Regierung setzt auf Eigenverantwortung |
10.05.2017 09:48 Uhr |
Von Anna Pannen / Dass Patienten in Deutschland 5 bis 10 Euro zu rezeptpflichtigen Medikamenten zuzahlen müssen, ist sozial gerecht und macht niemanden arm. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei erklärt.
Die Abgeordneten um Harald Weinberg hatten in ihrer Anfrage bemängelt, Zuzahlungen machten kranke Menschen ärmer und seien unsozial. Das stimme nicht, teilte die Regierung nun mit. Versicherte bekämen in Deutschland alle medizinisch notwendigen, zweckmäßigen Leistungen bezahlt und müssten nur selbst tragen, was darüber hinausgehe – also alles, was nicht unbedingt notwendig sei.
Selbst Patienten mit einer starken Sehschwäche müssen beim Kauf einer Brille ordentlich zuzahlen. Häufig gibt es gar keinen Zuschuss der Krankenkasse.
Foto: Imago/blickwinkel
Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz habe gerade erst sichergestellt, dass Patienten keine überflüssigen Hilfsmittel mehr angedreht werden, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU) in der Antwort der Regierung.
Die Belastungsgrenzen für Zuzahlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung sorgten dafür, dass niemand mehr Geld für Medikamente und medizinische Leistungen ausgeben müsse, als er erübrigen könne, so Widmann-Mauz weiter. Derzeit müssen Versicherte nicht mehr als 2 Prozent ihres jährlichen Bruttoeinkommens an Zuzahlung leisten, bei Chronikern ist es 1 Prozent.
Politisch gewollt
Zuzahlungen seien auch politisch gewollt, denn sie stärkten »das Bewusstsein für die Kosten medizinischer Leistungen und die Eigenverantwortung«, so die Staatssekretärin. Außerdem sei die Höhe der Zuzahlungen hierzulande im internationalen Vergleich sehr moderat und sozialverträglich. Niemand müsse aus finanziellen Gründen auf notwendige Gesundheitsleistungen verzichten.
Die Linke hatte es genau wissen wollen und gefragt, wie viel die Deutschen eigentlich zu ihren Medikamenten zuzahlen. Laut den Zahlen der Bundesregierung ist die Summe der geleisteten Zuzahlungen für Medikamente und Hilfsmittel in Apotheken von rund 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf knapp 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2016 gestiegen. Insgesamt stieg die Summe aller geleisteten Zuzahlungen inklusive Krankenhaus- und Arztbehandlungen, Krankenpflege und Reha seit der Abschaffung der Praxisgebühr 2013 von 3,6 auf 3,9 Milliarden Euro pro Jahr. Jeder Bundesbürger gebe monatlich im Schnitt 4,52 Euro für Zuzahlungen aus.
Den Zahlen der Bundesregierung zufolge gibt es immer weniger von der Zuzahlung befreite Arzneimittel. 2010 waren es noch mehr als 12 000, in diesem Jahr sind es nur noch knapp 4000. Medikamente können immer dann zuzahlungsfrei werden, wenn ihr Preis mindestens 30 Prozent unter dem Festbetrag liegt. Sinken die Festbeträge, müssen Kassen also weniger und Patienten mehr zahlen. Laut Bundesregierung ist das aber kein Problem, da die Kassen, wenn sie weniger ausgeben müssen, auch die Beitragssätze senken können. So profitierten die Versicherten wieder.
Steigende Beiträge
Die Linke hatte auch wissen wollen, wie viel es die Versichertengemeinschaft überhaupt kosten würde, wenn es keine Zuzahlungen mehr geben würde. Wie stark würden die Beitragssätze in diesem Fall steigen? Die Bundesregierung gab Antwort: Würden Arbeitnehmer und Arbeitgeber 0,3 Prozent mehr zahlen, könnte man auf Zuzahlungen verzichten, erklärte sie. Wer monatlich 1000 Euro brutto verdient, müsste also 3 Euro zusätzlich zahlen, bei 4000 Euro Bruttogehalt wären es 12 Euro.
Harald Weinberg kritisierte die Antwort der Bundesregierung. »Gute Versorgung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Zuzahlungen sind unsozial und gehören abgeschafft«, sagte er. Über sie würde einfach ein Teil der Behandlungskosten auf die Patienten abgewälzt. Alle medizinischen Leistungen müssten ganz von den Kassen bezahlt werden, auch etwa Zahnersatz, forderte Weinberg. /