, besser noch ein drittes Mal nach weiteren 14 Tagen wiederholen, um ­ alle Entwicklungsstadien des Madenwurms zu erreichen, sagt der Parasitologe Tannich. Die Anthelminthika wirken nämlich nur gegen adulte Würmer, nicht gegen Larven und Eier. Wenn die Therapie nicht erfolgreich ist, liegt das nicht an einer Resistenz der Würmer, sondern an Reinfektionen. »Kommt es in einer Familie immer wieder zu Madenwurmbefall, sollten alle Personen acht Wochen lang einmal pro Woche medikamentös behandelt werden«, empfiehlt Kinderarzt Renz.

 

Zusätzlich müssen zumindest am Behandlungstag die Bettwäsche und Handtücher ausgetauscht werden. Kleidung und Schmusetiere sollten bei 60 Grad gewaschen werden. Die Betten dürfen nicht aufgeschüttelt werden. Die Schlafräume sollten gründlich gesaugt und alle Türgriffe und Sanitäreinrichtungen geputzt ­werden. Desinfektionsmittel bringen nichts. Auch Diäten oder Abführmittel sind wirkungslos.

 

Oft wird in der Literatur empfohlen, die Bettwäsche während der gesamten Behandlungsdauer täglich zu wechseln. Tannich hält dies für übertrieben. Wichtiger sei die persönliche Hygiene, also sich nach jedem Toilettengang und vor dem Essen die Hände zu waschen und die Fingernägel möglichst kurz zu schneiden. Kleinkinder sollten möglichst eng gewickelt werden, damit sie sich nicht im Schlaf am Po kratzen können.

 

Bandwürmer von Rind und Schwein


Oftmals bekannter, aber viel seltener als Madenwürmer sind Bandwürmer (Zestoden). Fachleute unterscheiden Echinokokkosen durch Fuchs- oder Hundebandwurm von Taeniosen durch Rinder-, Schweine- oder Fischbandwurm.

Laut Tannich sind Humaninfektionen mit dem Rinder- (Taenia saginata) oder Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) in Deutschland sehr selten. Es liegen aber keine Zahlen vor. Weltweit sind schätzungsweise 40 bis 60 Millionen Menschen mit dem Rinderbandwurm infiziert. Eine Infektion erfolgt über den Verzehr von rohem oder halbgarem infizierten Rindfleisch. War das Fleisch zuvor gefroren oder ist es gut durchgegart, ist es dagegen unbedenklich.

Oft zeigen die Infizierten keine Symptome. Möglich sind Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen, Übelkeit, ein »Wühlen im Bauch«, Juckreiz in der ­Analgegend, Appetitlosigkeit oder Heißhunger, Müdigkeit und Schwächegefühl (2). Vor allem Kinder können durch einen Befall deutlich abnehmen. Komplikationen wie Blinddarm-, Gallenblasen- oder Bauchspeicheldrüsenentzündung sind selten, aber mitunter lebensbedrohlich.

Im Gegensatz zu Madenwürmern brauchen Bandwürmer einen oder zwei Zwischenwirte für die Entwicklung ihrer Larven. Beim Rinderbandwurm ist der Mensch der Endwirt. Dort setzt sich der erwachsene Wurm mit dem Kopf (Scolex) in der Darmwand fest und kann bis zu 10 Meter lang werden. Der erwachsene Wurm stößt immer wieder Glieder ab (Proglottiden), die sich bewegen können, reife Eier enthalten und mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Die Diagnose erfolgt über den Nachweis von Bandwurm-Segmenten oder Eiern im Stuhl. Zurück zum Rind gelangt die Infektion, wenn mit menschlichen Fäkalien gedüngt wird oder Weiden und Mähwiesen als Toilette genutzt werden. Im Rind entwickeln sich die Eier im Darm zu Larven, wandern in verschiedene Organe und setzen sich dort als Finnen fest – zum Beispiel im Muskelfleisch.

 

Nimmt der Mensch Eier des Schweinebandwurms auf (Taenia solium), kann es zum Krankheitsbild der Zystizerkose kommen. Dabei entwickeln sich die Eier auch im Menschen zu Larven (Finnen) und wandern aus dem Darm in verschiedene Organe, wo sie häufig verkalken. Insbesondere die Muskulatur, das subkutane Bindegewebe, Augen und Gehirn können betroffen sein.

