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Vitamin B12

Mangel kann auch zu Stürzen führen

30.04.2012  12:03 Uhr

Von Maria Pues, Stuttgart / Menschen über 65 Jahren fehlt es häufig an Vitamin B12. Das kann mehrere Gründe und verschiedene Konsequenzen haben.

Vitamin B12 kommt vor allem in tierischen Lebensmitteln vor. Von einem Mangel sind daher häufig Veganer betroffen – aber auch Senioren, die zwar weniger Kalorien benötigen, das jedoch bei gleichbleibendem Bedarf an Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen. Zugleich fehlt Senioren häufig die ausreichende Menge an Magensäure, um das Vitamin aus der Nahrung he­rauszulösen, erläuterte Apotheker Uwe Gröber, Essen, anlässlich eines Symposiums der Firma Wörwag in Stuttgart. Grunderkrankungen des Magens können die Ursache für einen Mangel sein, aber auch verschiedene häufig verordnete Arzneimittel: Protonenpumpenhemmer und H2-Antagonisten gehören dazu, aber auch Metformin, das die Calcium-abhängige Aufnahme aus dem Darm reduziert.

 

Neurologische Symptome

 

Vitamin B12 greift als Methylcobalamin im Cytosol und als Adenosylcobalamin in den Mitochondrien in zahlreiche Prozesse ein, erläuterte Gröber. Bei einem Mangel kann es bekanntermaßen zu Störungen der Blutbildung kommen, aber auch zu neurologisch-psychiatrischen Symptomen sowie zu Veränderungen der Mukosa des Verdauungstraktes, was wiederum die B12-Absorption verschlechtern kann.

Die Symptome eines Mangels reichen von Appetitlosigkeit über Tinnitus bis hin zu Muskelzittern, Reizbarkeit und Depressionen. Bei kaum einem anderen Vitamin sei die Diskrepanz zwischen der klinischen Bedeutung und dem – mangelnden – Wissen darüber so groß wie bei Vitamin B12, sagte Professor Dr. Karlheinz Reiners, Universität Würzburg. Selbst schwerwiegende Manifestationen wie die hyperchrome megalozytäre Anämie oder die Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks würden nur selten rechtzeitig diagnostiziert. Auch mangelnde körperliche Leistungsfähigkeit als Zeichen einer Anämie oder Sturzneigung und Missempfindungen als neurologische Symptome würden häufig fehlinterpretiert.

 

Hirnleistungsstörungen und -atrophie sowie Demenz bei einem Mangel der Vitamine B6, B12 und Folsäure ließen sich anhand steigender Homo­cystein-Spiegel erklären, erläuterte Gröber. So stimulieren Cystein- und Homocysteinsäure direkt NMDA-Rezeptoren, was über einen gesteigerten Calcium-Einstrom zu neuronaler Apoptose und damit zu Neurodegeneration und neuronalen Ausfällen führen kann. Über einen zweiten Weg könne Homocystein zusammen mit Eisen-III zu oxidativem und nitrosativem Stress führen und dieser ebenfalls zu neuronaler Apoptose. Ein Mangel an Vitamin B12 führt außerdem zu einer Demyelinisierung des ZNS und einer Verminderung der Phospholipidsynthese und diese wiederum zu einer Neurodegeneration.

 

Als Marker für den Mangel sei die Vitamin-B12-Konzentration im Serum nur bedingt geeignet, erläuterte Professor Dr. Rima Obeid, Universitäts­klinikum des Saarlandes. Denn auch bei entleerten Speichern bewege sich diese noch eine ganze Weile im Normbereich. Als frühester Marker eigne sich die Bestimmung des Holotranscobal­amins (HoloTC), da dieser eine Entleerung der Speicher anzeige. Ergänzend könne man die Konzentration der Methylmalonsäure bestimmen (MMA), die bei entleerten Vitamin-B12-Speichern ansteigt.

 

Peroral oder parenteral?

 

Eine lebhafte Diskussion unter den Experten entwickelte sich zu der Frage, ob eine Substitution parenteral – wie dies die einschlägigen Lehrbücher raten – oder peroral erfolgen sollte. Professor Dr. Joachim Schmidt, Universität Dresden, verwies auf eine Bewertung der Cochrane Collaboration, wonach peroral verabreichtes Cyanocobalamin in Dosierungen von 1000 bis 2000 µg ebenso effektiv war wie die parenterale Substitution. Magensäure sei notwendig, um das Vitamin aus den Proteinverbindungen der Nahrung zu extrahieren, erläuterte er. Dieser Schritt entfalle beim Einsatz peroral anzuwendender Arzneimittel, die sich daher auch bei mangelnder Magensäure als effektiv erwiesen. Gröber plädierte in manchen Fällen für eine (initiale) par­enterale Gabe, um einen Mangel möglichst zügig zu beheben.

 

Parästhesien besserten sich meist bereits nach wenigen Tagen, berichtete Schmidt, hämatologische Veränderungen nach zwei bis vier Wochen. Eine erste Besserung neurologischer Symptome könne man meist nach zwei bis drei Wochen beobachten, wobei maximale Effekte innerhalb von sechs Monaten aufträten. / 

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