Experten fordern mehr Fertigarzneien |
17.05.2017 10:17 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe, Frankfurt am Main / Aus pharmazeutischer Sicht ist die Verordnung von Cannabis als Ganzdroge schwierig. Hersteller und Zulassungsbehörde sollten daher verstärkt den Dialog suchen, um die Entwicklung weiterer Fertigarzneimittel mit ein oder mehreren Reinsubstanzen voranzutreiben. Zu diesem Fazit kamen Experten vergangene Woche in Frankfurt am Main.
Unter den Experten befanden sich Apotheker, Ärzte sowie Vertreter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), des NRF und der Pharmaindustrie. Eingeladen hatten die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft und das House of Pharma zu einer Diskussionsrunde mit dem Thema Cannabis als Arzneimittel.
Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis bieten aus pharmazeutischer Sicht einige Vorteile gegenüber der Reindroge. Bislang gibt es allerdings nur wenige Präparate.
Foto: dpa
Die Pharmazeuten waren sich einig darin, dass der therapeutische Einsatz von Cannabisblüten im Sinne der Qualitätssicherung von Arzneimitteln nahezu grotesk ist. »Das ist ein therapeutischer Rückschritt«, sagte Moderator Professor Henning Blume von Socratec.
In der Regel kämen in der modernen Medizin entweder standardisierte Extrakte oder sogar Reinsubstanzen zum Einsatz, die in vielen Fällen inzwischen sogar synthetisch hergestellt werden. Bei Cannabis böte sich zum Beispiel Dronabinol an, das momentan bereits als Rezeptur-Ausgangstoff verfügbar ist.
Auch an der Applikationsart, dem Verdampfen, übten die Pharmazeuten Kritik. So zeigten pharmakokinetische Daten, dass die aufgenommene Wirkstoffmenge sehr stark variiert. Demnach komme beim geübten Raucher deutlich mehr Wirkstoff in den Bronchien an als bei anderen Patienten. Zudem gebe es große individuelle Unterscheide, wie viel Wirkstoff dann tatsächlich systemisch verfügbar ist.
Wenige Studien
Summa summarum seien Cannabis-Fertigarzneimittel die einzige pharmazeutisch vertretbare Alternative, so das Fazit der Pharmazeuten. Hier sei auch die Industrie gefordert, die Entwicklung und Zulassung von Fertigarzneimitteln voranzutreiben. Das habe auch den Vorteil, dass dazu weitere Studien vonnöten sein. Denn zum einen sei die Studienlage zur therapeutischen Verwendung von Cannabis in vielen Indikationen dünn, zum anderen sei die Qualität der verfügbaren Studien sehr heterogen.
Hier beißt sich allerdings derzeit die Katze in den Schwanz. Für die pharmazeutischen Unternehmen bedeuten neue klinische Studien eine enorme finanzielle Belastung. Doch eine solide Datenlage ist unabdinglich für die Zulassung. »Ich kann interessierte Unternehmen nur ermuntern, das enge Gespräch mit dem BfArM zu suchen«, appellierte Professor Werner Knöss an die Industrie. Der Leiter der beim BfArM angesiedelten Cannabisagentur stellte zwar klar, dass es für Cannabis keine Sonderregelungen geben wird. Das Bundesinstitut könne aber im engen Dialog den Pharmaunternehmen ein gewisses Maß an Planungssicherheit bieten. /