 

Behandlung von Taeniosen

 

Als Mittel der Wahl bei Taeniosen gelten Praziquantel und Niclosamid. Praziquantel hat ein breites Wirkspektrum. Es eignet sich nicht nur zur Behandlung von Bandwürmern, sondern auch von Leber- und Pärchenegeln (Bilharziose). Praziquantel lähmt die Wurmmuskulatur, der dadurch seinen Halt in der Darmwand verliert und ausgeschieden wird.

 

Bei Taeniosen müssen Erwachsene und Kinder ab zwei Jahren nur einmalig je nach Wurmart 5 bis 10 mg Praziquantel pro kg KG einnehmen. Bei einer Neurozystizerkose durch Schweinebandwurmeier muss der Patient dagegen 15 Tage lang täglich 50 mg/kg Körpergewicht einnehmen (Cysticide® für Erwachsene und Kinder ab zwei Jahren). Die Therapie sollte stationär erfolgen. Das Humanarzneimittel Biltricide® ist nur für Infektionen mit Saugwürmern (Trematoden) zugelassen.

 

Die Nebenwirkungen hängen ab von Höhe und Dauer der Medikation sowie von Art, Ausmaß und Lokalisa­tion des Parasitenbefalls. Sie ähneln den eigentlichen Symptomen. Wechselwirkungen mit Rifampicin, Dexamethason, Chloroquin und Grapefruitsaft sind möglich.

 

Niclosamid als Alternative

 

Eine Alternative bei Taeniosen ist das Salicylsäure-Derivat Niclosamid. Es hemmt vermutlich die Glucoseaufnahme der Würmer sowie die Zellatmung in den Mitochondrien. Da es kaum enteral resorbiert wird, wirkt es nur auf die Würmer im Darm, nicht aber in anderen Organen. Daher ist es beim Schweinebandwurm nur Mittel zweiter Wahl.

 

Erwachsene und Kinder ab sechs Jahren nehmen bei Taeniosen einmalig nach dem Frühstück vier Kautabletten mit jeweils 500 mg Niclosamid ein. Die Tabletten müssen gründlich zerkaut und mit wenig Wasser geschluckt werden. Kinder zwischen zwei und sechs Jahren nehmen zwei Kautabletten, für jüngere Kinder reicht eine Tablette, die mit wenig Wasser zu einem feinen Brei zermahlen werden kann. Um den durch die Wurminfektion vermehrten Darmschleim zu entfernen und die Würmer besser zu erreichen, sollte dazu saurer Fruchtsaft getrunken werden. Frühestens zwei Stunden nach der Einnahme sollte der Patient ein Abführmittel einnehmen, damit alle reifen Kettenglieder des Wurms mit Eiern aus dem Darm gelangen.

 

Auch eine Behandlung mit Mebendazol oder Albendazol (off label) ist bei Taeniosen möglich. Die Dosierung von Mebendazol unterscheidet sich von der bei der Therapie von Madenwurmbefall. Der Patient muss drei Tage lang morgens und abends jeweils drei Tabletten (insgesamt 300 mg) Mebendazol oder vier Tage lang zweimal täglich zwei Tabletten einnehmen.

 

Gefahren durch Fuchs- und Hundebandwurm

 

Gefährlicher als Rinder-, Schweine- und Fischbandwürmer sind Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) und Hundebandwurm (Echinococcus granulosus und Subtypen). Die Larven können sich im Menschen zu wenige Millimeter großen Würmern entwickeln, werden aber nicht weiter übertragen, da der Mensch ein Fehlwirt ist. Die Larven befallen die Leber und manchmal noch weitere Organe wie Lunge und Gehirn, was die Infektionen so gefährlich macht.

 

Während der Hundebandwurm eher im Süden und Osten Europas verbreitet ist, kommt der Fuchsbandwurm auch in Deutschland (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Thüringen und Brandenburg), Österreich und der Schweiz vor (3). Endwirt und damit Überträger können auch Hunde und Katzen sein. Während man früher meinte, dass Menschen sich vor allem über Waldbeeren, Pilze oder Gemüse und Fallobst, das mit Fuchskot verunreinigt ist, anstecken, geht man heute davon aus, dass eine Übertragung durch infizierte Haustiere wahrscheinlicher ist (lesen Sie dazu auch Seite 18).

