Für Arbeitnehmer wird es teurer |
21.10.2015 08:44 Uhr |
Von Daniel Rücker / Die Zeiten prall gefüllter Geldbörsen sind bei den Krankenkassen offenbar vorbei. Die Rücklagen schrumpfen und die Beiträge steigen vermutlich auf einen Durchschnittswert um 15,7 Prozent. Leidtragende sind die Versicherten. Sie müssen die Mehrkosten allein bezahlen.
Gesetzlich Versicherte müssen ab dem kommenden Jahr wahrscheinlich mehr für ihre Krankenversicherung bezahlen. Nach den Berechnungen des Schätzerkreises am Bundesversicherungsamt wird der durchschnittliche Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im kommenden Jahr bei 15,7 Prozent vom Einkommen liegen. Aktuell liegt er bei 15,5 Prozent. Grund für den Beitragsanstieg sind laut Schätzerkreis und GKV-Spitzenverband um 3 Milliarden Euro höhere Ausgaben der Krankenkassen im kommendem Jahr.
Die Last der steigenden Beiträge müssen die Angestellten alleine schultern.
Foto: Imago/IPON
Gedeckelt
Die zusätzlichen Kosten für die Krankenkassen tragen nun ausschließlich die Versicherten. Seit Jahresbeginn 2015 ist der paritätisch finanzierte Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung bei 14,6 Prozent vom Einkommen gedeckelt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen jeweils 7,3 Prozent. Darüber hinausgehende Beiträge müssen die Versicherten allein bezahlen. Bislang waren dies durchschnittlich 0,9 Prozent, im kommenden Jahr werden es 1,1 Prozent vom Einkommen sein. Diese Regelung ist Teil der Koalitionsvereinbarungen von Union und SPD nach der Bundestagswahl 2013. Die SPD hatte der Forderung der Union, die paritätische Finanzierung zum Vorteil der Arbeitgeber abzuschaffen, nur sehr ungern zugestimmt.
Die Ankündigung steigender Kassenbeiträge für die Versicherten kommt nicht überraschend. Bereits im August hatte der GKV-Spitzenverband davor gewarnt. Die Prognose für 2016 bewegte sich damals mit 0,3 Prozentpunkten auf annähernd demselben Niveau wie die aktuelle Schätzung.
Die anstehende Beitragssatzerhöhung trifft die Versicherten unterschiedlich, denn letztlich entscheiden die Krankenkassen selbst über ihren Beitragssatz. Schon heute gibt es gravierende Unterschiede. So erheben die BKK Euregio und die Metzinger BKK keinen Zusatzbeitrag, während Versicherte der IKK Nord von ihrem Einkommen 1,3 Prozent Extrabeitrag bezahlen.
Die Reaktion auf die steigenden Kassenbeiträge fällt erwartungsgemäß heftig aus. Vor allem die Deckelung des Arbeitgeberbeitrages wird zunehmend kritisch gesehen. Das gilt auch für SPD-Politiker, die 2013 noch dem Koalitionsvertrag zugestimmt hatten. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, forderte postwendend die Rückkehr zur Beitragsparität. Die Lasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern müssten gerecht aufgeteilt werden, sagte sie.
In die Pflicht nehmen
Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) und der Sozialverband VDK setzen sich dafür ein, dass beide Parteien dasselbe bezahlen. »Die Arbeitgeber müssen in die Pflicht genommen werden«, sagt SoVD-Verbandschef Adolf Bauer. VDK-Präsidentin Ulrike Mascher forderte, Arbeitgeber dürften nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Über Zuzahlungen, Aufzahlungen und Aufwendungen für Leistungen, die aus dem GKV-Leistungskatalog herausgefallen sind, zahlten Kranke heute viel Geld zusätzlich.
Politiker der Opposition stützen diese Forderungen. Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink erwartet zukünftig noch weiter steigende Kassenbeiträge. Dies könnten die Arbeitnehmer nicht mehr tragen. Ähnlich sieht dies Harald Weinberg, Gesundheitsexperte der Linken. Er fordert, das Prinzip halbe-halbe wieder einzuführen.
Der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben sich auf Rahmenvorgaben für die Arzneimittelausgaben im kommenden Jahr geeinigt. Danach sollen die Arzneimittelausgaben um 3,7 Prozent steigen, das sind 1,2 Milliarden Euro mehr. Exakt lässt sich dieser Betrag jedoch nicht vorhersagen. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen verhandeln regional die jeweiligen Volumina. Hierbei werden Kriterien wie Zahl und Alter der Versicherten einbezogen.
KBV und GKV-Spitzenverband zeigten sich mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. Für Hilfsmittel vereinbarten beide Seiten ebenfalls eine Steigerung von 3,7 Prozent. Wegen des im Vergleich zu Arzneimitteln geringeren Gesamtvolumens beträgt die Steigerung bei den Hilfsmitteln nur 195 Millionen Euro.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Michalk (CDU), gehört zu den wenigen Politikern, die die Koalitionsentscheidung von 2013 verteidigen. »Der durchschnittliche Zusatzbeitrag ist für die Krankenkassen ein Instrument zur besseren Planung ihres kassenindividuellen Zusatzbeitrags«, sagte sie. »Wir in der Großen Koalition haben wichtige Entscheidungen auf den Weg gebracht. Die Zusatzbeiträge werden sich auch in Zukunft, je nach Situation der Kassen, sehr individuell darstellen, da nach wie vor sehr differenzierte Finanzreserven der Kassen zu verzeichnen sind.«
Die Kassen seien verpflichtet, ihre Mitglieder über eine Änderung des Zusatzbeitrags zu informieren und darüber hinaus auch deutlich zu machen, dass mit der Änderung ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht, so Michalk. »Die individuelle Entscheidung über das Preis-/Leistungsniveau und damit auch über die Frage von Satzungsleistungen der Kassen muss jeder Versicherte selbst treffen. Wenn von dieser Entscheidung auch die Arbeitgeber unmittelbar betroffen wären, hätte das eine direkte Auswirkung auf die Preisbildung für Produkte der Unternehmen.« Gleichwohl sei insbesondere durch die prozentuale Erhebung des Zusatzbeitrags sichergestellt, dass niemand überfordert werde.
Balance-Akt
Die Krankenkassen haben sich bislang nicht zur Anhebung des Beitragssatzes geäußert. Mit Blick auf das Sonderkündigungsrecht ist das nachvollziehbar. Für die Krankenkassen ist es ein Balance-Akt. Auf der einen Seite müssen sie den Beitragssatz anheben, damit sie ihre Ausgaben decken können, dabei müssen sie aber maßvoll bleiben, damit die Versicherten nicht reihenweise zu einer preiswerteren Krankenkasse wechseln. /
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