Füchse, Hunde und Katzen können die Wurmeier auch auf Spielplätzen im Sand hinterlassen. Die Eier können zudem im Fell kleben und beim Streicheln übertragen werden. Die Inkubationszeit beträgt beim Menschen bei einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm zehn Jahre und mehr. Die Diagnose erfolgt häufig erst, wenn die Parasiten bereits deutliche Organ­ver­än­de­run­gen hervor­ge­rufen haben. Ein Drittel der Patienten mit Fuchsbandwurm zeigt bei der Diagnose keinerlei Beschwerden. Da nahezu immer die Leber betroffen ist, kann es vor ­allem zu Ein­schrän­kun­gen der Leber­fun­tionen bis hin zum Leberversagen kommen. Sehr selten sind eine Lungen­be­tei­ligung mit Husten oder Atem­be­schwer­den sowie ein Befall des ZNS, der zu neurologischen Ausfällen und Krämpfen führen kann.

 

Langfristige Therapie

 

Beide Erkrankungen sind dringend ­behandlungsbedürftig, da sie tödlich enden. Bei Fuchsbandwurm können befallene Lebersegmente operativ entfernt werden. Angesichts der hohen Rezidivrate wird zusätzlich mit Albendazol oder Mebendazol therapiert. So können etwa 20 Prozent der Patienten ­geheilt werden, bei 60 Prozent kommt es zu einer Stabilisierung. Gelingt eine radikale Operation, muss der Patient die Medikamente über zwei Jahre täglich einnehmen, ansonsten langfristig bis ­lebenslang, da die Arzneistoffe nur das Wachstum des Parasiten hemmen.

 

Die Prognose bei Hundebandwurm-Befall ist deutlich besser als beim Fuchsbandwurm, hängt aber von der Zahl und Lage der Zysten ab.

Tabelle 2: Häufige und sehr häufige Nebenwirkungen der Anthelminthika; Nebenwirkungen teilweise abhängig von der Art des Wurmbefalls, der Dosis und der Therapie­dauer

Wirkstoff Nebenwirkungen
Mebendazol häufig: Bauchschmerzen bei hoher Dosis oder langer Einnahme: Agranulozytose, Glomerulonephritis
Albendazol sehr häufig: Kopfschmerzen, gering bis mäßig erhöhte Leberenzymwerte häufig: Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, reversibler Haarausfall, Fieber
Pyrvinium häufig: gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
Pyrantel häufig: Kopfschmerzen, Schwindel, Darmkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Lebertransaminase-Erhöhungen
Praziquantel häufig: Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Urtikaria, Appetitlosigkeit, Schwäche, Müdigkeit, Temperaturerhöhung
Niclosamid häufig: Brechreiz, Übelkeit, Bauchschmerzen

Spulwürmer

 

Der wohl zweithäufigste Wurmbefall in Deutschland, wenn auch viel seltener als Madenwürmer, ist Spulwürmern geschuldet (Askariasis). Weltweit sind 1,2 bis 1,5 Milliarden Menschen mit Ascaris lumbricoides infiziert. In Industrieländern liegt die Prävalenz unter 1 Prozent.

 

Neben dem Spulwurm des Menschen können sich auch Eier und Lar-­ ven der Spulwürmer von Katze, Hund, Fuchs oder Schwein im menschlichen Körper einnisten. Die Ansteckung mit dem menschlichen Spulwurm erfolgt durch Nahrungsmittel wie Gemüse und Salat, die mit humanen Fäkalien gedüngt wurden. Tierische Spulwürmer können auch über infizierte Haustiere oder bei Kontakt mit dem Katzenklo weitergereicht werden. Mit Kot verunreinigter Sand auf Spielplätzen oder Erde gilt als häufigste Infektionsquelle bei Kindern.

 

Der menschliche Spulwurm legt pro Tag circa 200 000 Eier, die mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Nimmt ein Mensch ein Ei oral auf, entwickelt sich im Dünndarm eine Larve, die über Leber, Herz und Lunge in die Speiseröhre wandert und verschluckt wieder in den Dünndarm gelangt. 

Dort entwickelt sie sich zum erwachsenen Wurm mit einer Länge von bis zu 40 cm. Der Entwicklungszyklus dauert etwa zwei Monate, die adulten Würmer leben ein bis zwei Jahre. Symptome sind – neben Unwohlsein, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit oder Heißhunger – auch trockener Husten, Fieber, Atembeschwerden und asthmaähnliche Symptome. Komplikationen bei starkem Spulwurmbefall sind Darmverschluss durch Wurmknäuel, Blinddarmentzündung und Gallenstau.

 

Behandelt wird mit einer Einmal­dosis 400 mg Albendazol oder 500 mg Mebendazol. Die Heilungsrate liegt bei 80 bis 100 Prozent. Als Alternative kommen Piperazin, Ivermectin und Pyrantel infrage. Treten allergische ­Reaktionen auf, kann mit Corticosteroiden behandelt werden.

 

Keine Exoten mehr: Dirofilarien

 

Neu auf der Landkarte in Mitteleuropa sind bestimmte Dirofilarien (Dirofilaria repens), die ebenfalls zu den Fadenwürmern gehören. Ursprünglich sind sie in tropischen Ländern sowie Süd- und Osteuropa heimisch. »Normalerweise leben die erwachsenen, 12 bis 15 cm langen Dirofilarien unter der Haut von Hunden oder Füchsen«, erklärt der ­Parasitologe Tannich.

 

Dirofilarien legen keine Eier, sondern produzieren kleine Würmchen, sogenannte Mikrofilarien. Diese zirkulieren im Blut und können von verschiedenen Stechmückenarten aufgenommen und auf andere Tiere oder den Menschen übertragen werden. »Wir finden mittlerweile immer mehr infizierte Stechmücken nördlich der Alpen«, so Tannich. 2014 trat erstmals ein Fall einer in Deutschland erworbenen Infektion bei einem Patienten aus Sachsen-Anhalt auf.

 

Beim Menschen als Fehlwirt können abgestorbene Dirofilarien Knoten unter der Haut und am Auge bilden. Der Wurm kann chirurgisch entfernt oder medikamentös mit Albendazol behandelt werden. Darüber hinaus sollte man Hunde regelmäßig auf ­Dirofilarien untersuchen und gegebenenfalls entwurmen.

 

Würmer als Therapeutika

 

Seit den 1990er-Jahren haben sich immer wieder Menschen absichtlich mit Würmern infiziert, weil sie unter unheilbaren und oft schwer zu behandelnden Autoimmunerkrankungen leiden. Die Theorie: Relativ harmlose Helminthen wie der Peitschenwurm des Schweins (Trichuris suis) können das menschliche Immunsystem modulieren, ohne unerwünschte Symptome auszulösen. »Wir wissen noch nicht, bei welchen Patienten eine Therapie mit Würmern wirklich sinnvoll ist«, so Tannich. Es laufen einige Studien, um diese Frage zu klären.

 

Bislang sind die Erfolge bescheiden: Zwei größere placebokontrollierte Studien mit Peitschenwurm-Eiern zeigten zwar eine biologische Reaktion bei Patienten mit Morbus Crohn, allerdings keine signifikante Verbesserung der ­klinischen Symptome (4). Auch zehn Multiple-Sklerose-Patienten in einer Beobachtungsstudie profitierten nicht von der mehrmaligen Einnahme der Wurmeier (5). Im Januar 2014 schlossen Forscher in einem Cochrane-Review, dass die Datenlage noch nicht für den Einsatz von Peitschenwurm-Eiern bei entzündlichen Darmerkrankungen ausreicht (6).

 

Weitere Studien bei Patienten mit Allergien, entzündlichen Darmerkrankungen, MS, rheumatoider Arthritis, Psoriasis und Autismus laufen, ebenso wie Studien mit Larven des Hakenwurms (Necator americanus) bei allergischer Rhinitis, Asthma, Zöliakie und MS (7). Die meisten Studien befinden sich in Phase I oder II. Unklar ist auch, inwieweit nicht doch Nebenwirkungen auftreten können und wie lange therapiert werden muss.

 

Daher arbeiten Forscher an neuen Therapeutika auf Basis von Wurmmolekülen mit immunmodulierenden Eigenschaften, zum Beispiel Einzelsub­stanzen wie dem Glykoprotein ES-62 aus Filarien oder Extrakten aus dem Peitschenwurm. Tierversuche liefen vielversprechend, doch bislang wurde noch keine Substanz an Menschen getestet. /

 

Literatur bei der Verfasserin

Die Autorin

Daniela Hüttemann studierte Pharmazie an der Philipps-Universität, Marburg. Einen Teil ihres praktischen Jahres forschte sie an der medizinischen Fakultät der National University of Singapore. Die Ergebnisse mündeten in eine Diplomarbeit, die sie an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, verteidigte. 2007 erhielt sie die Approbation. Nach einem Volontariat bei der Pharmazeutischen Zeitung arbeitete sie zunächst in der Redaktion in Eschborn und ist nun in Hamburg tätig

 

E-Mail: Huettemann@govi.de

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